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„Ich war immer stubenrein, Herr Direktor!“
Der Italiener Mariano Laurenti war einer federführenden Regisseure der
Commedia sexy all'italiana, jener Welle italienischer Erotik-/Sex-Klamotten der 1970er um „flotte Teens“ und Backpfeifengesichter. Laurenti zeichnet für einige der Tiefpunkte des Genres („Wehe, wenn die Lust uns packt“, „Flotte Teens jetzt ohne Jeans“, „Der Idiotenzwinger“) verantwortlich, lieferte mit „Nachtschwester müsste man sein“ aber auch durchaus Angenehmes. Der zwischen „Zum Teufel mit der Jungfernschaft“ und „Flotte Teens jetzt ohne Jeans“ im Jahre 1977 veröffentlichte „Süße Sechzehn – Sweet Sixteen“ wiederum zählt zum humoristisch Brachialsten, was dieser Bereich zu bieten hatte.
„Hast du was gesagt oder hat da eben eine Sau gerülpst?“
Die attraktive sechzehnjährige Schülerin Simona (Lili Carati, „Oben ohne – unten Jeans“) ist neu an der Schule in Trani im schönen Apulien. Schnell werfen die Jungs ein Auge auf sie, was ihre Mitschülerinnen mit etwas Argwohn betrachten. Der schöne Mario (Antonio Melidoni), größter Frauenheld der Schule, ergreift die initiative und versucht, Simona ins Bett zu bekommen, doch diese hat kein Interesse an einer oberflächlichen Sexaffäre. Da er nicht müde wird, sie zu bedrängen, schmiedet Simona zusammen mit ihren neue Freundinnen Vera (Susanna Schemmari, „Entschuldigen Sie, sind Sie normal?“) und Mirella (Brigitte Petronio, „Emanuela – Alle Lüste dieser Welt“) einen Plan, Mario auflaufen zu lassen, um ihm eine Lehre zu erteilen. Mario und seine Freunde Martocchia (Stefano Amato, „Malizia“) und Gennarino (Nando Paone, „Jetzt treibt sie's auch noch mit dem Pauker“) spielen unterdessen dem Schulpersonal, insbesondere Professor Ilario Cacioppo (Gianfranco D'Angelo, „Mondo Candido“) und dessen Assistenten Salvatore (Alvaro Vitali, „Fellinis Satyricon“) unablässig Streiche, während Marios Vater, Modeboutiquebetreiber Teo d'Olivo (Lino Banfi, „Der Filou“) bei attraktiven Kundinnen seine Finger nicht bei sich behalten kann. Und dann ist ja auch noch die Feier anlässlich des 15. Dienstjubiläums Cacioppos geplant…
„Mamma mia, ist das ‘n Arsch…“
Lehrer Cacioppo lebt mit seinem Assistenten (oder was auch immer das für ein Berufsbild sein soll) Salvatore zusammen und teilt sogar das Schlafzimmer mit ihm (immerhin nicht das Bett) – ist das ein Anflug von Sozialkritik hinsichtlich der kargen Besoldung von Lehrkörpern? Mario hat’s da ungleich besser, sanft wird er von seiner attraktiven Haushälterin geweckt und bekommt Kaffee ans Bett serviert. Die Ferien sind zu Ende, die Schule ruft wieder. Nach dem Prolog lernt man den adipösen Martocchia kennen, der ein bisschen wie ein Zachi-Noy-Verschnitt wirkt, obwohl die „Eis am Stiel“-Filme erst später produziert wurden. Er neigt dazu, seine Pfunde in Wallung zu versetzen, wenn er sich hüpfend über einen gelungenen Streich freut. Banfi in der Rolle als fummeliger Boutiquenbetreiber und Marios Vater Teo präsentiert eine neue Macke: Ist er aufgebracht, greift er sich in die Mundwinkel und zieht seinen Mund auseinander. Zusammen mit Martocchia und dem von Charaktergesicht Paone chargierend gespielten Gennarino mit Zottelmähne und Brille bildet Mario das streichespielende Jungstrio, wodurch Mario zwei Funktionen erhält: die als Lausbub und die als verhinderter Liebhaber. Bezeichnenderweise funktioniert beides vollkommen unabhängig voneinander, sodass „Süße Sechzehn – Sweet Sixteen“ wahlweise wie eine alberne Slapstick-Klamotte mit angedockter Romanze oder wie eine um eine völlig aus dem Ruder gelaufene romantische Komödie, die mit pubertären Gags und Streichen auf Länge gebracht wurde, wirkt.
