Originaltitel: Tomato Kecchappu Kôtei
Produktionsland: Japan 1971
Regie: Shuji Terayama
Darsteller: Goro Abashiri, Tarô Apollo, Shiro Demaemochi, Mitsufumi Hashimoto, Maya Kaba, Salvador Tari
Ein Blick in die IMDB-Kritiken zu TOMATO KECCHAPPU KÔTEI des japanischen Regisseurs Shuji Terayama aus dem Jahre 1971: User vocklabruck bescheinigt dem Film im September 2007, es würde sich um ein „sick movie for sick people“ handeln; b1lskirnir kürt ihn im Juli 2005 gar zu einem der schlechtesten Filme, die er jemals gesehen habe, und wünscht sich nicht nur, dass der verantwortliche Regisseur zur Strafe „physically abused“ gehöre, sondern droht ebenso, dass er dem Mitarbeiter im Pittsburger Video-Shop, der ihm das Werk empfohlen habe, gerne in den Hals schießen würde. Aufhorchen lässt truthfulchatting, der im Juni 2013 TOMATO KECCHAPPU KÔTEI bescheinigt, das Etikett „child porn“ verdient zu haben, und sich zuletzt zu blankem Rassismus hinreißen lässt, wenn er schreibt: „These Asian countries should be ashamed of themselves. It makes me think these parents will do anything for money even have their kids have sex with adults for money.” Zur Verteidigung von Terayamas Frühwerk in die Bresche springen demgegenüber User mit Namen wie kenshima, der im Mai 2006 feststellt: „Strange, political, experimental, Yes, child porn, NO“, oder Boyan_Drenec, der im November 2005 begeistert von Terayamas „elliptic, poetic, surrealist ways“ schreibt. Ich persönlich habe TOMATO KECCHAPPU KÔTEI erstmals mit sechzehn oder siebzehn gesehen. Meine Erinnerungen sind dunkel. Die Szene aber, die einige der Kritiker zum Vorwurf der Kinderpornographie veranlasst, ist mir genauso im Gedächtnis geblieben wie die Tatsache, dass ich den Streifen selbst in seiner Kurz-Fassung als sehr anstrengend empfunden habe.
TOMATO KECCHAPPU KÔTEI hat ursprünglich eine Länge von knapp neunzig Minuten betragen, wurde von Terayama dann aber auf siebzig Minuten herabgekürzt. Als der Film indes das Licht der Öffentlichkeit erblickt, - und zwar auf renommierten Festivals wie den Hofer Filmtagen, dem Internationalen Filmfestival von Mannheim-Heidelberg, dem Festival von Cannes –, beträgt seine Länge lediglich noch fünfundzwanzig Minuten. Diese in Westdeutschland produzierte (und im Gegensatz zum sepiafarbenen Original in Schwarzweiß gehaltene) Version mit deutschsprachigen Zwischentiteln ist dann auch diejenige, die bis in die 90er hinein zirkuliert, - eine Art „Best-Of“ des ursprünglichen „Director’s Cut“, der erst 1996, also dreizehn Jahre nach Terayamas Tod, rekonstruiert werden wird. Da ich persönlich die längere Fassung der kompakteren in jedweden Belangen als überlegen empfinde, werde ich mich im Folgenden ausnahmslos auf diese beziehen.
Wer oder was ist denn nun eigentlich ein Tomatenketchup-Kaiser? Nun, es handelt sich um einen Kindkaiser, einen kleinen Jungen, dem nach einer globalen Revolte der Kinder gegen die Erwachsenenwelt als Weltherrscher installiert worden ist, und der seines Amtes erst enthoben werden soll, wenn er die Pubertät erreicht. TOMATO KECCHAPPU KÔTEI, (der übrigens auf einem Hörspiel basiert, das Terayama bereits Anfang der 60er produziert hat), ist ein dezidierter Avantgarde-Streifen auf 16mm, der zum einen Terayamas Herkunft aus dem experimentellen Theater belegt, (wenn bspw. die meisten Szenen wirken, als würden extreme Live-Performances einfach per statischer oder handgeführter Kamera abgefilmt werden), aber auch durchweg einen dokumentarischen Gestus an den Tag legt, so, als würden wir einer aus dem Ruder laufenden Reportage über den Ist-Zustand der Welt nach geglückter Kinderrevolution beiwohnen.
