Originaltitel: Who Killed Captain Alex?
Produktionsland: Uganda
Regie: Nabwana I.G.G.
Darsteller: Kakule William, Sseruyna Ernest, Bukenya Charlse, Nakyambadde Prossy, G. Puffs
Abt.: Zeitgenösssiches Afrikanisches Action-Kino
Manche Geschichten kann man sich echt nicht ausdenken: Da beschließt ein Filmverrückter in einem Slum Ugandas, zum führenden Filmproduzenten seines mit Filmproduzenten nun wirklich nicht gesegneten Landes zu werden, um den inflationär den afrikanischen Markt überschwemmenden Produktionen aus Nigerias Nollywood eine eigene Vision dessen entgegenzusetzen, was Kino sein kann, wenn man nur genügend Herzblut investiert. Ein ehemaliger Schweinestall wird zum Ton- und Filmstudio umfunktioniert; die Darsteller rekrutiert man aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis, vorwiegend aber aus einer Clique Martial-Arts-Begeisterter, die seit vielen Jahren schon in der Nachbarschaft für ihre Schaukämpfe berühmt sind; da das Geld nur für einen einmonatigen Computer-Crashkurs reicht, arbeitet man sich eben autodidaktisch in die Kunst digitaler Videobearbeitung ein, und baut sich den erforderlichen Rechner aus zusammengetragenem Elektroschutt eigenhändig zusammen; zuletzt wird man Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, Cutter, Kameramann in Personalunion, und schlägt sich, wenn man sich nicht gerade um die vielköpfige Familie kümmert oder seinen Lebensunterhalt mit Hochzeitsvideos und der Herstellung von Ziegelsteinen verdient, die Nächte für die Post-Production um die Ohren, - sofern jedenfalls die Elektrizität mitspielt, die nach 22 Uhr in Wakaliwood kaum einmal vorhanden ist, auch mal für eine ganze Woche ihren Dienst versagt, und mitunter dafür sorgt, dass bei PC-Absturz ganze Videodateien unwiederbringlich verlorengehen; hat man endlich einen Film vollendet, schickt man seine Dealer auf die Wochenmärkte und an die Haustüren, um die Rohlinge mit der heißen Ware vis-à-vis an Mann und Frau zu bringen. So ungefähr lautet die Geschichte I. G. G. Nabwanas, der dadurch, dass er eines Tages einen Trailer zu seinem magnum opus WHO KILLED CAPTAIN ALEX? bei YouTube hochlädt, zu einer Bekanntheit gelangt, die ihm schlagartig die Aufmerksamkeit internationaler Medien einbringt, und vor allem Kontakte zu Filmverrückten wie ihm selbst verschafft, die zu seiner bescheidenen Behausung in Wakaliwood wallfahren, um ihm tatkräftig dabei unter die Arme zu greifen, Uganda endlich zu einer eigenständigen Filmkultur zu verhelfen, und das afrikanische Kino, ach was, das Kino an sich zu revolutionieren. So größenwahnsinnig sich das alles anhören mag, - (zumal dann, wenn man bedenkt, dass das Budget vorliegenden Films sich bei etwa zweihundert Dollar eingependelt haben dürfte, was man ihm freilich auch schon an der Nasenspitze ansieht), - so sympathisch macht es mir Nabwana, wenn er in einer der zahllosen Dokumentationen über sein Schaffen (unter anderem auch von Spiegel TV) mit leuchtenden Augen Set-Anekdoten erzählt, sich selbst mit subtiler Selbstironie auf die Schippe nimmt, und immer wieder ein Loblied auf seine Großmutter Rachel singt: Die nämlich hat ihn, nachdem er von seiner leiblichen Mutter verstoßen worden ist, aufgezogen, ihn ermutigt, seine Träume zu leben, ihm in den von der Diktatur Idi Amin Dadas, Militärputschs und Bürgerkriegen geprägten 70er und 80er Jahre trotz all der Gräuel eine Kindheit ermöglicht, auf die er gerne zurückblickt. Folgerichtig endet WHO KILLED CAPTAIN ALEX? mit einem Song, den