Gesichter des Todes II - John Alan Schwartz (1981)
Verfasst: So 22. Nov 2020, 12:14
Originaltitel: Faces of Death II
Produktionsland: USA 1981
Regie: John Alan Schwartz
Darsteller: Ein quicklebendiger Michael Carr in Verbindung mit zahllosen realen Tier- und Menschenleichen
Allmählich nähert sich euer alter Salvatore seinem sage und schreibe zweitausendsten Post in diesen heiligen Hallen. An der Zeit, finde ich, meiner Fanbase endlich auch einmal etwas zurückzugeben. Denn ich weiß doch, worauf ihr seit langen Jahren wie die Hyänen lechzt! Salvatore, höre ich es immer dringlicher flüstern, besprich doch endlich einmal die Saga der Fratzen des Verbleichens, der Visagen des Verendens, der Larven des Lebenlassens! Et voilà, so sei es...
„My name is Dr. Francis B. Gröss and again I invite you to join me as I travel through the world of the dead. Several months after I completed my first study I realized that some of my original theories were no longer valid. My optimism regarding life after death has greatly diminished. Still there is one hope that our body suffers little pain. That our mind will end on a thought unaffected by the fear of dying”, erklärt uns Schauspieler Michael Carr, der drei Jahre nach John Alan Schwartzs Kassenschlager FACES OF DEATH von 1978, erneut in die Rolle seines Lebens, den Pathologen Francis B. Gröss, schlüpft. Während Gröss nicht länger in seinem „Labor“ (sprich, der Privatwohnung, für die man dieses im Vorgängerfilm ausgegeben hat), sondern unter freiem Himmel vor einem Polizeiauto posiert, verrät er uns indes leider nicht, was genau denn die Theorien seien, die ihm nun nicht mehr valide erscheinen, (zumal ich von Theorien, die diesen Namen verdienen, in FACES OF DEATH sehr wenige, um nicht zu sagen: keine einzige in Erinnerung habe.) Auf einer Meta-Ebene kann ich mir aber vorstellen, dass er die Entscheidung meinen könnte, genuines Material von toten und sterbenden Menschen und Tieren mit (mehr oder weniger elaborierten) Fake-Szenen zu vermischen. Wir erinnern uns: Schätzungsweise vierzig bis fünfzig Prozent im originalen FACES OF DEATH sind Inszenierungen gewesen, die uns der Film aber als authentisch zu verkaufen versucht hat, darunter solche „Schulhofklassiker“ wie der Verzehr eines Affenhirns im Al-Haram-Restaurant (sic!) irgendwo im Nahen Osten; eine Alligatorenattacke angeblich vor laufender Fernsehkamera, (und mit unbeschreiblich hölzernen Laienschauspielern); sowie eine Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl, bei der dem Delinquenten alle möglichen Körperflüssigkeiten aus den Gesichtsöffnungen strömen.
Die größte Überraschung nämlich, nachdem man die etwa achtzig Minuten von FACES OF DEATH II hinter sich gebracht hat: Nahezu sämtlich seiner Aufnahmen rekrutieren sich aus den Kameras von Amateurfilmern, aus denjenigen von Polizeibeamten oder Nachrichtenteams. Gefakt ist, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach, so gut wie nichts; lediglich die Finalszene, in der wir sehen dürfen, wie die Revolution in Liberia das Leben einiger Dissidenten per Erschießung kostet, steht im Verdacht, Laienschauspiel zu sein. Ansonsten offeriert uns FACES OF DEATH II einen Bilderreigen, dessen Gros jedem, der schon mehr als einen Mondo, mehr als eine Shockumentary hat genießen dürfen, durchaus vertraut sein dürfte: Bei einem (endlos ausgewalzten) Boxkampf wird einer der Kontrahenten derart ausgeknockt, dass er den Ring mit den Füßen voraus verlässt; ein Autostunt, bei dem ein waghalsiger Fahrer per Rampe über einen breiten Fluss setzen möchte, endet damit, dass das Fahrzeug ins Wasser stürzt, und der Weltrekordaspirant nur tot geborgen werden kann; in den Alpen verlassen die Teilnehmer einer Bergsteigertour ihren Trip erfroren in den Fängen einer Lawine. Da Schwartz sein diesmaliges Potpourri, wie gesagt, primär aus found-footage-Material zusammenrührt, hält sich die kreative Eigenleistung des „Regisseurs“ (oder besser gesagt: des Kompilators) freilich in noch bescheideneren Grenzen als beim Erstling. Ebenso bleibt aber der Trash-Aspekt, der FACES OF DEATH, aus heutiger Sicht, doch recht oft in Camp- und Trash-Gefilde abdriften lässt, weitgehend unausgespielt: Höchstens die Male, wenn Francis B. Gröss sich vor der Kamera sehen lässt, (was selten genug vorkommt), atmet das Sequel noch ein bisschen etwas von der unfreiwilligen Komik des Originals: Unsterblich ist beispielweise die Szene, in der Gröss uns, bevor ein Segment mit spektakulären Motorsport-Unfällen folgt, seine eigene Höllenmaschine präsentiert, und mit ihr davonbraust, als sei er unterwegs zum örtlichen Hells-Angels-Treffen.