Während wir zu Beginn beispielweise in einer Planszene sehen, wie dem Kaiser, (dessen Titel daher rührt, dass er, wie alle Kinder, Tomatenketchup heiß und innig liebt), auf seinem Thron gehuldigt wird, informiert uns eine Stimme aus dem Off über die geltenden Gesetze im Reich der Minderjährigen: Der Gottkaiser ist heilig und unantastbar, die Erwachsenen wiederum bilden die Unterschicht des zukünftigen Staates, und werden bei nonkonformen Benehmen entweder in Arbeitslager gesteckt oder öffentlich hingerichtet, wobei die einem Sade würdige Regierungserklärung exakt festlegt, welches Vergehen – zum Beispiel das Herstellen von Spielzeug oder eine zu große Fürsorge dem eigenen Kind gegenüber – mit welcher drakonischen Strafe geahndet werden soll. Bald indes wird klar, dass all diese Vorschriften die Grenze zum Absurden längst hinter sich gelassen haben. Mein Lieblingsartikel: Sämtliche Bärte von Erwachsenen sollen abgeschnitten werden, auch wenn es sich um die von erwachsenen Katzen handelt. Und: Jede Katze ist verpflichtet, Schuhe zu tragen; wird eine Katze ohne Schuhe angetroffen, droht ihr der Tod!
Das Erwachsenenzeitalter ist eine Epoche, untergegangen wie die Antike oder das Mittelalter, heißt es an anderer Stelle, während Terayama sein Publikum mit oftmals sehr langen, sehr minimalistisch gehaltenen, sehr theatralischen Szenen konfrontiert, deren subversiver Impetus irgendwo zwischen Jodorowsky, Makavejev, Arrabel oder dem frühen Werner Herzog hin und her schlingert: Ein Mann ist ans Kreuz geschlagen und phantasiert im Todesdelirium vom Jazzgitarristen Charlie Byrd; ein weiterer Erwachsener befindet sich auf der Flucht vor der Kinder-Gestapo und versteckt sich in einem Schrank, um mit heiler Haut davonzukommen; zwei Kinder spielen Tischtennis, wobei als Trennscheibe der beiden Tischhälften eine Frauenleiche fungiert; Kinder zerren Erwachsenenleichen durch eine urbane Landschaft, wobei die Stimme aus dem Off erklärt, dass sich jedes Kind steuerfrei an Haaren, Häuten, Zähnen der Getöteten bedienen dürfe, um diese als Dekorationselemente für die eigene Inneneinrichtung zweckzuentfremden; von der Tonspur spielt Terayamas Stammkomponist J.A. Seazer abwechselnd traditionelle japanische (Sakral?-)Musik oder einen repetitiv-hypnotischen Elektro-Score.
Unverkennbar ist, dass Terayamas schmucklose Bilder sich an diejenigen anlehnen, die die Zeitgenossen aus Kriegsreportagen kennen: Hiroshima und Nagasaki; Auschwitz und Buchenwald; Korea und Vietnam. Besondere Gänsehaut bereitet mir eine Mädchenstimme, die immer mal wieder aus dem Off Briefe an ihre Mutter vorliest, wozu wir kurze Einblicke in die Arbeits- und Todeslager bekommen, in denen die Erwachsenen von ihren Kindern malträtiert werden. Das Mädchen habe einen Job im KZ bekommen, und sei tagaus tagein damit beschäftigt, Leichen zu verbrennen. Das mache zwar Spaß, aber sie vermisse ihr Kätzchen Meow-Meow, um das die Mama sich doch bitte kümmern und ja darauf achten solle, dass es nicht ohne Schuhe rausgehe. In einem späteren Brief berichtet sie, dass der Papa aus dem Lager entkommen sei, und noch später, dass es ihr leidtue, aber sie habe die Mutter für Geld verraten, und sie solle sich darauf vorbereiten, dass man sie morgen abholen komme. So schnell ist mir das Lachen schon lange nicht mehr im Hals steckengeblieben. Wenn man nur lange genug in die Absurdität starrt, starrt die Absurdität irgendwann in einen selbst zurück.
