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Originaltitel: Der Fälscher - Die Geschichte des Michael Born [Doku]
Herstellungsland: Deutschland / 2018
Regie: Christoph Würzburger
Mitwirkende: Michael Born, Claudia Bern, Katja Schupp, Bernd Empen, Kay Hoffmann, Ulrich Weiland
Mit seinen Filmfälschungen für Stern TV und andere TV-Magazine erschütterte er in den 1990er Jahren die deutsche Medienlandschaft: Michael Born - Hochseekapitän, Kriegsreporter, Lebenskünstler.
Hochseekapitän, Kriegsreporter und Filmfälscher
Michael Born - Hochseekapitän, Kriegsreporter und Filmfälscher. Eine schillernde Persönlichkeit. Der 60-jährige Lahnsteiner filmte an den Fronten der Welt - und fälschte nach eigenen Angaben mehr als 200 Fernsehreportagen. Er erschütterte Mitte der 1990er Jahre die deutsche Medienlandschaft wie kaum ein anderer. Heute lebt Michael Born als Olivenbauer und Anarchist in Griechenland.
"Kujau des deutschen Fernsehens"
Der "Kujau des deutschen Fernsehens" konstruierte fiktive Wirklichkeiten, die, wie er glaubte, nur in den Köpfen von weltfremden TV-Redakteuren existierten. Bizarre Geschichten über Krötenlecker, Rechtsradikale, Katzenjäger oder Geisterbeschwörer. Für seine wilden Konstruktionen musste sich der Fälscher letztlich 1996 vor dem Koblenzer Landgericht verantworten. Ein Prozess mit internationalem Presserummel - sogar die BBC berichtete damals aus Koblenz. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.
Schlitzohr oder Bauernopfer?
Michael Born hatte Kontakte zu Gott und der Welt, war befreundet mit Jassir Arafat, trank mit Gaddafi und rauchte mit Fidel Castro - so sagt er. Ob das stimmt - man weiß es nicht genau. Denn Born ist ganz gewiss ein Schlitzohr - ein verurteilter Betrüger. Er selbst sieht sich als ein Bauernopfer quotengeiler TV-Redaktionen. Born, der bekennende Kommunist, wurde u. a. wegen Volksverhetzung verurteilt. Für ihn ein wunder Punkt. Denn Michael Born behauptet bis heute, Fernsehredaktionen hätten ihn sogar zu Fälschungen angestiftet.
Bewegte Lebensgeschichte
Ein Jahr lang gewährte der Filmfälscher einem SWR Team an verschiedenen Orten Einblicke in seine Lebensgeschichte. Born erzählt mitreißende, nachdenkliche und lustige Geschichten: über seine Heimat Lahnstein, die Zeit im Knast und seinen erfolgreichen Hungerstreik, über seine Fälschungen in Griechenland und die "Ku-Klux-Klan Höhle" in der Eifel. In emotionalen Gesprächen über das erlebte Grauen des Krieges im Nahen Osten legt er ein Geständnis ab und erklärt, wie und weshalb es letztlich zu seinen Fälschungen kam. Aber sagt der Mann denn die Wahrheit? Kann man Michael Born überhaupt trauen?
Der Autor hinterfragt Borns Erzählungen und verwebt sie mit Archivmaterial und mit Ausschnitten aus den Original-Fälschungen. Wegbegleiter, Freunde und Kritiker kommen zu Wort. Medienwissenschaftler machen die Wirkung des Bornschen Medienskandals auf die Öffentlichkeit verständlich. Sogar eine von Borns Ex-Freundinnen - er hat vier Kinder mit vier Frauen - erzählt offen vom Menschen Michael Born.
