Exitus Interruptus - Der Tod ist erst der Anfang - Andreas Bethmann (2006)
Verfasst: Di 24. Aug 2021, 09:42
Originaltitel: Exitus Interruptus - Der Tod ist erst der Anfang
Produktionsland: Deutschland 2006
Regie: Andreas Bethmann
Darsteller: Renee Pornero, Anja Gebel, Andreas Bethmann
Fünf Jahre sind seit den Ereignissen in VEGETARIERINNEN ZUR FLEISCHESLUST GEZWUNGEN 2 vergangen – und für alle, die (wie ich) dieses Bethmann-Vehikel (noch) nicht kennen, werden diese zu Beginn von EXITUS INTERRUPTUS kurz und bündig rekapituliert: Manuela, die Heldin vorliegenden Streifens, ist seinerzeit einem Psychopathen in die Hände gefallen, der mit ihr allerhand sadistische Schweinereien in seinem verlassenen Eigenheim angestellt hat. Schließlich aber gelingt es Manuela, ihrem Peiniger das Handwerk zu legen. Im Klartext: Sie entledigt sich ihrer Fesseln, tötet ihn und verscharrt den Leichnam irgendwo im Wald, damit ihn niemals jemand findet.
So weit, so schrecklich: Nur ist nun aber zwar bereits ein halbes Jahrzehnt vergangen, doch Manuela hat sich immer noch nicht von der einschneidenden Erfahrung erholt. Die junge Frau wird von Alpträumen geplagt, die irgendwann derart das Maß des Erträglichen sprengen, dass sie sich Hilfe bei einem Psychiater sucht. Beistand leistet außerdem noch ihre beste Freundin Monique, mit der sich Manuela, die, seit sie von einem Mann auf unvorstellbare Weise malträtiert worden ist, ihre lesbische Neigung entdeckt hat, auch oft und gerne das Bett teilt. (Denn im Bethmann'schen Kosmos scheint es weibliche Homosexualität kaum einmal aus sich selbst heraus zu geben, sondern einzig, wenn äußere Faktoren diese auslösen.)
Eines Tages beschließt Monique, ihre Freundin auf andere Gedanken zu bringen, indem sie sie zu einer Disco-Tour mitnimmt. Anfangs ist Manuela zwar irritiert, ausgerechnet ihren Seelenklempner im selben Techno-Schuppen anzutreffen, lässt sich dann aber doch auf die Therapie aus elektronischer Musik und Stroboskoplicht ein. Solange zumindest, bis sie für kleine Mädchen muss, und auf der Damentoilette erst Zeugin wird, wie sich zwei Frauen sexuell miteinander vergnügen, - und im Anschluss, wie ein maskierter Killer den Liebesakt der Lesbierinnen in ein Todesballett verwandelt. Manuela, die sich mucksmäuschenstill in ihrer Kabine verkrochen hat, hofft, vom Meuchelmörder nicht bemerkt worden zu sein, - was sich aber natürlich als Trugschluss herausstellt.
Falls Bethmanns Drehbuch weiß, wie es der Mörder schafft, sowohl die beiden Leichen als auch Manuela unbemerkt aus der vollbesuchten Diskothek herauszuschaffen, verrät es uns diesen Kunstkniff leider nicht. Dafür sind wir aber nach nicht mal einer halben Stunde (von insgesamt knapp zweien) endlich in dem entlegenen Waldhäuschen angelangt, wo sich der Rest des Films wie Kaugummi ziehen wird. Dass sich hinter der schwarzen Latexmaske von Manuelas Entführer ihr Psychiater verbirgt, verwundert kaum. Schon eher ist es ein Stirnrunzeln wert, dass dieser Psychiater a) der Bruder des vor fünf Jahren von Manuela getöteten Psychopathen ist, dass er b) per Hypnosesitzung aus Manuela den Standort seines brüderlichen Kadavers herausgequetscht hat, sowie dass er c) die leiblichen Überreste von Manuelas einstigem Peiniger ausgebuddelt hat, um beide nach so langer Zeit wieder zusammenzubringen – und zwar zusammenzubringen in durchaus handfestem Sinne, denn im modrigen Unterleib des toten Bruders hat der Psychiater inzwischen einen Dildo installiert.