„Igitt, ist das eine Elefantin!“
Sunnyboy Mario betatscht Simona im Klassenzimmer, geht mit ihr aus und besorgt dem Publikum Caratis erste Oben-ohne-Szene des Films, als er sie am Strand zu verführen versucht. Die hüninnenhafte Professorin Marimonti (Francesca Romana Coluzzi, „Themroc“) wiederum ist scharf auf Cacioppos Lehrkörper, doch er verabscheut sie aufgrund ihrer Physis. Sie wird als übermäßig stark und ihre Kraft nicht kontrollieren könnend dargestellt, was Anlass für einigen billigen Klamauk ist. Telefonstreiche mit verstellter Stimme, die an die deutsche „Lümmel“-Reihe erinnern, bescheren Cacioppo eine peinliche Leibesvisitation und Salvatore später eine Schaufensterpuppenmontur. Da Mario sein Zimmer direkt über der Boutique-Umkleide hat, bespannen er und seine Freunde attraktive Kundinnen gern durch ein Loch im Fußboden, was auch den Zuschauerinnen und Zuschauern einen entsprechende Einblick in eine Damenoberweite ermöglicht. Mafiabraut Elena Mancuso (Nikki Gentile, „Die Bumsköpfe“) bringt Teo jedoch in Bedrängnis: Als er sie gerade befummelt, stoßen ihr Mann (Rosario Borelli, „Flash Solo“) und zwei seiner Leute hinzu, woraufhin er eine schwule Tunte zu spielen beginnt – was sich abgeschmackt liest, zählt hier sogar zu den tendenziell besseren Witzchen.
„Hören Sie auf zu schwuchteln und machen Sie nicht so blöde Komplimente!“
Das Jungstrio bringt Salvatore daraufhin dazu, Elena anzugraben, wohlwissend, dass er aufgrund seiner geringen Körpergröße und seines mopsigen Gesichts keinerlei Chance bei ihr hat – und er tatsächlich entsprechend in die Bredouille kommt. Im Sportunterricht findet ein unglaubliches Basketballspiel mit Jungs (in Eierkneifer-Sporthosen) statt, die die Mädchen sexuell belästigen und Simona das Oberteil aufreißen (Carati-oben-ohne-Count: 2). Im Zuge der anschließenden Duschszenen zeigen sich Vera, Mirella und Simona kollektiv oberkörperfrei, letztere sich von hinten gar komplett nackt. Hier entsteht der Plan, Schwerenöter Mario hereinzulegen. Er erobere stets eine nach der anderen und lasse sie wieder fallen, womit man ihn diesmal nicht durchkommen lassen will. Zumindest einen Hauch femininer Wehrhaftigkeit und Kritik am männlichen egoistischen Chauvinismus kann man dem Film aufgrund dessen attestieren…
„Vergewaltigen Sie mich, Geliebter – greifen Sie zu!“
Cacioppo lässt sich im Rahmen des Biologieunterrichts reichlich Nachtschattengemüse von seinen Pennälerinnen und Pennälern mitbringen, um sich – wir erinnern uns: er scheint nicht gerade vermögend – zusammen mit Salvatore zu Hause schmackhafte Mahlzeiten daraus zuzubereiten. Jedoch ist jedes einzelne Stück präpariert und muss für fahle Witzchen herhalten – und weshalb auch Eier darunter sind, weiß nun wirklich niemand. Professorin Marimonti greift in eine Mausefalle in der Lehrerpultschublade und hat panische Angst vor Mäusen, was zu einem Aufruhr im Klassenzimmer führt. Nicht viel später werden sie und Cacioppo Opfer eines Juckpulveranschlags. Gags wie diese stammten bereits 1977 aus Uropas Mottenkiste und es ist mehr als fraglich, was sie in einem Jugendfilm zu suchen haben. Simona erhöht den Carati-oben-ohne-Count auf 4, als sie sich für ein Treffen mit Mario umzieht und auf 5 beim anschließenden kurzen Fummeln. Im Auto wird geknutscht, weiter lässt sie ihn aber nicht ran. Das ist natürlich Teil der Handlung bzw. des Plans, gewissermaßen aber auch symptomatisch für den Film, der es bei einigen Nacktszenen und etwas Gefummel belässt und keine einzige Sexszene enthält.