Nabwana für die zu diesem Zeitpunkt bereits über Neunzigjährige gedichtet hat. Auch seine Produktionsfirma Ramon Pictures ist eine Hommage an die eigenen Wurzeln, benannt nach seinen beiden Großmüttern Rachel und Monica. Aber bevor ich selbst ein Loblied auf die beneidenswerte Naivität anstimme, mit der Nabwana seit der Gründung von Ramon Pictures 2005, bewaffnet mit einer billigen Videokamera, ein paar Laienschauspielern, löchrigen Drehbüchern, und haushohen Aggregaten kreativer Energie, in der eigenen ärmlichen Hood Mafia-, Kannibalen- und Horrorfilme dutzendweise aus dem Boden stampft, möchte ich mich zunächst einmal dem reinen Plot von WHO KILLED CAPTAIN ALEX? zuwenden, (der freilich allein schon Material für mehr als einen Absatz sprachloses Staunen liefert):
Die Frage, wer denn der titelgebende Kapitän Alex überhaupt sein soll, wird uns gleich in der Eröffnungssequenz beantwortet: Der honorige Offizier der Ugandischen Volksarmee hat bereits an brenzligen Orten wie Kolumbien, Russland und Pakistan für Recht und Ordnung gesorgt, und kann sich deshalb vor Fangirl-Reporterinnen nicht retten, die ihn zu seiner neusten, (offenkundig, wenn das Fernsehen davon weiß, nicht allzu geheimen) Geheimmission ausquetschen. Diese nämlich lautet, Uganda von dem bitterbösen Richard und seiner Tiger Mafia zu befreien, deren schmutzige Pfoten durch so manche Machenschaft das Klima Kampalas verunreinigen. Nachdem eine Truppe in Saft und Kraft stehender Kämpfer zusammengetrommelt ist, kommt es in einem (spärlich eingerichteten) Tanzlokal zum ersten Beweis dafür, wie sehr Alex‘ moralische und ethische Konstitution über der seiner Gefolgsleute steht. Während die die Gesangsdarbietung einer gewissen Natascha zum Anlass nehmen, sich an Spirituosen zu berauschen -, (die wiederum, laut Nabwanas Audiokommentar, da man sich keine wirklichen Liköre und Schnäpse leisten konnte, aus mit Wasser vermengter blauer Farbe bestehen) -, und in eine sinnlose Kneipenschlägerei á la Bud Spencer & Terence Hill torkeln, ist es Alex, der seine Waffenbrüdern erst mit Fausthieben zur Besinnung bringt, und ihnen dann eine Standpauke hält, wie wenig ehrenrührig ein solches Verhalten für ein Mitglied der ugandischen Armee sei. Die jungen Männer nehmen sich Alex‘ Worte immerhin genügend zu Herzen, dass man kurz darauf zum ersten Schlag gegen die Tiger Mafia ausholen kann. Deren Mitglieder laufen in Zeitlupe, stilecht mit schwarzen Sonnenbrillen und schwarzen Koffern, durch eine halbverfallene Ruine irgendwo in der Pampa, wo sie von Alex und seinen Streitern in eine ausgewalzte Actionszene verwickelt werden. Digital eingefügtes Mündungsfeuer aus Waffen, die nicht nur so aussehen, als ob Nabwana und sein Team sie aus alten Rohren und Holzbrettern zusammengeschweißt und zusammengenagelt hätten, lässt reihenweise die immergleichen Statisten unter CGI-Blutfontänen zusammenbrechen, wenn sich die Kontrahenten, (darunter auch ein Mafiamitglied im Spiderman-Kostüm!), nicht gerade in Gestalt mehr oder weniger ausgefeilter Kampfchoreographien gegenseitig Füße ins Gesicht oder Fäuste in die Magengruben schleudern. Ende des Lieds: Richard ist zwar entfleucht, aber sein Bruder in die Gewalt Alex‘ geraten. Diese Hiobs-Botschaft, übertragen von Ramon TV brandaktuell in Richards Wohnzimmer, entsetzt den Mafiaboss derart, dass er erst einmal einer seiner Gattinnen eine unverdiente Tracht Prügel versetzt, und uns danach bühnenreif schwört, mit seinem Erzfeind Alex kurzen Prozess zu machen.