Damit nicht genug: Auch die Mutter des Brüderpaars befindet sich zu Besuch im Waldhaus – und auch sie in Gestalt eines Gummi-Skeletts von der letzten Halloween-Sause, dem man eine Grauhaarperücke aufgesetzt hat. PSYCHO lässt grüßen – und später auch noch TEXAS CHAINSAW MASSACRE, wenn der Psychiater, der inzwischen auch Monique in seine Gewalt gebracht hat, seine unfreiwilligen Gäste zusammen mit den verfaulten Familienangehörigen beim Abendbankett zusammenführt, (und Manuela aufgrund so viel Degoutantem im Strahl erbrechen muss.)
Eine weitere Referenz unterstreicht, dass Bethmann durchaus am Puls der Zeit operiert, denn offenkundig hat er die ersten beiden SAW-Teile gesehen, was dazu führt, dass sein Antagonist diverse Todesfallen an den beiden weiblichen Opfern ausprobieren darf. Während allerdings die perfiden Einfälle der SAW-Serie, wie mir kürzlich ein informatives YouTube-Video mit Popstar-Kriminalbiologe Mark Benecke erklärt hat, auf mehr oder minder anatomisch-logischen Fundamenten ruht, gehen mit Bethmann regelmäßig die blauen Pferde durch. Misogynes Herzstück des Films ist folgendes Szenario: Monique breitbeinig gefesselt; eine Handfeuerwaffe direkt auf ihr Geschlechtsteil gerichtet; der Abzug der Waffe verbunden mit einer Digitaluhr; diese Digitaluhr wiederum zählt einen Countdown rückwärts – und wenn der am Ende angekommen ist, löst sich der Schuss und Moniques Vagina wird von Kugeln durchsiebt. Auf Manuelas Schultern wiederum ruht die Aufgabe, ihren Entführer vor Ablauf des Countdowns oral zum Orgasmus zu bringen, - ansonsten wird er der runtertickenden Uhr keinen Einhalt gebieten. Sinnfällig bringt vielleicht der Schluss dieser Sequenz das Bethmann’sche Kino auf den Punkt: Parallel spritzt Manuela das Sperma ihres Entführers ins Gesicht und Moniques Vagina zerplatzt in tausend Teile. Sex und Thanatos genauso eng umschlungen wie die Spielzeugpuppen, die überall im Haus des Entführers drapiert sind und die den Film leitmotivisch durchziehen: Spielzeugpuppen, die eindeutig Säuglinge darstellen und die in eineutig sexuellen Posen ineinander verschränkt sind. (Akustisches Leitmotiv dementsprechend: Permanentes Babygeschrei. Nur weshalb? Ich weiß es nicht.)
Handwerklich stellt EXITUS INTERRUPTUS für jeden, der sich bis ins Jahr 2006 durch das Oeuvre Bethmanns gekämpft hat, eine kleine Wohltat dar: Inzwischen weiß Bethmann, wie man einen Film visuell ansprechend gestaltet; der Schnitt ist manchmal zwar noch etwas konfus, dafür fängt die Kamera die Stimmung im Waldhaus durchaus ansprechend ein; vor allem herrscht Abwechslung zwischen Handkamerasequenzen, statischen Aufnahmen mit durchdachten Bildkompositionen und (manchmal arg franco-esquen) Zooms. Im Tondesign müssen Abstriche gemacht werden: Zeichneten sich Bethmanns reine Amateur-Produktionen aus den 90ern noch durch düstere Drones, zirpende Synthies und fiese Noise-Attacken aus, dominieren nun nervtötende Techno-Beats, die völlig ohne Korrespondenz mit der Handlung viele Szenen einfach nur in stumpfer Monotonie begleiten.