Freilich gibt es auch die eine oder andere Szene, die ethisch-moralisch mindestens fragwürdig ist. Erwähnenswert scheinen mir vor allem zwei: Die Schlachtung eines Huhnes durch einen kleinwüchsigen Mann, der danach in einer Mischung aus Coolness und Bedrohlichkeit auf Terayamas Handkamera zuschreitet, die wiederum beinahe ängstlich vor ihm zurückweicht, während das kopflose Huhn sich im Sand wälzt; die berühmt-berüchtigte Szene, in der der Tomaten-Kaiser sich mit seinem Harem aus drei Geishas vergnügt, und in der tatsächlich ein vielleicht achtjähriger splitterfasernackter Knabe mit ebenso textillosen erwachsenen Frauen den Geschlechtsakt simuliert, bzw., um auf den in diesem Kontext wohl unvermeidlichen MALADOLESCZENA anzuspielen, mit ihnen Liebe spielt. Bezeichnenderweise sind beide Szenen für die Kernbotschaft des Films relativ unerheblich. Zumal vor allem die Harems-Sequenz in einer Länge präsentiert wird, die in keinem Verhältnis zu ihrem Inhalt steht. Kinderpornographie ist das, meiner Meinung nach, sicher nicht, doch immerhin ein Flirt mit Tabubrüchen, die man genauso legitim verurteilen kann wie die Tötung eines Huhns offenbar rein zu Schock-Zwecken. Das Problem, das Terayama mit Timing hat, zeigt sich übrigens ebenfalls in der weit über zehn Minuten langen Szene kurz vor Schluss, in der zwei Teenager – der eine im Arztkostüm, der andere eine Nazi-Uniform tragend – sich in einer leeren Fabrikhalle ein Papier-Schere-Stein-Spiel auf Leben und Tod liefern, während eine Gruppe Kinder ihnen durchs Fenster dabei zuschaut – (eine Szene, die Terayama 1971 als eigenständigen Kurzfilm namens JANKEN SENSÔ veröffentlicht hat, da sie in der Kurzfassung vom „Tomatenketchup-Kaiser“ nicht enthalten ist.) Da ich die Pointe nach zwei, drei Minuten schon verstanden zu haben glaube, ermüdet es letztlich nur, noch fast zehn weitere dabei zuschauen müssen, wie sich die Kontrahenten an die Gurgel springen, sich im Müll wälzen, sich mit Backsteinen beschmeißen und niederknüppeln – und irgendwie ahne ich, dass Terayama auf meine Kritik antworten würde: Aber das ist doch genau das, was ich bezweckt habe! Dieser Film soll keinen Spaß machen!
Nein, Spaß macht TOMATO KECCHAPPU KÔTEI nun wirklich nicht, doch ein Meisterwerk des transgressiven Kinos wird er aus den genannten Gründen wohl ebenfalls nicht für mich werden, denn zu heterogen ist mir letztlich die Mischung aus wirklich verstörenden, alptraumhaften, jedoch mit einem intelligenten schwarzen Humor gewürzten Szenen und welchen, die mir zu sehr nach purer Exploitation riechen oder die allein dadurch unerträglich werden, dass sie inhaltlich und filmisch um sich selbst kreisen, und ihre Pointe allein durch ihre Langatmigkeit verspielen. Terayama immerhin hat bis zu seinem frühen Tod 1983 neben etlichen Kurzfilmen noch fünf weitere Langfilme gedreht, von denen ich mindestens zwei – nämlich DEN-EN NI SHISU (1974) und SARABA HAKOBUNE (1984) – in meinen persönlichen Kanon des Filmkunst-Adels aufzunehmen bereit bin, (und in denen sinnigerweise auch so gut wie nichts mehr an die grobschlächtigen Provokationen vorliegenden Frühwerks erinnert.)
TOMATO KECCHAPPU KÔTEI hat ursprünglich eine Länge von knapp neunzig Minuten betragen, wurde von Terayama dann aber auf siebzig Minuten herabgekürzt. Als der Film indes das Licht der Öffentlichkeit erblickt, - und zwar auf renommierten Festivals wie den Hofer Filmtagen, dem Internationalen Filmfestival von Mannheim-Heidelberg, dem Festival von Cannes –, beträgt seine Länge lediglich noch fünfundzwanzig Minuten. Diese in Westdeutschland produzierte (und im Gegensatz zum sepiafarbenen Original in Schwarzweiß gehaltene) Version mit deutschsprachigen Zwischentiteln ist dann auch diejenige, die bis in die 90er hinein zirkuliert, - eine Art „Best-Of“ des ursprünglichen „Director’s Cut“, der erst 1996, also dreizehn Jahre nach Terayamas Tod, rekonstruiert werden wird. Da ich persönlich die längere Fassung der kompakteren in jedweden Belangen als überlegen empfinde, werde ich mich im Folgenden ausnahmslos auf diese beziehen.