Mittel zum Zweck, den (übrigens den kompletten Film über namenlos und unsichtbar bleibenden) Bruder freizubekommen, ist eine weibliche Spionin, die Richard auf Alex ansetzt, auf dass diese ihn verführe, im gleichen Atemzug ermorde und sein Zeltlager weit draußen im Dschungel für Richards Bande öffne. Zunächst läuft alles wie geschmiert, und Alex scheint tatsächlich seine hehren Ideale zu vergessen, sobald die ugandische Mata Hari ihm schöne Augen macht. Dann aber, als Richards Spionin und auch Alex‘ eigene Einheit abgelenkt ist, ertönt plötzlich ein schriller Schrei aus dem Zelt des Captains, dessen Ursache mit der Frage zu tun hat, die uns der Filmtitel stellt: Alex liegt mausetot auf dem Boden, und niemand will’s gewesen sein. Allerdings nutzen die Raubkatzen-Mafiosi die allgemeine Bestürzung, Alex‘ Lager zu überfallen, und zwei seiner Vertrauten zu kidnappen. Als die sich zurzeit auf Auswärtsmission befindlichen übrigen Soldaten zum Camp zurückkehren, finden sie dieses bis auf Alex‘ Leichnam verwaist vor. Nun hat aber auch Alex einen Bruder, der als hauptberuflicher Shaolin Mönch durch die Lande zieht. Es dürfte klar sein, dass dessen Reaktion, als er vom Tod des Kapitäns erfährt, sich wenig von der vorherigen Richards unterscheidet: Auge um Auge, Zahn um Zahn, und der Tod des Bruders, hinter dem er, (wie wir wissen: fälschlicherweise), die Tiger Mafia vermutet, darf nicht ungesühnt bleiben. Da die Armee sich weigert, mit dem einsamen Krieger zu kooperieren, und die Ermittlungen im Falle Alex nicht aus den Händen geben will, sucht Alex‘ Bruder erst einmal Rat bei seinem Shaolin-Meister, der irgendwo im Urwald in einem Bretterverschlag haust. Auch dieser jedoch entzieht ihm die Unterstützung: Kung-Fu sei nicht für die Befriedigung schnöder Rachegelüste gedacht, sondern dürfe lediglich zur Selbstverteidigung angewandt werden. Alex‘ Bruder indes trennt sich nicht von dem in ihm wütenden Zorn: Hinaus in die Wildnis geht es, wo er sich in der Einsamkeit auf die Konfrontation mit der Tiger Mafia vorbereitet. Ähnlich wie weiland Cüneyt Arkın in DÜNYAYI KURTARAN ADAM schlägt er in Zeitlupe auf Steine, Bäume oder die pure Luft ein, ernährt sich ausschließlich von Frischfisch, und nächtigt auf Baumwipfeln. Wie so oft dudelt dabei pausenlos das musikalische Leitmotiv des Films – eine Instrumentalversion von Seals „Kiss From A Rose“ mit viel Flötenpfeifen, für die Nabwana sicherlich genauso wenig die Rechte erworben hat wie für die in den Actionsequenzen sporadisch aufflammenden Orchester-Scores aus irgendwelchen Hollywood-Produktionen. Die freiwillige Isolation endet damit, dass Alex‘ Bruder auf eine reglos im Busch liegende Frau stößt, bei der es sich, wie es der Zufall bzw. Nabwanas konfuses Drehbuch wollen, ausgerechnet um eine der vielen Ehefrauen Richards, (der doch eigentlich Henry heißen sollte), handelt, die dieser in die Wildnis verstoßen hat, und die sich sogleich bereiterklärt, unserem Helden den Weg zum Geheimversteck der Mafiosi zu zeigen.
