Die Insel der Dämonen - Andreas Bethmann (1998)
Verfasst: Sa 7. Aug 2021, 18:33
Originaltitel: Die Insel der Dämonen
Produktionsland: Deutschland 1998
Regie: Andreas Bethmann
Darsteller: Erich Amerkamp, María Moreno, Anita Carrillo, Werner Kila
Jess Franco und Joe D’Amato zählen zu den erklärten Idolen Andreas Bethmanns. Während Bertucci ersterem die Reverenz dahingehend erweist, dass er ihn als Schauspieler in seinen beiden Hauptwerken ROSSA VENEZIA und ANGEL OF DEATH 2 einsetzt, (allerdings mit Ergebnissen, die ich nicht unbedingt als besonders respektvoll einem solchen Urgestein des transgressiven Kinos gegenüber empfinde), und ANGEL OF DEATH 2 für die 16er-Kaufhaus-Fassung sogar FRAUENGEFÄNGNIS 4 tauft, was ihn zumindest titeltechnisch als Fortsetzung der gleichnamigen einschlägigen WIP-Filme Francos aus den 70ern ausweist, stellt DIE INSEL DER DÄMONEN, (übrigens das letzte Werk aus Bethmanns reiner Amateur-Phase, denn, trotz aller gebotenen Kritikpunkte, sehen ROSSA VENEZIA und ANGEL OF DEATH 2 ja immerhin mehr oder weniger wie konventionelle Spielfilme aus), anscheinend so etwas wie seine Verbeugung vor D’Amato dar, - namentlich vor allem vor dessen Meisterstück ANTHROPOPHAGUS, den einem Bethmanns Film allein schon deshalb ins Gedächtnis ruft, weil es sich bei der titelgebenden Dämoneninsel um ein Mittelmeer-Eiland handelt, ähnlich dem, auf dem Menschenfresser George Eastman Anno 1980 sein Unwesen treibt, und der gerade mal siebzig Minuten lange Streifen zudem, erneut ähnlich wie der MAN EATER, mindestens neunzig Prozent seiner Laufzeit damit zubringt, die Kamera im Anblick menschenleerer Sommerstrände, verwitterter salzverkrusteter Ruinen und einem Kammerspielensemble austauschbarer Figuren schwelgen zu lassen, die an eben diesen Stränden und in eben diesen Ruinen größtenteils desorientiert umherstiefeln, nur um irgendwann Bekanntschaft mit den aggressiveren Seiten des Übernatürlichen schließen zu müssen. (Hinzukommt noch folgender Kniff: Während die einschlägigen Produktionen aus der Hochzeit des Italo-Kinos oft und gerne so taten, als handle es sich bei ihnen um angelsächsische Erzeugnisse, weswegen sich beispielweise Cast und Regisseure international klingende englische Pseudonyme zulegten, versieht Bethmann seinen Streifen mit dem italienischen Namen IL RITORNO DEI DEMONI, - was ihn, mehr oder minder explizit, dann auch noch als Fortsetzung der berühmten DEMONI-Reihe Lamberto Bavas stempelt, (mit denen er freilich bis auf die Existenz dämonischer Antagonisten rein gar nichts zu tun hat.) Ein VHS-Tape des Films wirbt dann gar: „Der neue Horror-Schocker aus Italien!“ Nun, immerhin hat Bethmann tatsächlich an italienischen Originalschauplätzen gedreht und ist nicht etwa auf die Idee gekommen, den Braunschweiger Südsee zum Mare Nostrum zu erklären...)
Da Bethmann im D’Amato-Modus mir aber tausendmal lieber ist als im Pseudo-Franco-Porn-Splatter-Modus, muss ich DIE INSEL DER DÄMONEN - (man möge schon mal die Mistgabeln zücken!) - zu meinem bisherigen liebsten Film aus Bethmanns Oeuvre küren: Wo Bethmann sich selbst bei den auf einen Bierdeckel passenden Handlungen seiner vorherigen Gothic-Grusler DER TOTENHÜGEL, HÜGEL DER LEBENDEN TOTEN und TANZ DER KÜRBISKÖPFE hoffnungslos verzettelt und sich an den Fundamenten dramaturgisch runden Storytellings verhebt, bietet ihm DIE INSEL DER DÄMONEN allein deshalb keinen Grund dafür, die Geschichte umständlich zu erzählen, weil es im Prinzip gar keine Geschichte gibt, die erzählt werden könnte. D’Amato-Modus, das heißt bei Bethmann, (ähnlich wie bei den Werken aus der Dominikanischen Phase des Maestros Massacessi), ein konsequenter Minimalismus, eine kammerspielartige, schnörkellose Inszenierung, die sich weitgehend auf drei Hauptfiguren und einen einzigen Schauplatz beschränkt, ein lethargischer, sommerträger Stil, der sich darin gefällt, minutenlang einfach nur diese monotone, melancholische ANTHROPOPHAGUS-Atmosphäre zu evozieren – und, nein, zu diesem Zeitpunkt hat Bethmann glücklicherweise auch noch keine Pornographie-Ambitionen, und auch die technischen Mittel reichen noch nicht für endlos ausgewalzte Gore-Exzesse wie in seinen späteren Werken. DIE INSEL DER DÄMONEN ist dementsprechend das Äquivalent zu einem ereignislosen Urlaubstag in einem ein bisschen heruntergekommenen Strandhotel: Man schaut der Zeit beim Vergehen zu, dem Körper beim Braunwerden, dem Bier beim Verdunsten, und wird vom Nichtstun in eine schläfrig-sentimentale Stimmung versetzt.