Inhaltlich stellt EXITUS INTERRUPTUS für jeden, der sich bis ins Jahr 2006 durch das Oeuvre Bethmanns gekämpft hat, den logischen Kulminationspunkt all der Sex- und Gewaltphantasien des Maestros dar: Ja, auch ROSSA VENEZIA oder DER TODESENGEL haben sich größtenteils aus Momenten zusammengesetzt, in denen Frauen sexuelle Gewalt erfahren oder gewalttätige Sexualität betreiben oder beides. Falls Bethmann in diesen Filmen persönlich aufgetreten ist, dann aber leidglich an der Handlungsperipherie, in DER TODESENGEL als nekrophiler Polizeireporter, in ROSSA VENEZIA als leidenschaftlicher Pathologie, also beides Rollen, die man mit etwas gutem Willen durchaus als selbstironisches Statement begreifen kann. In EXITUS INTERRUPTUS verwischen die Grenzen zwischen Bethmann als Kunstfigur und Bethmann als Regisseur, der seine Filme primär als Vehikel für die eigenen chauvinistischen Phantastereien benutzt: Bethmann selbst ist es nämlich, der den perversen Psychiater verkörpert, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es etliche Szenen gibt, in denen er Renee Pornero, die Darstellerin der Manuela, oder Anja Gebel, die Darstellerin der Monique, zügellos begrapscht, ihnen mit Kinderpuppenärmchen an den Klitoriden herumspielt, zumindest so tut, als würde er sie mit vorgehaltener Waffe zum Oralsex zwingen. Gewiss sind Frau Pornero und Frau Gebel zum Zeitpunkt der Dreharbeiten sowohl volljährig wie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, und wissen genau, worauf sie sich mit EXITUS INTERRUPTUS eingelassen haben, - dennoch bleibt für mich als Endkonsument ein mehr als galliger Beigeschmack, wenn ich quasi zwei Stunden lang dabei zusehe, wie Andreas Bethmann im Psycho-Modus die Fiktion anscheiend für all die Dinge gebraucht, die er im wahren Leben möglicherweise selbst gerne verüben würde. Da hilft es auch nicht, dass Bethmanns Figur eher wie ein Lausebengel wirkt, dessen nachsynchronisiertes Stimmchen weniger bedrohlich, sondern eher infantil klingt: Auch wenn der Psychopath nicht unbedingt ernst zu nehmen und auch seine Foltereien sich im noch erträglichen Bereich abspielen, ändert das nichts daran, dass ich fortwährend das Gefühl habe, dass da ein Regisseur offenkundig allein deshalb einen Film gedreht hat, um unter dem Deckmantel der Fiktion Brüste antatschen, Beine spreizen und Gegenstände in Vulven einführen zu können. Ugos Lieblings-Bethmann-Zitat gilt für den Meister selbst in vorliegendem Fall jedenfalls nicht: "Die Darstellerinnen dürfen nicht angegrabbelt werden!"
Immerhin muss man Bethmann zugutehalten, dass es offenbar nicht sein eigener Penis ist, der in den wenigen Hardcore-Szenen gesaugt wird, sondern dass er sich hierfür mit einem Schwanz-Double beholfen hat. Diese Sexeinlagen übrigens sind genauso wenig der Rede wert wie die mit zunehmende Laufzeit immer dröger werdende Handlung: Eine Penetration gibt’s nie zu sehen, dafür laufen die österreichische Sexfilm-Queen Pornero und Gebel, (die man aus diversen Projekten von Timo Rose oder beispielweise auch TEARS OF KALI kennen könnte), die meiste Zeit splitterfasernackt herum, - was, wie gesagt, aber auch nicht verhindern kann, dass mir schon nach einer Stunde Laufzeit die Augenlider müde zu flattern anfangen, im Gegenteil: So sehr ich Kammerspiele liebe und so sehr Bethmanns besten Filme Kammerspiele sind (siehe HELP ME I AM DEAD oder TERROR CREEK), könnte ich mir keine zähere Angelegenheit vorstellen als diesen endlosen Zirkelschluss aus Sexfolter, uferlosen Monologen des Psychopathen sowie Fluchtversuchen seiner Opfer, den Bethmann dramaturgisch ungefähr so effektvoll inszeniert, als wolle er das minutenlange Stehen in einer Mensa-Schlange visualisieren: Man wartet mit knurrendem Magen auf den erlösenden Bissen und dann ist es bloß ein überteuerter Klecks Instant-Kartoffelbrei, den man in den Pappteller geklatscht bekommt.
Was das Technisch-Ästhetische betrifft, befindet sich Bethmann bei EXITUS INTERRUPTUS im Mauserungsprozess zu einem versierten Filmemacher; was das Inhaltliche betrifft, befindet sich Bethmann bei EXITUS INTERRUPTUS in einem Modus, der bei mir gleichermaßen Fremdscham wie nachhaltige Verstörtheit hervorruft.
Und zum Schluss noch ein Moment zum Schießen: Manuela erwacht nach ihrer Entführung und sieht sich ihrem Entführer gegenüber, der sein Gesicht hinter besagter Schwarzmaske verborgen hat; sofort erkennt sie ihren Psychiater: Sie sind das!?; ihr Peiniger fragt verdutzt, wie sie ihn denn erkannt habe; während oberhalb der Maske die Bethmann-typische Hochstell-Frisur in die Höhe ragt, an der ich den Guten auf hundert Meter Entfernung erkennen würde.
Und nun einmal kurz durchatmen und dann zum Sequel EXITUS 2 schreiten...