Die Uganda People’s Defence Force ist indes aber auch nicht untätig geblieben, und hat ein Waldstück ausfindig gemacht, von dem sie, weshalb auch immer, glauben, dass sich dort Richards Headquarter befinden soll. Falsch liegen sie damit nicht: Zur gleichen Zeit sendet der Mafiaboss genau dort einen angeblich russischen Söldner, (der ungefähr so genuin russisch wirkt wie man mich für einen Malaien halten könnte), auf ein Selbstmordkommando: Der Gute soll einen Regierungshelikopter stibitzen, und mit diesem Anschläge auf prominente Bauwerke Kampalas verüben – ganz so wie es von Richard bei einem Live-Interview im Fernsehen, das mit einer Schießerei geendet hat, angedroht worden ist, sollte man ihm nicht alsbald sein Bruderherz zuschleusen. Vom Schwierigkeitsgrad bewegt sich die Helikopterentführung dann aber doch eher im gesunden Mittelbereich: Ein paar aufgeschlitzte Kehlen und gebrochene Hälse später sitzt der Moskau-Mercenary bereits in einem flugfähigen CGI-Vehikel, das zu beschreiben mir die Worte fehlen, - und mein mangelndes Talent, die wirklich kruden Effekte in originelle Metaphern zu kleiden, gibt endgültig den Geist auf, wenn mit dem Hubschrauber nun tatsächlich Angriffe auf Regierungsgebäude und christliche Kirche im Zentrum der ugandischen Hauptstadt geflogen werden. Ebenso himmelschreiend wie das apokalyptische Szenario, das Nabwana nunmehr aus dem Ärmel schüttelt, (und unfassbarerweise sogar mit News-Footage tatsächlicher zur Zeit der Dreharbeiten stattfindender Unruhen und Militärinterventionen in Kampala gegenschneidet), ist der in Parallelmontage ablaufende Showdown zwischen der UPDF und der Tiger Mafia einerseits, und Alex‘ Bruder und dessen vermeintlichem Mörder Richard andererseits – wobei unüberschaubar vielleicht der bessere Ausdruck für das mindestens zehn Minuten währende Geballere, Gesplattere und Gewusel ist, das Nabwana im tiefsten Busch als kaum verdaubare Abfolge von Handgranatenexplosionen, CGI-Blutfontänen und Verfolgungsjagden inszeniert. Dass es erneut lediglich eine Handvoll Darsteller ist, die in immer neuen Rollen immer neue gewaltsame Tode erleiden, hilft kein bisschen dabei, das Grande Finale dieses nach Blei und Blut riechenden Films für mich auch nur ansatzweise nachvollziehbar zu machen. Wer darauf hofft, dass der Plot in der Pointe mündet, wer denn nun eigentlich Captain Alex ermordet hat, der wird maßlos enttäuscht. Zwar fasst die ugandische Armee endlich den schwerverletzten Richard, doch die Titelfrage bleibt nichtsdestotrotz ungeklärt. Nabwana reibt uns das beinahe süffisant unter die Nase, wenn sein Film relativ abrupt damit endet, dass diese auf schwarzem Grund noch einmal aufscheint, so, als würde ihre Beantwortung nun, wo der Film vorbei ist, an uns selbst delegiert werden: WHO KILLED CAPTAIN ALEX? Aber, nein, ernsthaft: Ich tauge als Inspektor nicht, habe keinen Plan, wer der Mordbube gewesen sein soll, (und, wie er im Audiokommentar zugibt: Nabwana selbst weiß es ebenfalls nicht…)
