Handlung:
Sergeant Howie (Edward Woodward), ein britischer Polizist, bekommt einen anonymen Brief, der ihn auf das Verschwinden eines Mädchens auf einer schottischen Insel aufmerksam macht. Der fleißige Mann fliegt sofort zum besagten Inselchen um mit seinen Untersuchungen zu beginnen. Doch er hat keine Ahnung, welche Schrecken die komischen Käuze, welche die Insel bewohnen, für ihn bereit halten…
Kritik:
„The Wicker Man“ wartet mit einer ganz eigenen Art von Horror auf, die ich bis jetzo in dieser Form in keinem zweiten Film angetroffen haben. Der Schrecken kommt nicht von Jump Scares, nicht von Grusel, nicht von Ekel und nicht von Tötungsakten sondern von einer düsteren Grundstimmung, die mysteriöse Vorkommnisse zeigt, welche aber als weniger seltsam als sie dem Publikum erscheinen gehandhabt werden.
Sergeant Howie stolpert bei seinen Ermittlungen über einige Gebräche der Insulaner, welche ihm wie auch uns abartig vorkommen. Genannt seien hier beispielsweise eine Süßwarenverkäuferin, die ihrer Tochter einen Frosch in den Mund legen lässt, bevor sie sie mit einem Bonbon belohnt oder nackte Frauen die im Garten des lokalen Adeligen tanzen. Komisches Zeugs haben wir zwar auch in anderen Horrorfilmen (das ganze Mystery-Subgenre baut darauf auf), das Besondere hier ist jedoch, dass die Bürger diese Vorkommnisse als alltägliche Begebenheiten handhaben.
Bei ihren widerwärtigen religiösen Ritualen und Bräuchen verhalten sie sich wie normale Menschen. Sie werden uns nicht als „böse“ präsentiert, sondern als alltägliche Leute, die alltäglichen Tätigkeiten nachgehen. Und das macht den Film so verstörend. Die festliche Freude mit der sie am Ende des Filmes den Gipfel der Grausamkeiten beschreiten, nimmt das Publikum mehr mit als jede Gore-Szene die man mit Tricktechnik auf die Leinwand bannen könnte.
Dies trägt sich auf der erwähnten schottischen Insel zu und wird untermalt von den an schottische Volksmusik gemahnenden Klängen des Paul Giovanni. Dies gibt ihm zusätzlich noch das Gefühl einer Welt, die uns zwar nicht geläufig ist, von dessen Existenz und Präsenz wir jedoch wissen, nämlich die der abgelegenen ländlichen Gegenden. Wir können nicht sagen, dass es auf diversen schottischen Inseln nicht zu ähnlichen Kulthandlungen gibt, da wir nicht auf ihnen leben, dennoch ist es keine unwirtliche Welt, sondern eine, die wir in unserer Nähe wissen.
Als Gegenpol haben wir den Hauptcharakter. Einen konservativen Bürger vom Festland, dessen Verhalten nachvollziehbarer ist, was ihn als einzige mögliche Identifikationsfigur entpuppt, auf die sich das Publikum daher mit all seiner Sympathie stürzt. Und dies obwohl es sich bei ihm nicht um den typischen jungen attraktiven Helden (danke, dass ihr für das Remake Nicolas Cage gecastet habt, ihr geldgeilen kunstverachtenden taktlosen Mistkerle
) handelt, sondern um einen älteren, stockkonservativen, fanatisch christlichen, versteiften Ordnungsfanatiker – Eine erfrischende Abwechslung und das vollkommene Gegenteil der restlichen Personen. Das es ein stets korrekt gekleideter Mann mit eiserne Miene und steifen Auftreten ist, der gegen Ende in schäbigen weißen Gewand um sein Leben winselt, macht den Schluss auch noch ein bisschen erschreckender als er ohnehin schon ist.
Die Kamera leistet durch ihre teilweise amateurhaft erscheinende Führung Großartiges. In den richtigen Szenen gerät sie ins Wackeln, tanzt mal mit den feiernden Bürgern mit, erzittert mal gemeinsam mit dem Helden, was uns sofort in die herrschende Stimmung hineinversetzt.
Nachdem jetzt alles gesagt ist, was gesagt werden…he, ich hab ja ganz auf Christopher Lee vergessen! Der gute Mann bezeichnet diese Rolle als Lord Summerisle, praktisch der Herr der Insel, als eine seiner Lieblingsrollen – und das sieht man ihm auch an. Er hat sichtlich Spaß als weltlicher und besonders als geistiger Führer der Kultgemeinschaft. Voller Freude tänzelt er als Frau verkleidet bei einem Festmarsch frohlockend vor sich hin, was, neben der Tatsache, dass es unsagbar cool ist Christopher Lee in Frauenkleidern herumspringen zu sehen, auch eine gewisse Schockwirkung ausübt. Dies ist der Mann, der einem Bösewicht am nächsten kommt, denn er ist es der all die unmenschlichen Handlungen leitet, und genau er wirkt wie ein gutmütiger älterer Herr, der sichtlich Spaß an einem Feiertag hat.
Fazit: „The Wicker Man“ schreckt seine Zuseher, indem es von einem grausigen Kult berichtet, der jedoch zur Steigerung der Verstörung als alltäglich dargestellt wird, was der Film einmalig und unübertroffen darstellt. 10/10