Er heißt Mario, verdient sich seine Brötchen als Besitzer eines (nicht sonderlich beeindruckenden) Motorboots, mit dem er Touristen übers Meer schippert, die sich in sein verschlafenes italienisches Strandnest verirrt haben, und der, wie er uns per Off-Kommentar erklärt, zu Beginn des Films seine Traumfrau kennenlernt; sie heißt Ramona, prallt mit Mario zufällig beim Stöckeln durch die Gassen besagten italienischen Dorfes zusammen, und findet ihn auf den ersten Blick genauso attraktiv wie vice versa, weshalb man sich für den kommenden Tag zu einem Ausflug verabredet: Eine kleine Insel soll es sein, wo die verfallenen Ruinen früherer Besiedlung für ein wundervoll morbides Ambiente sorgen, wie man es sich für sein erstes Date nur wünschen kann. Das dritte Rad am Wagen wiederum heißt Camilla und wird von Busenfreundin Ramona kurzerhand mit zum Bootstrip geschleppt, wo sie allerdings schnell eine Schnute zieht, weil Ramona und Mario gar nicht daran denken, ihre Anwesenheit zum Anlass zu nehmen, sich beim Ausstrecken der Fühler nach dem Körper des jeweils anderen wenigstens ein bisschen Contenance aufzuerlegen. Dann findet Mario beim Tauchen eine olle Kiste voller Steine – und dazwischen: einem mysteriösen Dolch. Er ist blöd genug, sich an der Waffe zu schneiden; Blut spritzt auf den Dolch; Dampf wabert; Mario verwandelt sich in einen reißenden Dämon, (dessen Maskerade derjenigen des Grafen Zoltan in den TOTENHÜGEL-Filmen in nichts nachsteht; die Halloween-Abteilung des Braunschweiger Kaufhofs wird froh gewesen sein, dass diese billige Maske endlich mal über die Ladentheke gegangen ist), und schnappt sich zur Stillung seines Blutdurstes zunächst Camilla; anschließend soll es Ramona an den Kragen gehen, die sich dem zähnefletschenden Mario-Ungetüm jedoch erwehrt, indem sie ihm einfach das um ihren Hals baumelnde Kreuz vor die Schnauze hält, worauf das Biest zusammenbricht und sich in Luft auflöst – und wie um uns zu beweisen, dass den Romancier Bethmann selbst dieser nun wirklich keine Haken schlagende Plot heillos überfordert, zaubert er kurz vor Abspann noch einen vierten Charakter aus dem Hut, einen namenlosen Kampfsportler, der die Insel zum Training (Luftboxen; Kniebeugen; Sprinten) nutzt und wiederum von der inzwischen dämonifizierten Ramona attackiert wird. Nach einem komabrutalen Duell (hehe) liegt Ramona mausetot zwischen den Felsen und unser Held kehrt aufs Festland zurück, wo er sinnierend auf einem Steg Platz nimmt – und plötzlich feststellen muss, dass statt seiner Hand auf einmal eine Dämonenklaue am Ende seines rechten Arms sitzt!
Exposition liefert uns, (wie schon in den TOTENHÜGEL-Filmen), ein gelangweilter Off-Sprecher: „Vor langer Zeit lag vor der Küste Italiens eine kleine Insel, die nur von den Mächten der Finsternis beherrscht wurde. Die felsige Brandung und die zahlreichen Festungen waren ein sicheres Versteck für Magier, Hexer und deren Helfer und Kreaturen. Unvorstellbare Grausamkeiten spielten sich hinter diesen Mauern ab.“ (Dazu sehen wir einen der annehmbareren Gore-Effekte des Bethmann’schen Frühwerks: Eine Dämonenklaue sticht einem armen Tropf zunächst die Augen aus und säbelt ihm danach die Rübe vom Rumpf.) "Eines Tages wurde auf dieser Insel im Auftrag der Hölle eine Waffe geschmiedet, die die Saat der Dämonen unter den Menschen verbreiten sollte. Kurze Zeit später jedoch, als sich die Mächte der Finsternis selber bekämpften, bot die Insel ein Bild der Zerstörung. Seither erzählt man sich die unheimlichsten Geschichten über die Insel. Die Waffe der Hölle, das Dämonenmesser, ist seither allerdings verschollen.“ Ich muss gestehen, wie schon bei DER TOTENHÜGEL erweist sich Bethmann als recht versiert in stimmungsvoll-schauerromantischen Filmexpositionen: Totenschädel; dicht vor der Kameralinse züngelnde Flammen; lange Schwenks über trostlose Gemäuer, in denen Morgensterne herumhängen – all das schmeckt mir durchaus, wenn auch die, hust, dargebotene Hintergrundgeschichte eindrucksvoll unter Beweis stellt, wie leicht es Bethmann fällt, selbst in einen derart schmalbrüstigen Prolog noch metertiefe Logiklöcher zu reißen: Weshalb bekämpfen sich die Mächte der Finsternis gegenseitig? Was soll das für ein glorreicher Plan sein, den Erdball dämonisch kontaminieren zu wollen, indem man einen einzigen Dämonendolch schmiedet – und wie soll dieser überhaupt großartig zum Einsatz kommen, wenn er erstmal jahrhundertelang auf dem Meeresboden in einer maroden Kiste schlummert? Wenn diese Insel von ach so vielen unheilvollen Legenden umrankt ist, wieso hält sie Mario, der ja augenscheinlich Bewohner des nächstgelegenen Örtchens ist, für einen geeigneten Ort für ein Rendezvous?