“WHO KILLED CAPTAIN ALEX – Uganda’s First Action Movie was produced, written, directed, shot, and edited by Nabwana IGG in January, 2010”, heißt es in einer der Netzversion des Films vorangestellten Texttafel. "It was made from his home in the village of Wakaliga, and it quickly became a sensation throughout the slums of Uganda. This is a lost film. All that survives is a low-resolution DVD master. This is due, in part, to the harsh working conditions, but Nabwana IGG also erased his computer to be able to make his next action film, TEBAATUSASULA. He never imagined anyone outside his own village would see his film.” Weshalb WHO KILLED CAPTAIN ALEX? in diesem Eröffnungstext der Status eines verschollenen Films zugeteilt wird, hat mich zunächst stutzig gemacht, kann aber scheinbar wie folgt erklärt wird: Die einzige Version des Streifens, die Nabwanas notwendige PC-Formatierung überlebt hat, ist eine, in der zu den Originaldialogen in Burundi und den englischen Untertiteln noch eine dritte kommentierende Instanz hinzutritt: Ein sogenannter „Video Joker“ namens Emmie ist permanent damit beschäftigt, den Film extradiegetisch mit Sprüchen, Kalauern und seltsamen Lautäußerungen zu begleiten. Diese an selige Stummfilmzeiten erinnernde Praktik ist im zeitgenössischen Uganda offenkundig gang und gäbe: Während öffentlicher Filmvorführungen in improvisierten Kinos sind die Zuschauer nicht allein dem Film überantwortet, wie ihn Nabwana mit seinem Finalschnitt abgesegnet hat, sondern kommen zudem in den Genuss eines Live-Kommentars durch einen VJ – in etwa so, wie wenn Leute wie, sagen wir, Oliver Kalkofe oder Marcus Stiglegger pausenlos bei der Vorführung einer beliebigen Asylum-Produktion oder eines beliebigen Giallos ununterbrochen die Handlung mit zwar distanziert-ironischem, aber niemals beleidigendem Gequassel überziehen würden. Wie Nabwana selbst erklärt, handelt es sich bei diesen VJ-Variationen für ihn um eine Neuinterpretation seines Stoffes: Das Ausgangsmaterial bleibt intakt, erfährt aber durch VJ Emmies kreativen verbalen Umgang mit demselben einen deutlichen Stoß in Richtung Parodie und Satire. Ohne das schier unglaubliche Geschnatter des Video-Narren wäre WHO KILLED CAPTAIN ALEX? ein wirklich unterhaltsamer No-Budget-Streifen an der Peripherie des gesunden Menschenverstands; in der Fassung mit VJ Emmie überschreitet der Film allerdings problemlos die Grenze zum Psychotronischen. Erinnert uns der mit Vorliebe krakeelende Emmie nicht unermüdlich daran, welchem Film wir gerade beiwohnen („You are watching WHO KILLED CAPTAIN ALEX?“), versichert uns der Qualitäten desselben („Action Packed Movie!“) oder weist – wohlgemerkt das alles mitten in der laufenden Handlung – auf zukünftige Streiche Nabwanas hin („Coming Soon: Bad Black!“), dann leistet er uns Hilfestellung dabei, den Plot zu verstehen, indem er die im Kader wuselnden Protagonisten namentlich benennt („Mercenary!“; „Tiger Mafia!“, "Sp!“), ihnen bestimmte Attribute zuschreibt („Supa Killer!“; „Ugandian Bruce Lee!“; „Ugandian Shaolin Monk!“), oder uns in Erwartungshaltung kommender Spektakel gegenüber versetzt („Action is coming!“). Besonders einfallsreich wird der hörbar enthusiastische VJ, wenn er die Handlung zu Gunsten debiler Späße verfremdet. „Nice Bums!“, fällt ihm zum Beispiel ein, als ein Frauenhintern ins Bild rückt, oder aber einer der Gattinnen Richards, die zum Opfer eines seiner cholerischen Anfälle wird, unterstellt er, die Ohrfeigen und Beleidigungen seien die gerechte Strafe dafür, dass sie heimlich nigerianische Filme geschaut habe. Zuweilen aber sind Emmies Bemerkungen schlicht sinnbefreit: Dann ruft er einfach mal grundlos „Movie!“ oder „Uganda!“, bezeichnet eine Gruppe Marabus als „Dinosaurs“, oder lacht sich über irgendetwas halbtot, von vielen weiteren undefinierbaren unartikulierten Geräuschen ganz zu schweigen. Man muss das wohl mit eigenen Ohren erlebt haben…
