O.S.S. 117 greift ein
OSS 117 se déchaine
Frankreich/Italien 1963
Regie: André Hunebelle
Kerwin Mathews, Nadia Sanders, Irina Demick, Henri-Jacques Huet, Jacques Harden, Roger Dutoit,
Albert Dagnant, André Weber, Michel Jourdan, Daniel Emilfork, Henri Attal, Yvan Chiffre
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OFDB
Zu Beginn des Films werden wir erstmal darüber aufgeklärt, dass der Kalte Krieg tobt, dass Abschreckung durch Aufrüstung das einzige Mittel ist, einen Feind, der irgendwo auf der Welt einen Krieg beginnen will, in seine Schranken zu weisen, und dass Atom-U-Boote ja sowieso irgendwie das allergrößte sind. Wer Atom-U-Boote besitzt die von den anderen Nationen nicht gesehen werden können, der hat schon von vornherein gewonnen. Und wer die Mittel besitzt, Atom-U-Boote entdecken zu können, der ist noch mal mächtiger. Der hat also eindeutig den Größeren. Sandkasten. Folgerichtige Mutmaßung des Zuschauers: Er wohnt einem französischem Film bei. La Grande Nation und so …
Auf jeden Fall findet ein amerikanischer Agent, der genau so einen Unsichtbare-Atom-U-Boote-Detektor entdecken wollte, beim Tauchen auf Korsika den Tod. Aus New York wird OSS 177 geschickt, der smarte Superagent der mit allem flirtet was einen Rock anhat und bei eins nicht auf den Bäumen ist, der mit seinen Flirts sogar recht weit kommt, der stahlharte Fäuste hat und ein minimales Spesenkonto. Wieso letzteres? Weil die Autos, die er fährt, zwischen Klein- und Kleinstwagen pendeln. Aber wer braucht denn auch immer gleich einen Aston Martin, wenn er einen Peugeot haben kann? Auf jeden Fall kommt also OSS 117, der in Wirklichkeit Hubert Bonisseur de La Bath heißt, und hier der Einfachheit halber den Decknamen Hubert Landon benutzt, der Mann kommt also nach Korsika, den Tod seines Vorgängers aufklären, und am Besten auch gleich noch den besagten Unsichtbare-Atom-U-Boote-Detektor ausfindig machen und zerstören. OSS 117 ist ein kluges Köpfchen, und er stochert schnell mitten hinein in ein Wespennest. Sein erster Ansprechpartner ist der Tauchlehrer Renotte, der mit dem Agenten zusammen war als dieser starb, und der ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat. Bei Renotte lernt er außerdem die aufregende Brigitta kennen, und gemeinsam mit dieser rollt OSS 117 den Fall allmählich auf, gerät dabei immer wieder mal in Gefahr, muss sich prügeln, muss seine Intelligenz unter Beweis stellen, und versucht der Dame vom Hertz-Verleih klar zu machen, dass sie die einzige für ihn auf dieser Welt ist.
Es ist klar, dass James Bond 1962 mit DR. NO die (Kino-) Welt ziemlich gerockt hat. Und es ist ebenfalls klar, dass spätestens ein Jahr später mit LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU eine Bond-Manie den Globus erfasst hatte, die, das dürfte nun nichts Neues sein, das Genre des Euro-Spy aus der Taufe hob: Ein cooler Agent, der mit unwiderstehlichem Charme, harten Fäusten und ohne Rücksichten auf Kollateralschäden kreuz und quer durch die Welt jettet und sie (also Frau
und Welt) zwischen einem Kuss und einem Cocktail mal eben rettet. Ohne irgendwelche dämlichen Mails checken zu müssen … Entstanden sind diese Filme meist in Italien und/oder Frankreich, mit einem oder mehreren US-amerikanischen Haupt- und vielen beliebten europäischen Nebendarstellern. Es gibt gute Euro-Spy-Filme, und es gibt weniger gute. Und es gibt OSS 117.