Wer oder was ist denn nun eigentlich ein Tomatenketchup-Kaiser? Nun, es handelt sich um einen Kindkaiser, einen kleinen Jungen, dem nach einer globalen Revolte der Kinder gegen die Erwachsenenwelt als Weltherrscher installiert worden ist, und der seines Amtes erst enthoben werden soll, wenn er die Pubertät erreicht. TOMATO KECCHAPPU KÔTEI, (der übrigens auf einem Hörspiel basiert, das Terayama bereits Anfang der 60er produziert hat), ist ein dezidierter Avantgarde-Streifen auf 16mm, der zum einen Terayamas Herkunft aus dem experimentellen Theater belegt, (wenn bspw. die meisten Szenen wirken, als würden extreme Live-Performances einfach per statischer oder handgeführter Kamera abgefilmt werden), aber auch durchweg einen dokumentarischen Gestus an den Tag legt, so, als würden wir einer aus dem Ruder laufenden Reportage über den Ist-Zustand der Welt nach geglückter Kinderrevolution beiwohnen.
Während wir zu Beginn beispielweise in einer Planszene sehen, wie dem Kaiser, (dessen Titel daher rührt, dass er, wie alle Kinder, Tomatenketchup heiß und innig liebt), auf seinem Thron gehuldigt wird, informiert uns eine Stimme aus dem Off über die geltenden Gesetze im Reich der Minderjährigen: Der Gottkaiser ist heilig und unantastbar, die Erwachsenen wiederum bilden die Unterschicht des zukünftigen Staates, und werden bei nonkonformen Benehmen entweder in Arbeitslager gesteckt oder öffentlich hingerichtet, wobei die einem Sade würdige Regierungserklärung exakt festlegt, welches Vergehen – zum Beispiel das Herstellen von Spielzeug oder eine zu große Fürsorge dem eigenen Kind gegenüber – mit welcher drakonischen Strafe geahndet werden soll. Bald indes wird klar, dass all diese Vorschriften die Grenze zum Absurden längst hinter sich gelassen haben. Mein Lieblingsartikel: Sämtliche Bärte von Erwachsenen sollen abgeschnitten werden, auch wenn es sich um die von erwachsenen Katzen handelt. Und: Jede Katze ist verpflichtet, Schuhe zu tragen; wird eine Katze ohne Schuhe angetroffen, droht ihr der Tod!
Das Erwachsenenzeitalter ist eine Epoche, untergegangen wie die Antike oder das Mittelalter, heißt es an anderer Stelle, während Terayama sein Publikum mit oftmals sehr langen, sehr minimalistisch gehaltenen, sehr theatralischen Szenen konfrontiert, deren subversiver Impetus irgendwo zwischen Jodorowsky, Makavejev, Arrabel oder dem frühen Werner Herzog hin und her schlingert: Ein Mann ist ans Kreuz geschlagen und phantasiert im Todesdelirium vom Jazzgitarristen Charlie Byrd; ein weiterer Erwachsener befindet sich auf der Flucht vor der Kinder-Gestapo und versteckt sich in einem Schrank, um mit heiler Haut davonzukommen; zwei Kinder spielen Tischtennis, wobei als Trennscheibe der beiden Tischhälften eine Frauenleiche fungiert; Kinder zerren Erwachsenenleichen durch eine urbane Landschaft, wobei die Stimme aus dem Off erklärt, dass sich jedes Kind steuerfrei an Haaren, Häuten, Zähnen der Getöteten bedienen dürfe, um diese als Dekorationselemente für die eigene Inneneinrichtung zweckzuentfremden; von der Tonspur spielt Terayamas Stammkomponist J.A. Seazer abwechselnd traditionelle japanische (Sakral?-)Musik oder einen repetitiv-hypnotischen Elektro-Score.
Unverkennbar ist, dass Terayamas schmucklose Bilder sich an diejenigen anlehnen, die die Zeitgenossen aus Kriegsreportagen kennen: Hiroshima und Nagasaki; Auschwitz und Buchenwald; Korea und Vietnam. Besondere Gänsehaut bereitet mir eine Mädchenstimme, die immer mal wieder aus dem Off Briefe an ihre Mutter vorliest, wozu wir kurze Einblicke in die Arbeits- und Todeslager bekommen, in denen die Erwachsenen von ihren Kindern malträtiert werden. Das Mädchen habe einen Job im KZ bekommen, und sei tagaus tagein damit beschäftigt, Leichen zu verbrennen. Das mache zwar Spaß, aber sie vermisse ihr Kätzchen Meow-Meow, um das die Mama sich doch bitte kümmern und ja darauf achten solle, dass es nicht ohne Schuhe rausgehe. In einem späteren Brief berichtet sie, dass der Papa aus dem Lager entkommen sei, und noch später, dass es ihr leidtue, aber sie habe die Mutter für Geld verraten, und sie solle sich darauf vorbereiten, dass man sie morgen abholen komme. So schnell ist mir das Lachen schon lange nicht mehr im Hals steckengeblieben. Wenn man nur lange genug in die Absurdität starrt, starrt die Absurdität irgendwann in einen selbst zurück.