„Guck dir die Programme an, was heute so läuft. Da weiß ich gar nicht mehr, warum ich eigentlich verurteilt wurde.“ - Michael Born 2011 im einem Interview mit Anja Reschke
Mit dem deutschen Journalisten Michael Born wurde ich erstmals Mitte der 1990er konfrontiert, als das RTL-Infotainment-Magazin „Stern TV“ berichtete, auf einen Fälscher hereingefallen zu sein: Es hatte mehrere mit Laiendarstellern gedrehte Reportagen vom freien Journalisten Michael Born eingekauft und ungeprüft gesendet. „Stern TV“ sah sich als Betrugsopfer, die Causa Born landete vor Gericht, Born wurde zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Immer wieder der „Stern“: Nachdem das Wochenprintmagazin, dessen TV-Ableger „Stern TV“ ist, in seiner Sensationsgeilheit bereits auf gefälschte Hitler-Tagebücher hereingefallen war, sendete es in den 1990ern Borns Filme über konspirative Treffen des deutschen Ku-Klux-Klans beim Abhalten von Zeremonien in einer Waldhöhle in der Eifel, stilecht in Kutten gewandet, über eine erfolgreiche Geisterbeschwörung mit nackter Haut und Geschrei und über einen krötenleckenden Drogenfreak, der den Tierchen ihr halluzinogenes Sekret abmelkt. Der Grund liegt auf der Hand: Eigentlich ist der „Stern“ ein stinklangweiliges, profilloses Spießerblättchen, dem es an eigenen Inhalten eklatant mangelt, und sein TV-Pendant ist keinen Deut besser. Ähnlich erging es artverwandten TV-Formaten wie „Spiegel TV – Das Magazin“ und „Zak“. Moment mal, „Spiegel“ – war da nicht was? Stichwort Relotius…?
Born war kein ausgebildeter Journalist, sondern Seefahrer, der in den 1980ern eine Karriere als Dokumentarfilmer in Krisen- und Kriegsgebieten begonnen hatte – und seinen Geldgebern später reichlich Seemannsgarn auftischte. Als ein Team des SWR um Autor, Regisseur und Sprecher Christoph Würzburger ihn für diese 2018 erstausgestrahlte, rund 45-minütigen Dokumentation ein Jahr lang begleitet, verdingt er sich als vollbärtiger Olivenbauer in Griechenland, ist er gewissermaßen ein Aussteiger aus Medienrummel und hektischem Alltag. Born nimmt bereitwillig Stellung zu den damaligen Ereignissen, klappert mit dem Drehteam diverse Stationen seines Lebens ab, trifft sich mit alten Weggefährten und gewährt intime Einblicke in seine Lebensgeschichte und seine Gefühlswelt. Statt von Fälschungen spricht er lieber von Kreationen.
Diese Kreationen, so Born, habe „Stern TV“ regelrecht von ihm verlangt. Auch seine ehemalige Freundin und Kameraassistentin Claudia Bern berichtet, die Sender hätten krassere, geschmacklosere Bilder gefordert, als die Realität hergegeben hatte oder Born hätte einfangen können. Im Prinzip hatte er Bildmaterial geliefert, das nicht existierte, aber unbedingt gewünscht gewesen war. Und als „Stern TV“ eine Reportage über Ku-Klux-Klan-Umtriebe in Deutschland nur dann als spektakulär genug empfand, wenn Rassisten ritualisierend in ihren albernen Kutten zu sehen seien, ließ sich Born diese von seiner Mutter schneidern und drehte die Szenen kurzerhand selbst. Dem Antifaschismus, dem sich Born verbunden fühlte, erwies er damit jedoch einen Bärendienst: Statt rechtsextremistischer Terrororganisationen standen eine karnevaleske Inszenierung und die Unglaubwürdigkeit derartiger Reportagen im Fokus – eine Unglaubwürdigkeit, auf die sich Rechtsextremisten seither immer wieder berufen können.
