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„Niemand darf der Folter unterworfen werden!“ - Auberi Edler (2019) [Doku]

Verfasst: Di 2. Feb 2021, 19:16
von buxtebrawler
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Originaltitel: Des bourreaux aux mains propres

Herstellungsland: Frankreich / 2019

Regie: Auberi Edler

Mitwirkende: Alfred McCoy, Tony Lagouranis, Darius Rejali, Rebecca Gordon, Joshua Dratel, Susannah Sirkin, Angela Bardosh, Philip Zimbardo, Nancy Layton, Jason D. Wright, John D. Marks, Gina Blasberg u. A.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 setzten die USA gezielt Folter als Verhörmethode im Kampf gegen den Terror ein. Weniger bekannt ist, dass die CIA bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg damit begann, Foltermethoden wissenschaftlich zu erforschen. Wissenschaftler und Experten sprechen über die lange Geschichte der Folterpraxis in den USA.
Quelle: https://programm.ard.de/TV/arte/-nieman ... 2316305207

Trailer: :arrow: https://fb.watch/3pjYccf89V/

Re: „Niemand darf der Folter unterworfen werden!“ - Auberi Edler (2019) [Doku]

Verfasst: Di 2. Feb 2021, 19:19
von buxtebrawler
„Niemand darf der Folter unterworfen werden!“ ist der gekürzt wiedergegebene Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – und zugleich der Titel des knapp einstündigen Dokumentarfilms des Franzosen Auberi Edler aus dem Jahre 2019, der für den öffentlich-rechtlichen deutsch-französischen Kulturaustauschsender Arte produziert wurde.

„Echte Männer foltern – und die Demokratie macht uns zu Waschlappen!“

Wie die USA seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 systematisch gegen diesen Artikel verstoßen, dokumentiert Edlers Film eindrucksvoll. Er lässt zahlreiche Wissenschaftler(innen), Historiker(innen), Expert(inn)en und Involvierte zu Wort kommen, anhand deren Aussagen in Kombination mit historischen und authentischen Bild- und Tondokumenten, u.a. eingespielten Zitaten verschiedener US-Präsidenten bis hin zu Trump, sich ein Gesamtbild des Schreckens zusammensetzt. Dafür geht Edler weit in die Geschichte der USA zurück und erläutert, wie der CIA und die Politik erst den Kommunismus und später den Terrorismus zu omnipräsenten Schreckgespenstern hochstilisiert haben, um Folter zu rechtfertigen.

Während der Ära der US-Kommunistenparanoia in den 1950ern habe man Angst vor stalinistischer Gehirnwäsche gehabt, die jedoch nichts anderes als von den US-Polizeimethoden des beginnenden 20. Jahrhunderts inspirierte Folter gewesen sei. Ab dem Jahre 1950 habe der CIA sein eigenes Gehirnwäscheprogramm ins Leben gerufen und an Foltermethoden ohne fremde physische Gewalteinwirkung geforscht – sog. „weiße“ oder „saubere Folter“, die keine sichtbaren Spuren hinterlässt. US-Psychiater Cameron beispielsweise habe diese an seinen Patienten ohne deren Wissen ausprobiert und damit zu Versuchskaninchen degradiert. Entsprechende Opferberichte sind ebenso Bestandteil dieses Dokumentarfilms wie Beschreibungen des Milgram- und des Zimbardo-Experiments, das im Stanford-Gefängnis durchgeführt wurde und dessen Beteiligte Edler ebenso Rede und Antwort stehen wie Dr. Zimbardo persönlich.

Auf Grundlage dieser Experimente zieht Edler Parallelen zu den Foltermethoden der USA in Guantanamo. Er skizziert ferner, dass US-Folter bis zur Sklaverei zurückreiche und damit in der US-Geschichte und ihrem Rassismus tief verwurzelt sei. Die menschenverachtenden Folterexzesse der US-amerikanischen Soldaten in Abu Ghraib werden mittels Fotostrecken und Videos dokumentiert und sind wahrlich nichts für allzu sensible Gemüter. Militärs und sogar ein Folterer kommen zu Wort. Kein ranghoher Offizier sei je verurteilt worden, US-Präsident Obama habe alle verantwortlichen Politiker freigesprochen – und bereits dessen Nachfolger Trump äußerte sich öffentlichkeitswirksam wieder eindeutig pro Folter. Schwer verdaulich und sicherlich fragwürdig ist es jedoch, wie Edlers Film auch die Täter(inne)n zu opfern zu verklären versucht, die angeblich unter ihrem moralischen Versagen leiden würden.

Als im Film leider nicht sonderlich vertiefte Ursachen versucht Edler gesellschaftliche Rachegelüste für 9/11 und die populäre Actionserie „24“ heranzuziehen, die die Akzeptanz für Folter bei der Bevölkerung deutlich erhöht habe. Ernüchtert wird gegen Ende sogar die Anwendung von Kriegsfoltermethoden an Immigrant(inn)en befürchtet. „Land of the free – home of the brave“? Fazit: Ob nun Stalins Folterknechte, Islamist(inn)en oder US-Streitkräfte – sie alle nehmen sich letztlich nicht viel. Hinter der Maske des ach so zivilisierten Westen verbergen sich eine ganz ähnliche menschenverachtende Geisteshaltung und ein mitnichten von Humanismus geprägtes Menschenbild. Trotz der von mir angesprochenen Kritikpunkte gebührt Auberi Edler Dank dafür, diese nur allzu gern verdrängte und stets schnell in Vergessenheit zu geraten drohende Erkenntnis auf diese sachliche und fundierte Weise in Erinnerung zu rufen – auch wenn es schmerzt.