Freilich gibt es auch die eine oder andere Szene, die ethisch-moralisch mindestens fragwürdig ist. Erwähnenswert scheinen mir vor allem zwei: Die Schlachtung eines Huhnes durch einen kleinwüchsigen Mann, der danach in einer Mischung aus Coolness und Bedrohlichkeit auf Terayamas Handkamera zuschreitet, die wiederum beinahe ängstlich vor ihm zurückweicht, während das kopflose Huhn sich im Sand wälzt; die berühmt-berüchtigte Szene, in der der Tomaten-Kaiser sich mit seinem Harem aus drei Geishas vergnügt, und in der tatsächlich ein vielleicht achtjähriger splitterfasernackter Knabe mit ebenso textillosen erwachsenen Frauen den Geschlechtsakt simuliert, bzw., um auf den in diesem Kontext wohl unvermeidlichen MALADOLESCZENA anzuspielen, mit ihnen Liebe spielt. Bezeichnenderweise sind beide Szenen für die Kernbotschaft des Films relativ unerheblich. Zumal vor allem die Harems-Sequenz in einer Länge präsentiert wird, die in keinem Verhältnis zu ihrem Inhalt steht. Kinderpornographie ist das, meiner Meinung nach, sicher nicht, doch immerhin ein Flirt mit Tabubrüchen, die man genauso legitim verurteilen kann wie die Tötung eines Huhns offenbar rein zu Schock-Zwecken. Das Problem, das Terayama mit Timing hat, zeigt sich übrigens ebenfalls in der weit über zehn Minuten langen Szene kurz vor Schluss, in der zwei Teenager – der eine im Arztkostüm, der andere eine Nazi-Uniform tragend – sich in einer leeren Fabrikhalle ein Papier-Schere-Stein-Spiel auf Leben und Tod liefern, während eine Gruppe Kinder ihnen durchs Fenster dabei zuschaut – (eine Szene, die Terayama 1971 als eigenständigen Kurzfilm namens JANKEN SENSÔ veröffentlicht hat, da sie in der Kurzfassung vom „Tomatenketchup-Kaiser“ nicht enthalten ist.) Da ich die Pointe nach zwei, drei Minuten schon verstanden zu haben glaube, ermüdet es letztlich nur, noch fast zehn weitere dabei zuschauen müssen, wie sich die Kontrahenten an die Gurgel springen, sich im Müll wälzen, sich mit Backsteinen beschmeißen und niederknüppeln – und irgendwie ahne ich, dass Terayama auf meine Kritik antworten würde: Aber das ist doch genau das, was ich bezweckt habe! Dieser Film soll keinen Spaß machen!
Nein, Spaß macht TOMATO KECCHAPPU KÔTEI nun wirklich nicht, doch ein Meisterwerk des transgressiven Kinos wird er aus den genannten Gründen wohl ebenfalls nicht für mich werden, denn zu heterogen ist mir letztlich die Mischung aus wirklich verstörenden, alptraumhaften, jedoch mit einem intelligenten schwarzen Humor gewürzten Szenen und welchen, die mir zu sehr nach purer Exploitation riechen oder die allein dadurch unerträglich werden, dass sie inhaltlich und filmisch um sich selbst kreisen, und ihre Pointe allein durch ihre Langatmigkeit verspielen. Terayama immerhin hat bis zu seinem frühen Tod 1983 neben etlichen Kurzfilmen noch fünf weitere Langfilme gedreht, von denen ich mindestens zwei – nämlich DEN-EN NI SHISU (1974) und SARABA HAKOBUNE (1984) – in meinen persönlichen Kanon des Filmkunst-Adels aufzunehmen bereit bin, (und in denen sinnigerweise auch so gut wie nichts mehr an die grobschlächtigen Provokationen vorliegenden Frühwerks erinnert.)