Andere, noch unglaubwürdigere Filme wie die vermeintliche Geisterbeschwörung bezeichnet als er Witze – und man kann ihm nur beipflichten und den Kopf darüber schütteln, dass sich die Abnehmer tatsächlich hinterher beschwerten, dass das Material nicht authentisch sei. Born sagt darüber hinaus, er sei damals mit dem größten Pfusch durchgekommen. Das sagt viel über die entsprechenden TV-Formate aus, jene fahrlässig sensationslüsternen Marktschreier, die weniger der Wahrheit als der Einschaltquote verpflichtet sind, die Verantwortung aber abwälzen, wenn die Luft einmal dünn für sie wird. Jedoch: Born war nicht von vornherein ein Märchenonkel, im Gegenteil. Sein Material aus dem Nahen Osten war echt, er begab sich allem Anschein nach mehr als nur einmal in die Höhle der Löwen und war nah dran an den sinnlosen Kriegen, an den toten Kindern nach Saddam Husseins Giftgasattacken gegen das kurdische Volk – und an den toten Kindern nach dem ersten US-Krieg gegen den Irak durch Kriegsverbrecher und Saddams Bruder im Geiste, George Bush. Es gab Zeiten, in denen Born so etwas wie ein Exklusivreporter für derartige Reportagen vor Ort war. Er hatte sich mit Abudi, einem Araber angefreundet, der ihn begleitete und in Haft geriet, gefoltert wurde. Im Rahmen dieser Doku trafen sich Born und Abudi nach längerer Zeit erstmals wieder. Sie waren Freunde, die nicht nur schöne Erinnerungen teilten. Born hatte einiges auf dem Kasten und ließ sich seine Arbeit gut bezahlen. Ein mindestens ebenso großer Motivator schien seine Abenteuerlust gewesen zu sein. Aber Born wird im Laufe des Films von sich sagen, er habe durch die Kriegseindrücke einen Dachschaden erlitten und sei Alkoholiker geworden. Und tatsächlich hinterlässt er keinen sonderlich gesunden Eindruck. Er wirkt angeschlagen und oft verzweifelt und traurig, versteht es aber nach wie vor, sich gewählt und präzise auszudrücken, und immer wieder blitzen so etwas wie einnehmender, schlitzohriger und spitzbübischer Charme, aufgrund dessen es sich erahnen lässt, wie in er jungen Jahren andere für seine Projekte gewinnen und um den Finger wickeln konnte, und die Begeisterung für seine ehemalige Arbeit in ihm auf.
In Somalia schließlich begann er, es mit der Wahrheit nicht mehr so genau zu nehmen. Er hatte die Anforderungen des Marktes mittlerweile verinnerlicht. Die Fliegen aus den Gesichtern afrikanischer Mädchen sollten nicht mehr weggescheucht werden, wenn die Kamera draufhielt – das ist noch verständlich. Anderes, was die echten Bilder gerade nicht hergaben, wurde aber kurzerhand nachgestellt, dramatisierend, aber nicht sinnentstellend. Er ist sicherlich nie soweit gegangen, den Dorfbewohner(inne)n die Hütten anzuzünden, um an spektakuläres Bildmaterial zu gelangen, wie es Alan Yates & Co. in „Cannibal Holocaust“ taten. Davor bewahrten ihn allein schon seine humanistisch geprägten politischen Überzeugungen. Aber der Grundstein war gelegt und verselbständigte sich.
Zu seiner Politisierung trugen auch die Erfahrungen bei, die er in den kurdischen Gebieten machte, die dem Terror der Türkei ausgesetzt waren und sind. Er erfüllte seine journalistische und menschliche Pflicht, als er vor den geplanten Bombenanschlägen der PKK auf türkische Tourismusziele warnte, die die Türkei als Urlaubsland unattraktiv machen sollten, damit dem Staat weniger Einnahmen zur Verfügung stehen, mit dem er den Terror gegen die Kurdinnen und Kurden finanzieren könnte – ein Terror, für den beschämenderweise auch deutsche Panzer durch kurdisches Gebiet rollten. Die in Borns Reportage zu sehenden Bombenbauer jedoch waren Schauspieler in einer Art „Schrödingers Film“: inszeniert und trotzdem wahr.
Christoph Würzburger hat viele Ausschnitte aus Borns Filmen in seine Dokumentation integriert und von einigen ehemaligen Weggefährtinnen und -gefährten Borns Stimmen einholen können; neben Abudi sind das Claudia Bern, Mutter eines seines vier Kinder, für das er nie wirklich Verantwortung übernommen habe, und Bernd Empen, ein damaliger Sicherheitsberater. Dr. Katja Schupp bewertet Borns Arbeit aus medienwissenschaftlicher Sicht, Dr. Kay Hoffmann, Leiter des „Hauses des Dokumentarfilms“, bezeichnet Born vor dem Hintergrund des Prozesses als Bauernopfer. Born selbst zieht eine negative Bilanz, ordnet aber auch vieles nachvollziehbar differenziert ein. Diese Differenziertheit ist es auch, die diese Dokumentation so sehenswert macht: Born wird weder verteufelt noch als Opfer dargestellt, sondern bekommt Raum, Stellung zu beziehen und wird kritisch hinterfragt. Weit weniger kritisch hinterfragt wird indes die Rolle der Medien und letztlich auch ihrer Konsumentinnen und Konsumenten, es bleibt bei Andeutungen in Bezug auf Sensationsjournalismus und verletzter Sorgfaltspflicht. Das Mediensystem mit seiner Werbefinanzierung und Quotenfixierung jedoch wird nicht infrage gestellt. Diesbezüglich wäre mehr gegangen, wenngleich es sicherlich den Rahmen der lediglich 45 Minuten gesprengt hätte.