Filme wie WHO KILLED CAPTAIN ALEX? sind sicher die leichtesten Opfer für Leute, die sich mit Vorliebe über vermeintlich Miserables erheben, von wo sie dann ihr arrogantes Hohngelächter fallenlassen wie Bomben, mit denen sie eigentlich am meisten ihren eigenen enggestrickten Horizont treffen. All die Schlefaz-Kunden, die der festen Überzeugung sind, es mache einen Film allein zur Lachnummer, dass es sich bei ihm um ein Wald-und-Wiesen-Projekt handelt, das keine hochbudgetierten Schauwerte anzubieten hat, sondern einzig und allein die bedingungslose und besinnungslose Leidenschaft, die sie veredelt, kommen bei WHO KILLED CAPTAIN ALEX?, der auch schon mal auf den üblichen zwielichtigen Listen der angeblich miesesten Zelluloid- bzw. Video-Erzeugnissen aller Zeiten auftaucht, fraglos genauso auf ihre Kosten wie wenn bei Polselli die Augen oder bei Rollin die Weinfässer rollen. Dass ich mich allerdings nach der Erstsichtung dieser schlicht unglaublichen Ode an ein physisches, zu keinem Zeitpunkt psychologisch unterfüttertes, sondern absolut körperbetontes Kino wie erschlagen gefühlt habe, rührt demgegenüber allein daher, dass mich Nabwana für knapp eine Stunde in jene Grenzregion entführt hat, in der Werte wie Logik, dramaturgische Finesse oder Spannung schlicht keine Rolle mehr spielen, sondern der puren Schaulust weichen, was für Asse diese unberechenbare, anarchische Pseudo-Handlung sowie ihre hemmungslose Guerilla-Inszenierung denn noch im Petto haben. Es stimmt natürlich: Für sechzig Minuten schauen wir Laienschauspieler dabei zu, wie sie wahlweise in geschlossenen Räumen oder unter freien Himmel oftmals nirgendwohin mäandernde Dialoge führen, vor allem aber, sich gegenseitig in die Luft jagen, mit Munition vollpumpen, zum Duell auffordern. Das ist so juvenil wie es nur sein kann: Eine Form Kinos, die ich mit Namen wie Santo oder Ursus verbinde, und von der ich fürchtete, sie sei schon längst unter der Metareflexivität einer fehlgeleiteten Postmoderne verschüttet worden. Herzfrischend ist es nicht zuletzt, dass Nabwana seinem eigenen Film mit so viel Augenzwinkern begegnet. Ernstgemeint ist WHO KILLED CAPTAIN ALEX? natürlich trotzdem. Genauso ernst wie wir es genommen haben, wenn wir als Kinder ein Fort verteidigen mussten, das aus den Gemüsebeeten unserer Tante und dem Gewächshaus des Nachbarn bestanden hat, dessen Hündchen wir heimlich mit Pralinen fütterten - oder, anders gesagt: Der tristen Realität eine überbordende Wundertüte an Unwahrscheinlichkeiten entgegenhielten. In einer Welt der Labels und der Etikette, (und wenn sie noch so stumpfsinnig sein sollten), gilt Nabwana als ugandischer Quentin Tarantino, (das heißt, die Presse hat ihn eigenmächtig dazu gekürt, weil ihr, wie so oft, kein klügerer Vergleich eingefallen ist.) Aber Tarantino ist ein kalkulierter Leichenfledderer im Gegensatz zu Nabwana. Tarantino ist der nervige Nerd auf der Party, der unaufhörlich mit Zitaten um sich schmeißt, dass man permanent darauf ausrutscht. Nabwana demgegenüber ist der Bricoleur in der Ecke, der ganz spontan ein kurzweiliges Partyspiel entwickelt, in dem das, was er gerade zur Hand hat - ein paar Biergläser, ein Kamm und ein Samurai-Schwert - wichtige Ingredienzien sind.
Es macht mich so unfassbar glücklich, dass I.G.G. noch so viele interessant klingende Streifen wie VALENTINE: SATANIC DAY, RESCUE TEAM oder EATEN ALIVE IN UGANDA auf dem Kerbholz hat.