Death on the Fourposter - Jean Josipovici, Ambrogio Molteni (1964)
Verfasst: Fr 15. Jan 2021, 19:36
Produktionsland: Italien/Frankreich 1964
Regie: Jean Josipovici, Ambrogio Molteni
Darsteller: John Drew Barrymore, Gloria Milland, Luisa Rivelli, Antonella Lualdi, Michel Lemoine, Mario Valdemarin
Christian Keßler eröffnet seinen Streifzug durch die gelben Sümpfe des italienischen Giallo-Kinos, GELB WIE DIE NACHT, 1963 mit Mario Bavas LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO, was zwar Sinn macht, gilt Bavas Hitchcock-Hommage doch bereits ein Jahr bevor er die Grundstatuten des Genres mit SEI DONNE PER L’ASSASSINO ausformulieren wird, als Giallo-Grundsteinlegung, andererseits aber natürlich eine ganze Handvoll früherer Proto-Gialli wie beispielweise Mario Camerinis GIALLO (1934) oder Pietro Germis UN MALEDETTO IMBROGLIO (1959) unter den Tisch fallenlässt. Der zweite Film in Keßlers Katalog wiederum heißt DELITTO AL SPECCHIO, wurde 1964 entweder von Jean Josipovici oder Ambrogio Molteni auf dem Regiestuhl verantwortet, und scheint bislang auf keinem Heimmedium veröffentlicht worden zu sein. Zum Glück habe ich den Streifen vor Jahren bereits als DVD-R zusammen mit weiteren raren Schätzchen von einer Kontaktperson am Rande des bolognesischen Parco della Montagnola in einer Plastiktüte überreicht bekommen…
Eine Bande reichlich hedonistisch orientierter, gar nicht mal mehr so junger, sich aber wie kleine Kinde aufführender Pärchen wird von Schlossbesitzer Riccardo in sein gotisches Gemäuer eingeladen – wobei es allein schon irritiert, dass Riccardo zwar ein guter Freund aller übrigen Protagonisten ist, niemand von diesen aber vor Filmbeginn einen blassen Schimmer davon gehabt zu haben scheint, dass blaues Blut in seinen Adern fließt und er ein spinnwebenverhangenes, tapetentürenvolles, dielenknirschendes Castello sein Eigen nennt. Ziel und Zweck des Wochenendes auf dem Land wundert mich bei den Einfallspinseln, die einem DELITTO AL SPECCHIO als Helden verkauft, indes kein bisschen: Man gießt sich gepflegt Alkohol hinter die Binde, lauscht harmloser Beat-Musik und spannt sich gegenseitig die Lebensabschnittspartner aus. Mit von der Partie ist auch die heißblütige Serena nebst ihrem aktuellen Lover Anthony, (verkörpert von John Drew Barrymore, dessen Namen bei den Stabsangaben ganz oben auftaucht, obwohl er lediglich für eine Gastvisite von vielleicht fünfzehn Minuten vorbeischaut), der nicht nur eine frischerschienene Schallplatte mit dem Gassenhauer „Sexy Party“ mitgebracht hat – (was dazu führte, dass einer der internationalen Verleihtitel des Streifens tatsächlich SEXY PARTY lauten musste) –, sondern außerdem über die Gabe verfügt, in die Zukunft blicken zu können: Und dort sieht er ganz schlimme Dinge, was ihn dazu führt, fluchtartig das Schloss zu verlassen, während unsere Helden seine düsteren Prophezeiungen natürlich als Humbug abtun, und weiter dem frönen, was sie für eine „Sexy Party“ halten, nämlich sich zu betrinken, ein bisschen zu tanzen, Anzüglichkeiten zu verteilen, die sich ungefähr auf dem Niveau einer Runde Flaschendrehen im Jugendfreizeitheim bewegen. Etwa vierzig Minuten – (und damit etwa die Hälfte der Laufzeit) – bringen wir damit zu, den Figuren bei ihren juvenilen Späßen zuzuschauen, bevor endlich ein erster Mord geschieht: Eine der Frauen liegt mausetot im titelgebenden Himmelbett und starrt mit toten Augen ihr eigenes Spiegelbild in der verglasten Decke der Schlafstatt an. Wie Riccardo seine Freunde aufgeklärt hat, gibt es nur einen einzigen Schlüssel für die Schlosspforte – und der ist plötzlich spurlos verschwunden, und sämtliche Ausgänge verrammelt, was bedeutet, dass unsere Helden festsitzen wie die Maus in der Falle: Auf die Idee, sich aus einem der Fenster abzuseilen, kommt freilich niemand – stattdessen bringt man lange Minuten mit dem Fassen der Erkenntnis zu, dass einer aus ihren eigenen Reihen den Mord verübt haben muss, damit, sich gegenseitig die Alibis zu zerbröseln, und mit gegenseitigen Verdächtigungen, bei denen schnell Riccardo und seine wortkarg-mürrische Haushälterin zur Zielscheibe des allgemeinen Misstrauens werden. Indes ist der Killer nicht untätig und lässt weitere Personen (unblut im Off) aus dem Leben treten – und zwar auf eine Weise, die exakt dem entspricht, was Medium Anthony unseren Helden als finstere Zukunftsvision ausgemalt hat…
„Nichts, wonach man verzweifelt fahnden sollte“ lautet Christian Keßlers unterschreibenswürdiges Fazit zu DELITTO AL SPECCHIO. Nichtsdestotrotz kann ich nicht behaupten, von dem betuchten Treiben nicht vergnügliche eineinhalb Stunden beschert bekommen zu haben. Natürlich hat DELITTO AL SPECCHIO mehr mit Agatha Christie zu tun als mit schwarzbehandschuhten Rasiermesserkillern à la Bava oder Argento, und sicher ist der Film angesichts seines mauen Inhalts mindestens eine Stunde zu lang, und seine Ansammlung von schmierigen Playboys und schnepfenhaften Flittchen sicher kein Personenkreis, mit dem ich jenseits der Leinwand gerne auch nur eine Minute verbringen würde. Dafür aber entfaltet der Film, gerade weil in ihm vierzig Minuten lang nichts Nennenswertes passiert, und dann, wenn endlich etwas passiert, dieses Etwas auch nicht von der Art ist, dass es einen vom Sessel zerrt, diese eigenartig-hypnotische Sogwirkung, wie man sie beispielweise auch in einem Großteil des Oeuvres von Joe D’Amato antreffen kann: Es ist, als würden wir der Zeit beim Verstreichen, dem Gras beim Wachsen, den Darstellern beim endlosen Besteigen von Treppen, Durchsuchen von Räumen, Entdecken von Geheimgängen zuschauen. Ebenfalls auf der Habenseite verbucht werden muss die Anwesenheit des wunderbaren Michel Lemoine, der später nicht nur den ebenso wunderbaren LES WEEK-ENDS MALÉFIQUES DU COMTE ZAROFF drehte, sondern sich auch als Regisseur im horizontalen Gewerbe hervortat. Außerdem macht das Schloss, das man als Kulisse hat gewinnen können, ästhetisch durchaus etwas her, (wenn man es natürlich auch ein bisschen exzentrischer kinematographisch hätte in Szene setzen können), und welcher Giallo sonst lässt seine Handlung stagnieren, um uns mit minutenlangen Tanzeinlagen zu füttern? Ob es nun für oder gegen den Film (oder für oder gegen mich?) spricht, dass ich die finale Auflösung von Identität und Motiven des Killers beim besten Willen nicht verstanden habe, mag jeder für sich entscheiden…