Unerwähnt bleibt leider, welche Schwierigkeiten das zuständige Gericht hatte, Born tatsächlich wegen seiner „Kreationen“ zu verurteilen. Stattdessen summierte es diverse andere Verstöße vom Fahren ohne Fahrerlaubnis über unerlaubten Waffenbesitz bis hin zu Volksverhetzung auf, um auf die vier Jahre zu kommen. Und mit dem letztgenannten Punkt haderte Born bis zum Schluss, schließlich lag ihm eigentlich nichts ferner als Volksverhetzung. Das Gericht berief sich aber auf die Aussprüche, die er seinen Komparsen im Ku-Klux-Klan-Film in den Mund gelegt hatte – eine verquere Auslegung des Volksverhetzungsparagraphen. Generell darf bezweifelt werden, dass das Urteil in Namen des Volkes erging, das sich von Borns Filmen entweder gut hatte unterhalten lassen oder aber lieber die Redaktionen von „Stern TV“ und Konsorten auf der Anklagebank gesehen hätte.
Unterm Strich trug Born – um bei seinem KKK-Film zu bleiben – seinen kleinen Teil zur Klischeesierung des Rechtsextremismus bei, einem Phänomen, dem sich deutsche Medien in den 1990ern nur allzu gern mit erfundenen Geschichten oder medienwirksam vereinfachten Bildern widmeten: Da wurde manch halbstarke Blitzbirne angestachelt, doch mal extra provokant für die Kamera zu posieren, mit der Folge, dass all diejenigen, die auch mal so richtig anecken wollten, genau wussten, wie sie sich in der Öffentlichkeit zu produzieren hatten, damit ihnen gesellschaftliche Aufmerksamkeit zuteilwurde. „Skinhead“ machte man zum Synonym für „Neonazi“ und durfte sich nicht wundern, wenn immer Hohlbratzen sich die Springerstiefel bis in die Kniekehlen schnürten, sich für echte Skins hielten und Migranten verprügelten. Bald wusste jeder vermeintlich ganz genau, wie Nazis aussehen und woran man sie erkennt. Auf diese konnte man mit dem Finger zeigen, was wesentlich bequemer war, als auf gesellschaftliche und politische Ursachenforschung zu gehen und sich auch einmal selbst kritisch zu reflektieren. Irgendeine Nazi-Kackband aus Düsseldorf wurde medial durch ständige Namensnennung und Einblendung ihrer Plattencover dermaßen hochgejazzt, dass sie plötzlich zigtausende Tonträger verkaufte. Und so weiter und so fort…
Nein, jemand wie der in einigen Intermezzi dieses Films singende und gitarrespielende Michael Born war sicher nicht der Hauptverantwortliche für eine derart flache, einseitige, boulevardeske und spekulative Form der Berichterstattung, wie sie insbesondere in den 1990ern überhandgenommen hatte. Die vorhandenen Strukturen , der Markt für so etwas waren aber gewissermaßen prädestiniert für einen ungelernten Quereinsteiger und passionierten Geschichtenerzähler wie ihn, der als Journalist ein anderes Selbstverständnis und einen anderen Anspruch hatte als sich an Kodizes gebunden fühlende, klassisch ausgebildete Berufskolleginnen und -kollegen, nach denen die Nachfrage jedoch immer weiter sank.
Durch diese Dokumentationen wurden Erinnerungen an jene Zeit wach, in der der Verfasser dieses Texts sein kritisches Medienbewusstsein entwickelte. Christoph Würzburger gebührt Dank für diese unaufgeregte Annäherung an einen Mann, dessen Porträt weit mehr zeigt als einen plumpen Fälscher und Lügner, wenngleich die Postproduktion Fragen aufwirft: Welche Relevanz besitzen beispielsweise Bilder eines versuchten Anrufs Borns bei einem Freund, der gerade nicht ans Telefon geht? Ungefähr ein Dreivierteljahr nach Ausstrahlung dieses Films verstarb Michael Born an den Folgen einer Lungenentzündung in Graz, wo er zusammen mit dem Filmemacher Roland Berger an einem Theaterprojekt arbeitete. Er starb als eine tragische Figur im Wahnsinn des deutschen Medienzirkus. Möge er seinen Frieden gefunden haben.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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