Was mein vorsichtiges „Lob“ im Kontext eines Filmes wie vorliegendem zu bedeuten hat, mag jeder selbst entscheiden, doch hat mich FACES OF DEATH II angesichts des zwar Kultstatus erlangten, aber nun wirklich nicht objektiv „sehenswerten“ Vorgängers durchaus positiv überrascht: Der Off-Sprecher berichtet vergleichsweise nüchtern, verliert sich selten in peinlichen Stilblüten oder gar herbem Zynismus; die Aufnahmen mögen zwar allesamt authentisch sein, überschreiten aber trotzdem (oder gerade deshalb?) niemals bestimmte Schicklichkeitsgrenzen, (wenn auch natürlich der Anblick einer langen Parade an Opfern von Bombenterror, darunter nicht zuletzt einige Kinder, genauso wenig Anklang beim cineastischen Mainstream finden wird wie die Nachlese von Unglücken wie dem Absturz eines iranischen Flugzeugs über schneebedecktem Gebirge oder der Sturz eines Zuges von einer indischen Brücke); stellenweise befleißigt sich der Film – nunmehr völlig im Kontrast zum Vorgänger – gar eines mahnenden Tonfalls, der solche Themen wie Überbevölkerung, Umweltverschmutzung, Defizite im Tierschutz ins Bewusstsein zu rütteln versucht: Ob es sich bei Schwartz nun wirklich um einen Greenpeace-Aktivsten handelt, möchte ich einmal bezweifeln, doch bei solcherlei kritischen Worte im Zusammenklang mit Bildern, die die Ausbeutung der Natur durch den Menschen zeigen – Laborversuche an arglosen Äffchen; zugemüllte Strände und Möwen, die auf Müllbergen nach Nahrung suchen; Jagd auf Robben und Wale im Dienste der Kosmetikindustrie -, kann ich mir dennoch durchaus vorstellen, dass ein minimaler Publikumsprozentsatz dann doch vielleicht dazu angeregt wird, sein Konsumverhalten zu überdenken.
In einigen Szenen erweist FACES OF DEATH II schließlich sogar seinen kinematographischen Vorläufern die Reverenz: Wenn wir beiwohnen, wie Delfine aus ihrem ozeanischen Habitat gerissen und an Bord eines Schiffs geschlachtet werden, rufen die Großaufnahmen eines auf dem Deck herumliegenden noch pochenden Herzens und eines Embryos, den man der Gebärmutter einer Delfin entnommen hat, unweigerlich Erinnerungen an Georges Franjus irgendwo zwischen Schlachthausdokumentation und surrealistischem Experimentalfilm pendelnden Meisterwerk LE SANGE DES BÊTES wach. Falls diese Verweise bloßer Zufall sein sollten, sind es diejenigen indes ganz sicher nicht, die FACES OF DEATH II an den originalen MONDO CANE rückbinden, wenn wir relativ zu Beginn einer minutenlangen Sequenz über Begräbnisriten in unterschiedlichen Kulturen und Epochen aufgeklärt werden, und dabei unter anderem ziemlich atmosphärische Bilder von Beinhäusern zu sehen bekommen, in denen sich die bleichen Knochen verstorbener Mönche stapeln.
Aber eigentlich möchte ich FACES OF DEATH II gar nicht über Gebühr in Honig tunken, denn Kritikpunkte gibt es bei einem Film dieses Schlages natürlich trotzdem genug. Nicht nur ist die Musikwahl mehr als einmal äußerst fragwürdig – (Bar-Jazz-Piano zum Massenmord an Robben?; Porno-Funk zu einem tödlich ausgehenden Boxkampf?; Zirkusmusik zu einer Reihe von schieflaufenden Auto-Stunts?, eh?) –, und lädt der Kommentar zeitweise zum Stirnrunzeln ein – (wenn er beispielweise behauptet, die Guillotine sei bereits im 17. Jahrhundert erfunden worden, oder aber, dass im europäischen Mittelalter Nekrophilie an der Tagesordnung gewesen sei, da man geglaubt habe, durch Sex mit einer Leiche deren Lebenskräfte zu reanimieren: bei Gott, in meinem ganzen Mediävistik-Studium ist mir derlei nie zu Ohren gekommen) –, sondern einmal versucht man sich auch an dem alten Exploitation-Trick, (siehe nicht nur MONDO CANE, sondern zum Beispiel auch Akira Ides NUOVA GUINEA, L’ISOLA DEI CANNIBALI) im Bild irgendein indigenes Volk irgendwo in Afrika oder Lateinamerika oder Asien zu zeigen, und ihm auf der Tonspur zu unterstellen, es würde sich um Kannibalen handeln, - worauf wir jedoch natürlich exakt keinen einzigen kannibalistischen Akt zu sehen bekommen, sondern sich das Segment vielmehr an den Krankheiten abarbeitet, denen die Ureinwohner in ihrem Dschungel ausgesetzt sind.
Ein Film, den ich irgendwem empfehlen würde, ist FACES OF DEATH II nicht geworden, doch interessant finde ich es nichtsdestotrotz, zu sehen, dass Schwartz mit dem zweiten Aufguss doch ernste, nachdenklich stimmende, halbwegs seriöse Töne anschlägt, die dem Vorgänger in dieser Form vollkommen abgegangen sind. Sollte ich etwa den Sprung ins kalte Wasser wagen, und mir auch noch den dritten und vierten Teil der kanonischen Fratzen-des-Verbleichens-Reihe besehen? (Verdammt, ich kenne die Antwort bereits.)