Men Behind The Sun 3: A Narrow Escape - Godfrey Ho (1994)
Verfasst: Fr 25. Dez 2020, 11:54
Produktionsland: Hongkong 1994
Regie: Godfrey Ho
Darsteller: Jimmy Au Shui Wai, Robert Mak Tak-Law, Cheung Jing, Jue Gong
...und weiter geht die Reise auf die Rückseite der Sonne...
Frühjahr 1945: Japan steht kurz vor der Kapitulation. Auch die verbliebenen Mitglieder der berüchtigten Einheit 731, die in der Mandschurei einen Lagerkomplex betreibt, in dem vor allem an internierten Chinesen menschenverachtende Experimente durchgeführt werden, von denen man sich enorme Fortschritte auf dem Gebiet der biologischen Kriegstechnik erhofft, sehen zu, dass sie zum einen alle Spuren ihres grausigen Treibens vernichten – sprich, Teile des Lagers sprengen, sämtliche noch lebenden Gefangene erschießen, einen Großteil ihrer Forschungsergebnisse verbrennen –, und zum andern, dass sie ungeschoren aus dem zunehmend von russischem Militär und chinesischen Partisanen bestürmten Gebiet entkommen. In einem Sonderzug soll es über Korea zur Küste gehen, wobei die Fahrt mitten durch Regionen führt, in denen jederzeit Kampfhandlungen ausbrechen können. Erschwert wird die Reise dadurch, dass einer der Soldaten sich mit einem tödlichen Virus infiziert hat, und seine Kameraden diese Tatsache vor ihren Vorgesetzten zu verheimlich versuchen, da sie sonst seine sofortige Liquidierung fürchten – ein Akt der Nächstenliebe, der allein dadurch einen bitteren Beigeschmack erhält, dass die Männer im Umkehrschluss in Kauf nehmen, die hochgradig infektiöse Krankheit in ihr Heimatland zu schleppen – doch ob sie dort überhaupt ankommen, ist, wie gesagt, sowieso mehr als fraglich. Einen der Soldaten jedoch plagen noch ganz andere Dinge: Im Gespräch mit einer ebenfalls an Bord befindlichen Ärztin, (die sich später als Koreanerin entpuppen wird), regen sich bei unserem Helden zunehmend Gewissensbisse darüber, für welche unaussprechlichen Verbrechen er während seiner Zeit in der Einheit 731 mitverantwortlich gewesen ist. Während die chinesischen Zugführer die Meuterei proben, während der virenbefallene Kamerad zusehends an Kräften verliert, während Rebellen nichts unversucht lassen, den Zug zum Stillstand zu bringen, schwelgen wir zusammen mit unserer Identifikationsfigur in Rückblenden, die offenlegen, zu welchen Abartigkeiten der Mensch unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft fähig ist…
Tja, und diese Rückblenden stammen nahezu ALLE aus Godfrey Hos erstem Sequel zu HAK TAAI YEUNG 731, namentlich: HAK TAAI YEUNG 731 CHUK CHAP JI SAAI YAN GUNG-CHONG – seien es die mittlerweile sattsam bekannten Kälteexperimente, bei denen Menschen die gefrorene Haut von den Knochen gezogen wird, seien es mit letalen Bakterien gefüllte Bomben, die über einem Feld voller gefesselter Chinesen abgeworfen werden, worauf diese innerhalb von Minuten einen qualvollen Tod erleiden, seien es die (realen!) Aufnahmen von Autopsien und Operationen, mit denen der Vorgängerfilme randvoll gefüllt gewesen ist – ja, und selbst mit den eingelegten Föten aus dem Vorspann von HAK TAAI YEUNG 731 CHUK CHAP JI SAAI YAN GUNG-CHONG gibt es ein Wiedersehen, wenn dieses auch montagetechnisch äußerst fragwürdig gelöst ist: Als die Mitglieder der Einheit 731 losziehen, um ihre Teufelslaboratorien dem Erdboden gleichzumachen, schneidet Ho immer wieder Kamerafahrten über die konservierten Leichenpräparate aus dem Prolog des Vorgängerfilms hinein, um zu suggerieren, dass es genau diese seien, denen die Soldaten zu Leibe rücken, während die Schauspieler von HEI TAI YANG 731 SI WANG LIE CHE allerdings ausnahmslos irgendwelche Reagenzgläser und Erlenmeyerkolben voll mit bunter Flüssigkeit zertrümmern.
Wenn sich Godfrey Ho – (der wundersamerweise übrigens in vorliegendem Vehikel vollkommen auf deplatzierte Martial-Arts-Kämpfe verzichtet) – demnach als ein Meister des Recyclings und Kompostierens erweist, der es durchaus verdient, in einem Atemzug mit großen Kompilatoren wie Bruno Mattei oder Jess Franco genannt zu werden, präsentiert er sich in dem Material, das er extra für den nunmehr dritten HAK-TAAI-YEUNG-731-Aufguss heruntergekurbelt hat, als reichlich reizloser Filmemacher, der mich mit seiner langatmigen Zugfahrtsgeschichte wenig bei der Stange halten konnte. Anders gesagt: Würde man aus vorliegendem Streifen sämtliche Rückblenden, das heißt, jedwede Gore- und Splatter-Eskapaden, herausmontieren, hätte man einen reichlich konventionelles, stellenweise regelrecht banales Kriegsdrama, das eine Genre-Standardsituation nach der anderen herunterleiert: Ein Kamerad soll zu einer Geheimmission, einem wahren Himmelfahrtskommando, entsandt werden, worauf sich ein anderer an seiner Stelle meldet, da er sowieso Waise sei, und weniger zu verlieren habe als der verheiratete und kinderreiche Freund; die erwähnte koreanische Ärztin fungiert als moralische Instanz, die unsere Helden auf all ihre vergangenen Verfehlungen hinweist, (wobei ich mich frage, wie diese Frau denn mit solch einem exorbitanten Ungerechtigkeitsbewusstsein überhaupt zu einem Job in der Einheit 731 gekommen sein soll); zwischendurch muss auch noch die Schwester der Ärztin aufgesammelt werden, um sie vor den anrückenden Russen zu retten. HEI TAI YANG 731 SI WANG LIE CHE wird zwar nie ganz so sentimental und kitschig wie die Liebesromanze, die Godfrey Ho im Vorgänger meinte erzählen zu müssen, doch schöpfen die endlosen Dialogszenen, die plakativen Proklamationen von Pazifismus und Völkerverständigung, die wenig glaubwürdigen Figuren, die sich während einer einzigen Zugfahrt von mörderischen Bestien zu reflektiert denkenden Humanisten entwickeln, arg aus dem Topf der Klischees. Einmal abgesehen davon, dass der Film nicht, wie ich erwartet hätte, auch noch auf ein süßliches Happy End hinausläuft, sondern auf einer überraschend grimmigen Note endet, hat er mir unterm Strich nicht viel mehr als das eine oder andere herzhafte Gähnen und Schielen auf die Laufzeitleiste abgerungen: Wer unbedingt noch einmal die meisten grenzwertigen Szenen aus HAK TAAI YEUNG 731 CHUK CHAP JI SAAI YAN GUNG-CHONG sehen möchte, und zwischen diesen Magenschwingern Lust darauf hat, einer Militäreinheit dabei zuzuschauen, wie sie per Dampflok durchs chinesische Hinterland reist, - nun, nur für denjenigen wird vorliegender Film irgendeinen Mehrwert darstellen.