Der ist eigentliche eine französische Romanserie, die es zwischen 1949 und 1996 auf knappe 235 (deutsche Wikipedia) bzw. 255 (französische Wikipedia) Bände brachte (zum Vergleich: Von James Bond stammen aus der Feder von Ian Fleming gerade mal 14 Romane und Kurzgeschichtensammlungen), und in den 60ern auch eine recht erfolgreiche Filmserie unter der Regie von André Hunebelle hervorbrachte. Zwar mit wechselnden Hauptdarstellern, aber das hat der Mann mit der Doppelnull schließlich auch nicht anders gemacht. Und wenn ich mir überlege, dass der erste OSS 117-Roman von 1949 ist, und der erste Bond-Roman von 1953, dann weiß ich auch, wer da mit der Nummerierung von wem abgeschaut hat …
OSS 177 also. Die Romane kenne ich nicht (in Deutschland sind die bei Moewig erschienen, aber mehr kann ich da beim besten Willen nicht zu sagen), und ob die Verfilmungen adäquat zur Schriftform sind weiß ich logischerweise ebenfalls nicht. Also schaue ich mir diesen schwarz-weißen Agentenreißer von 1963 an (wohlgemerkt dem gleichen Jahr, in dem LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU auf die Leinwände der Welt losgelassen wurde), und denke mir
Holla, was ist denn das? Das schwarzweiß-Format stört mich keineswegs, aber der Film ist irgendwie … so schrecklich ernsthaft. Keine markigen Sprüche, kein spitzbübischer Connery-Charme, keine wilden halsbrecherischen Aktionen, die Kämpfe sind zumindest zu Beginn oft mit einem Zeitraffer oder mit schlecht gesetzten Schnitten gefilmt, und die Charaktere sind so flach wie eine Kinoleinwand. Keine Ecken und Kanten, keine Besonderheiten, dafür ist alles irgendwie so eigenartig betulich. Der Held schaut verflucht gut aus, macht eine gute Figur und war beim Flirt-Unterricht bestimmt Jahrgangsbester. Der Tauchlehrer ist seltsam, aber nicht zu viel, und seine Begleitung ist eine blonde Atombombe im Anita Ekberg-Format. Später kommt noch ein ominöser Russe dazu, der aussieht und sich benimmt wie ein ominöser Russe das eben so macht (sinister schauen, Befehle zum Töten geben, sich vor dem Chef verantworten müssen, …), und der Boss ist eben der Boss: Vierkantig, fiese Fresse, hinterlistig, böse, Morde anordnen, Handlanger anschnauzen die sich vor ihm verantworten müssen. Ein Boss wie er im Buche steht …
Das soll nun nicht unbedingt heißen, dass der Film schlecht ist! Er ist nur ganz anders als man erwartet, vor allem, wenn man die Parodien mit Jean Dujardin aus den Jahren 2006 bis 2021 kennt. O.S.S. 117 GREIFT EIN hat keine aufregenden Kulissen, Musik ist praktisch gar nicht vorhanden, und die Ermittlungen von Hubert laufen so gradlinig ab, wie ein echter Polizist sich das nur wünschen würde. Wie gesagt ist das auch alles bierernst dargebracht, und ausgerechnet dann, wenn die Villa des Bosses geentert wird, und tatsächlich Spannung aufkommt, ausgerechnet dann kommen ein paar lustige Sprüche und die Musik wird burlesk. Thema verfehlt, setzen, sechs …
Trotzdem, der Film hat Charme, wenn auch vielleicht nicht ganz so viel wie der Hubert mit dem langen Namen. Er (der Film) wirkt einfach so dermaßen hilflos in seiner altmodischen Art, dass man ihn schon fast wieder liebhaben und knuddeln könnte. Verfolgungsjagden? Fehlanzeige – Für einen Hinterhalt mit dem Auto wird der Kleinwagen ein paar Meter geschoben(!). Erotische Frauen? Nö, so gut Nadia Sanders auch aussieht, aber selbst die Brustansätze bleiben züchtig verhüllt (bis auf die Szene im Taucheranzug, die dann eine ganz eigene Art der Erotik rüberbringt). Ein knalliger Showdown in aufregenden Kulissen, bei denen halb Korsika in die Luft gesprengt wird? Nun, eher eine kleinere Explosion in der Halbtotalen, die nicht einmal von OSS 117 selber ausgelöst wird. Sehr drollig auch in dem Zusammenhang die zwei Schalter an einer Stellage, die nichts anderes enthält als eben genau diese Schalter: Der weiße startet den Detektor, und der schwarze löst die Selbstzerstörung aus. Gut das wir das wissen …!
Wie gesagt, der Film hat einen gewissen Charme. Aber der Zuschauer sollte bedingungsloser Fan altmodischer und unglücklich inszenierter Filme sein, sonst könnte er sich zu Tode langweilen. Ist aber ein gewisser Hang zu dieser drögen Art der Erzählung vorhanden, dann merkt man schnell, dass nach einem mühsamen Auftakt sehr wohl Atmosphäre und eine stimmige Erzählung folgen, die zwar noch lange keine explosive Hochspannung erzeugen, aber zumindest für ein gewisses Wohlbehagen sorgen. Was ja auch schon etwas ist …
6/10