Valerie - Eine Woche voller Wunder - Jaromil Jires
Verfasst: Mi 11. Aug 2010, 16:56
Valerie - Eine Woche voller Wunder
(Valerie a tyden divu)
mit Jaroslava Schallerova, Helena Anyzova, Petr Kopriva, Jiri Prymek, Jan Klusak, Libuse Komancova, Karel Engel, Alena Stojakova, Otto Hardecky, Martin Wielgus, Jirina Machalicka, Michaela Klocova, Zdenka Kovarova, Bedriska Chalupska, Robert Nezval
Regie: Jaromil Jires
Drehbuch: Vitezsval Nezval / Jaromil Jires
Kamera: Jan Curik
Musik: Lubos Fiser / Jan Klusak
FSK 16
Tschechoslowakei / 1970
Als der jungen Valerie eines Nachts ein paar Ohrringe gestohlen werden, erwacht sie gerade noch rechtzeitig, um den Dieb davonlaufen zu sehen. Siel läuft ihm nach, doch auf ihrem nächtlichen Streifzug wirkt alles auf einmal seltsam fremd. Als am nächsten Tag eine Truppe Schausteller in ihr Dorf kommt, um für ein Hochzeitsfest zu spielen, bekommt die bisher heile Welt von Valeries wohlbehütetem Zuhause langsam Risse. Eine furchterregende Fratze lächelt sie aus der Menge an und auch ihre Großmutter scheint irgendwie verändert, während Vampire, lüsterne Priester und Dämonen im Dorf plötzlich ihr Unwesen treiben.
Das Independent-Label Bildstörung ist ja mittlerweile sehr bekannt dafür, das es sich bei seinen Veröffentlichungen auf Filme speziallisiert hat, die nicht unbedingt der breiten Masse zugänglich sind, sondern vielmehr für eine kleinere Gruppe gedacht sind, die aussergewöhnliche Kunstwerke zu schätzen wissen. Und das "Valerie" ein solch aussergewöhnliches Kunstwerk darstellt, wird dem Zuschauer schon in den ersten Minuten des Filmes klar, denn offenbart sich doch von der ersten Minute an eine Film-Mixtur, die man recht schwierig mit Worten beschreiben kann, da man die Faszination dieses surrealistischen Meisterwerkes selbst erlebt haben muss, um die dabei entstehenden Eindrücke verarbeiten zu können. Im Prinzip dreht sich alles um die 13-Jährige Valerie, die mit ihrer ersten Menstruation konfrontiert wird und im Laufe der Geschichte die einzelnen Stufen der Pubertät durchlebt, die ein junges Mädchen auf dem Weg begleiten, wenn es langsam zu einer Frau heranreift. Es ist jedoch die surreale Darstellung dieser einzelnen Phasen, die hier absolut grandios in Szene gesetzt wurden und den Zuschauer auf eine Reise mitnehmen, während der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion ineinander übergehen und so ein Szenario entstehen lassen, das wie ein wuchtiger Fiebertraum auf einen einwirkt.
Regisseur Jaromil Jires hat es absolut meisterhaft verstanden, teils märchenhafte Elemente mit denen des Horror-Genres zu kombinieren, was im Endeffekt diese einzigartige Mixtur ergeben hat, die einen hier vollkommen in ihren Bann zieht. Sicherlich werden die Meinungen über "Valerie" ziemlich stark auseinandergehen, denn diese symbolbehaftete Geschichte wird nicht jeden Geschmack treffen, jedoch ist es ein absolutes Erlebnis, sich an den hier präsentierten Bildern zu ergötzen, die wie ein wilder Rausch der Sinne auf den Betrachter einwirken und eine schon fast hypnotische Wirkung erzeugen können. Gern begleitet man das junge Mädchen auf ihrer Reise durch die unterschiedlichen Entwicklungsstufen, in denen sie sogar auf dem Scheiterhaufen ihr Leben verliert, um dann in der nächsten Phase wieder aufzuerstehen. Ebenso wie Traum und Realität verschwimmen hier auch Zeit und Raum und so mag es einige Passagen geben, in denen der Film scheinbar keinen Sinn ergibt. Vielleicht muss aber auch nicht alles einen Sinn ergeben und man sollte sich ganz einfach der visuellen Wucht der Bilder hingeben, die sich einem hier offenbaren.