„Sei lieb und reiß dich zusammen!“ – „Das wäre absolut unnatürlich!“
Dass Veras Bruder ebenfalls scharf auf Simona ist, wird kurz angerissen, spielt im weiteren Verlauf aber keine Rolle mehr. Stattdessen gibt es Konfusionen um Simonas Familienverhältnisse und sozialen Status inklusive eines denkwürdigen Dialogs, zieht Elena, beobachtet von den Schaufensterpuppen mimenden Cacioppo und Salvatore, blank und präsentiert sich unser Mädelstrio in der Schulumkleide wieder oben ohne. Simona bekommt schließlich Skrupel, als sie realisiert, dass sich Mario aufrichtig in sie verliebt hat. Tatsächlich bläst der Knabe Trübsal und will sich nicht einmal mehr von seiner Haushälterin verführen lassen. Viel Verwirrung stiftet dann noch ein vermeintlicher Rockdiebstahl, der zu Trubel auf dem Polizeirevier führt, bevor im großen Finale Cacioppos Jubiläumsfeier seltsamerweise inklusive beiden Schüler(innen)trios stattfindet und natürlich in einem Meer von Streichen mündet, die mittlerweile alle Opfer ebenso stoisch über sich ergehen lassen wie die Zuschauerinnen und Zuschauer, die bis zum Ende durchgehalten haben, den Film.
„Sag mal, was ist er? Kommunist?“
Laurenti Film vereint billigen Slapstick, ein bisschen Sprach- und Dialogwitz und niveaulosen Klamauk, besonders gern auf Kosten aus der Norm fallender menschlicher Konstitutionen (wobei Martocchias Leibesfülle eigenartigerweise nie Zielscheibe von Gespött wird), mit ein paar Nacktszenen, die jedoch beinahe zwischen Stakattogelaber, Gebrüll und geschmacklosen Sprüchen (
„Die find‘ ich auch als Leiche noch optimal, Jungs!“, unangemessen flapsiger Umgang mit dem Begriff Vergewaltigung u.ä.) unterzugehen drohen. Ständig beleidigt man sich gegenseitig in ungewohnter Schärfe, wirklich gelungene und gut gealterte Scherze lassen sich an einer Hand abzählen. Wenn der Direx irgendwo zwischen all den Pejo-Wasser/-Bitter/-Ginger-Produktplatzierungen und der prominenten Punt-e-Mes-Außenwerbung sowie dem obligatorischen J&B-Whisky-Verschnitt entnervt stöhnt
„Ich werde mich als Direktor an einem Irrenhaus bewerben – da geht’s normaler zu und die Leute sind ruhiger…“, liegt der Verdacht nahe, dass „Süße Sechzehn – Sweet Sixteen“ so etwas wie ein
Prequel zu „Der Idiotenzwinger“ ist – der schaffte es, diesen Film noch einmal zu unterbieten.
Lichtblicke sind, neben dem tief unter den Trümmern, die der unablässig feuernde Humorbrutalismus hinterlassen hat, lagernden weiblichen Kampf um die subtile Zivilisierung des Mannes und den Kampf um die wahre Liebe, die drei jungen Damen, von denen Carati ebenso sexy wie kess in Szene gesetzt wurde, es mir aber insbesondere die kurzhaarige Susanna Schemmari mit ihrem herzerwärmend frech-fröhlichen Dauergrinsen angetan hat – da hatte offenbar jemand Spaß am Dreh. Damit endet vorläufig meine Berichterstattung aus einer Parallelwelt, in der offenbar keinerlei Büstenhalter an Schülerinnen ausgegeben werden, eine Modeboutique anscheinend so viel Geld abwirft, dass man sich ganz selbstverständlich eine Haushälterin leistet, und ausgerechnet Alvaro Vitali zu einem
der Gesichter einer losen Erotikreihe wurde, der mit seinem bekannten Mut zum Grotesken Kapital aus seiner ungewöhnlichen Erscheinung schlägt – als was genau auch immer…