Auch später crasht Bethmanns Drehbuch immer dann, wenn es von Atmosphäre zu Plot-Points switcht, frontal in Hindernisse der inneren Logik: Obwohl Ramona und Mario sich für „morgen“ zum Date verabreden, spricht Ramona mit Camilla am nächsten Tag davon, der Bootstrip solle am Folgetag stattfinden; Camillas Herz, das Dämonen-Mario ihrem Brustkorb entnommen hat, schmeißt dieser in hohem Bogen zur Seite, worauf es auf die am Strand dösende Ramona klatscht, die sich mehrere hundert Meter von Camillas Todesschauplatz entfernt befinden müsste; und dass Bethmann kurz vor Filmschluss noch den nominellen Helden aus dem Hut zaubert, um die Chose nun, wo Mario und Camilla tot sind und Ramona vom Dämonenvirus infiziert ist, doch noch irgendwie zu Ende zu bringen, ist ein, ehm, dramaturgischer Kniff, den er ja schon in DER TOTENHÜGEL angewendet hat, wo alle zehn bis fünfzehn Minuten die Hauptdarsteller wechseln, weil die zuvor etablierten Figuren das Zeitliche gesegnet haben. Großartig ist freilich auch, dass Mario den Film zunächst als retrospektiv berichtender Off-Erzähler einleitet, den Abspann jedoch noch nicht mal lebend erreicht, - sendet er seine Monologe demnach aus der Hölle, oder wie soll ich mir das vorstellen? Verliebt ist Bethmann außerdem in seine Unterwasserkamera: Mindestens 20 Prozent des Films scheinen mir einzig aus JAWS-esquen POV-Shots der durchs Mittelmeer gleitenden Kamera zu bestehen, (wobei der Score sogar die berühmte Titelmelodie des Spielberg-Klassikers ansatzweise recycelt; ansonsten ist das Sounddesign jedoch durchweg erträglich: Da blubbern die Synthies; da kracht und knarzt es atonal; da dröhnen düster die Drones.) Über die Effekte und vor allem das Dämonen-Make-Up habe ich mich ja schon ausgelassen: Die Katzenaugen-Kontaktlinsen, die man Mario verpasst, mögen ja noch durchgehen, doch mit der Dämonenmaske würde es mir schwerfallen, eine Kindergartengruppe in Angst und Schrecken zu versetzen…
Aber all das ist mir doch tausendmal lieber als die misogyne Gewalt, der epische Atem, die fragmentarischen Handlungsbruchstückchen, mit denen Bethmann in seinen späteren Werken à la ROSSA VENEZIA um sich schmeißt. Sicher, DIE INSEL DER DÄMONEN wirkt wie eine krude Mixtur aus Urlaubsvideo, endlos langen Szenen, in denen Menschen Boot fahren, über steinige Felshänge kraxeln, sich am Strand von der Sonne den Schweiß aus den Poren kitzeln lassen, und einem klitzekleine bisschen Splatter und Dämonenhorror, aber ich bin bei einem Film, wo Bethmann drauf steht, inzwischen ja schon froh, wenn ich nicht kübelweise mit unästhetischen Hardcore-Eskapaden überschüttet werde, (tatsächlich ist eine kurze Traumsequenz, in dem Ramona sich beim Kuscheln mit Mario imaginiert, so keusch, dass selbst der BH seine ursprüngliche Position behält.) Es bleibt dabei: Bis hierhin ist DIE INSEL DER DÄMONEN das Beste, was ich von Bethmann kenne – eine Studie in Langsamkeit, eine D’Amato-Memorial-Elegie, das audiovisuelle Äquivalent dazu, Farbe beim Trocknen zuzuschauen. Oder, wie es der Regisseur selbst auf dem Rücken der erwähnten Video-Kassette beschreibt: "Ein Film, der atmosphärisch und ruhig anfängt, aber schließlich blutig endet! Dieser Film ist eine Liebeserklärung an den italienischen Horrorfilm."