Denn insbesondere in visueller Hinsicht ist dieses Werk eine absolute Granate, man kann sich seiner Bildgewalt und der dadurch entstehenden Intensität des Geschehens ganz einfach nicht entziehen, so das man fast schon zwangsläufig in den berauschenden Sog der Ereignisse hineingezogen wird und keinerlei Möglichkeit hat, sich diesem zu entziehen. Dieser rauschartige Zustand wird von einem absolut stimmigen Score untermalt, der teilweise märchenhaft schön mit einschmeichelnden Klängen aufwartet, um dann auf einmal fast schon brachiale und bedrohliche Ausmaße annimmt, die das surreale Element der Geschichte noch einmal zusätzlich hervorheben. Ganz generell sollte man auch die gelungene Kombination aus ästhetischer Schönheit und bedrohlichen Passagen hervorheben, denn neben den märchenhaften und einfach wunderschönen Phasen gibt es die immer wieder eingefügten horrorartigen Szenen, die insbesondere durch die teils dämonischen Charaktere in den Vordergrund treten. So muss sich Valerie in ihrer Entwicklung zur Frau mit vampirartigen Wesen, Dämonen und Hexen ausenandersetzen, die wohl symbolmäßig die negativen Seiten der Pubertät darstellen sollen. Das dabei entstehende Szenario nimmt so auch phasenweise recht bizzare Ausmaße an und dem Geschehen einen ganz besonderen Stempel aufdrücken.
Auch wenn "Valerie - Eine Woche voller Wunder" jenseits jeglichen Mainstreams angesiedelt ist, so kann man dieses Werk nur jedem Film-Freund ams herz legen, da es ein absolutes Erlebnis ist, sich von der ausgehenden Bildgewalt gefangennehmen zu lassen. Der Film ist wie ein visueller Fiebertraum, in dem die Grenzen zwischen Realität, Fiktion, Zeit und Raum vollkommen ineinander verschwimmen und so ein rauschartiges Film-Erlebnis offenbart, das eine ungeheure Faszination entfacht und sich zwangsläufig auch auf den Zuschauer überträgt. Und auch, wenn nicht jede Passage der Geschichte verständlich erscheint, sollte man sich dieses Werk auf jeden Fall anschauen, da es nicht sehr oft vorkommt, eine solch bizzare Mischung aus Märchen-und Horror zu Gesicht zu bekommen. Auch nach nunmehr vier Jahrzehnten, die der Film schon auf dem Buckel hat, ist rein gar nichts von seiner Faszination und seinem Reiz verlorengegangen, erst recht die immense Bildgewalt verfehlt keineswegs die Wirkung auf den Betrachter, der auch noch längst nach dem Ende des Filmes noch nachhaltig unter den gewonnenen Eindrücken steht, die man erst einmal sacken lassen muss.
Bildstörung hat mal wieder einen wirklich aussergewöhnlichen Film veröffentlicht, der eine gelungene Mischung aus Ästhetik und Bedrohlichkeit bietet, die man in dieser Form wohl noch nicht gesehen hat. Ein teils verwirrender Mix aus Märchen-und Horror, bizzare Charakter und eine herausragende Hauptdarstellerin sorgen für ein brillantes Film-Erlebnis, das auch nachhaltig im Gedächtnis des Zuschauers haften bleibt. Die DVD erscheint in der üblichen Aufmachung, die im Bezug auf Qualität einmal mehr keine Wünsche offen lässt. So gibt es wieder jede Menge Extras, wie beispielsweise eine Soundtrack-DVD, Audiokommentare uvm.
Fazit:
Freunde des aussergewöhnlichen Films werden bei "Valerie - Eine Woche voller Wunder" sicherlich auf ihre Kosten kommen, denn bietet der Film doch vor allem in visueller Hinsicht ein absolut berauschendes Erlebnis. Unterstützt von einer absolut stimmigen Filmmusik begibt man sich auf eine Reise, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, so das das gesamte Geschehen größtenteils wie ein wirrer, aber vollkommen genialer Fiebertraum anmutet, der durch die Kraft seiner Bilder besticht. Ein Film, den man gesehen haben sollte, allein um die gewaltigen Eindrücke wie ein Schwamm in sich aufzusaugen, die hier auf einen einprasseln und die nicht immer ganz verständlich erscheinen, was aber meiner Meinung nach durchaus beabsichtigt ist, um auch Spilraum für die eigene fantasie zu lassen.
Die DVD:
Vertrieb: Bildstörung
Sprache / Ton: Tschechisch DD 2.0 Mono
Untertitel: Deutsch
Bild: 1:1,30 (4:3 Vollbild
Laufzeit: 73 Minuten
Extras: Separate Soundtrack-CD mit der Filmmusik von Lubos Fiser, zusätzlicher Audiotrack mit der Musik von The Valerie Project, Audiokommentar von Peter Hames, "Waking Valerie" -- exklusive, ca. 40-minütige Dokumentation inkl. Interviews mit Darsteller Jan Klusak, DJ und Labelbetreiber Andy Votel, Trish Keenan von Broadcast und Gregory Weeks und Joseph A. Gervasi von The Valerie Project, ca. 50-seitiges Booklet mit Texten von Andy Votel, Peter Hames, Joseph A. Gervasi, Tanya Krzywinska, Daniel Bird
9/10