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Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: So 19. Dez 2021, 22:22
von dark_clouds
Nachdem ich kürzlich im Faden zu FULCI FOR FAKE bereits andeutete, gerade FULCI TALKS mit der Vorahnung, etwas großartiges zu sehen, vor der Linse zu haben, möchte ich hier mal ein paar Takte dazu verfassen.

Im Gegensatz zur oben genannten Talking-Heads-Doku mitsamt Spielszenen haben wir es hier mit einem einzigen Talking Head zu tun: Lucio Fulci himself. Regisseurin Antonietta De Lillo nahm im Jahre 1995 (also nicht allzu weit vor Fulcis Tod) ein sehr langes Interview mit ihm auf. Und eben jenes bekommen wir hier zu sehen. Fulci sitzt im Rollstuhl. Um ihn herum wirkt es karg, aber nicht unästhetisch. Rechts von ihm eine weiße Wand, einige Meter hinter ihm eine Wand und - teils zu sehen - ein Treppenaufgang. Kontrastreiche Ausleuchtung, Noir-Ästhetik, starker Schattenwurf an der Wand, der auch des Öfteren mal prominent ins Bild geholt wird.

Das mag man langweilig finden, aber es hilft ungemein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dem Manne zuzuhören. Bekanntermaßen war Fulci kein großer Interviewee und zumeist eher wortkarg. Dass er auch anders konnte, zeigt er hier. Wir hören vieles über seine Filme, seine Beweggründe, seine Karriereentwicklung und bemerken, dass er ein sehr belesener, durchaus kopflastiger Mensch war. Auch Humor kann man ihm nicht absprechen, versieht er seine Ausführungen hier und da doch mit einigen amüsanten Anekdoten - aber nie zu sehr, als dass man abgelenkt wird.

The problem is this: they use me and I am very happy to be used.

Wen Fulci eher wegen seiner zehnjährigen Splatter-Phase interessiert, der wird u. U. etwas enttäuscht sein - wir erfahren vieles aus seinen Anfängen, ein großer Teil handelt von der Phase unter/ mit Steno, danach mit Franco und Ciccio, aber nur wenig zu seinen Splatterfilmen. Und: Es gibt nebenbei auch interessante Eindrücke in die italienische Filmindustrie vergangener Jahrzehnte, dazu ein paar private Einsprengsel, u. a. aus seiner Kindheit, den Suizid seiner Frau und wie er damit fertig wurde und einiges mehr. Wir erfahren Fulcis fünf Lieblingsfilme (und dass er Bergmanns Filme zwar sehr mag, ihn aber nie auf eine einsame Insel mitnähme, da er sich sonst wohl von einer Klippe stürzen würde), seine Einschätzung zu Kritikern und zur Wertschätzung (nicht nur) seiner Filme. Und einige (na ja... viele) Spitzen gegen Argento darf er auch abfeuern, hui! Man mag kaum glauben, dass sie kurz danach für WAX MASK zusammenfinden sollten...

Bild- und tonseitig müssen wir natürlich damit leben, dass das Originalmaterial Mitte der 90er auf Video aufgezeichnet wurde (wahrscheinlich auf Hi8) und dementsprechend auch in der 24p-HD-Version eben nur nach Video aussieht. Trotzdem kann zumindest ich mit dem Look absolut gut leben, weil wir es hier eben mit einem absoluten Kleinod zu tun haben. Zwischendurch bekommen wir mal ein paar Störungen und Laufstreifen zu sehen, die aber zu einem großen Teil digital hinzugefügt wurden, um Schnitte abwechslungsreicher zu setzen. Ab und an bekommen wir ein Testbild dazwischen geschnitten, wenn wir einen Abschnitt wechseln. Und ja, die Regisseurin und ihr Kompagnon stellen des Öfteren die Fragen, die Fulci dann beantwortet. Manches Mal kommt auch der Regisseur in ihm durch, wenn er beispielsweise fragt, ob nicht geschnitten werden soll, weil das Telefon klingelt und sie vielleicht rangehen sollten. Meines Erachtens hilft das aber, um das Bild der Person Fulci besser einordnen zu können.

In your last moments they say your memories come flowing back,
so I might never die because I have so many, and I keep them inside me.


Letztlich sind die faszinierenden 84 Minuten sehr schnell rum. An mancher Stelle hätte man vielleicht doch noch etwas mehr zum einen oder anderen Thema gehört, aber dennoch bekommt man hier einen guten Überblick über einen Mann, der durchaus polarisierte, über den man aber wenig direkt erfahren konnte. Das findet mit FULCI TALKS nun ein Ende, da der gute hier ordentlich aus dem Nähkästchen plaudert, auch, wenn er bereits ordentlich von Krankheit gezeichnet ist und gegen Ende möglicherweise eine Hypo- oder Hyperglykämie hat (meiner Einschätzung nach eher letzteres), da er sich da ein paar Mal ganz schön verzettelt. Wirkt aber dadurch noch authentischer.

Tipp: Am Ende unbedingt den Abspann durchlaufen lassen, dann bekommt man noch einen kurzen Schnipsel aus dem Interview zu sehen, der einem unter Umständen doch noch ein kleines Tränchen aus der Glotzbuchte pressen kann...

Die Doku wurde dieses Jahr zum 25. Todestag fertig gestellt und auf dem Noir Film Festival den Interessierten präsentiert. Im nächsten Jahr wird's die Doku auch in Deutschland geben - dann mit deutschen und englischen UT zum italienischen O-Ton (,die man auch definitiv braucht, da der gute Lucio sich teilweise ganz schön extrem was in seinen Bart nuschelt, dass man einige Worte gar nicht heraushören kann) und wohl auch mit deutschem Voice-over.

Re: Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: So 19. Dez 2021, 23:30
von Arkadin
Klingt sehr interessant. Insbesondere über seine Anfänge als Komödie-Regisseur würde ich ihn gerne mal erzählen hören. Weißt Du, ob das eine separate Veröffentlichung wird oder ob das als Extra irgendwo mit dazu gepackt wird?

Re: Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: Mo 20. Dez 2021, 12:57
von buxtebrawler
Das klingt wirklich höchst interessant. Danke für die Vorstellung und die detaillierten Angaben!

Re: Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: Di 21. Dez 2021, 00:56
von dark_clouds
Arkadin hat geschrieben: So 19. Dez 2021, 23:30 Klingt sehr interessant. Insbesondere über seine Anfänge als Komödie-Regisseur würde ich ihn gerne mal erzählen hören. Weißt Du, ob das eine separate Veröffentlichung wird oder ob das als Extra irgendwo mit dazu gepackt wird?
Soweit mir bekannt, wird das eine separate VÖ. Ob jetzt rein auf BD, DVD oder in einer Sonderverpackung, weiß ich allerdings nicht.

Re: Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: Di 21. Dez 2021, 09:23
von buxtebrawler
dark_clouds hat geschrieben: Di 21. Dez 2021, 00:56 Soweit mir bekannt, wird das eine separate VÖ. Ob jetzt rein auf BD, DVD oder in einer Sonderverpackung, weiß ich allerdings nicht.
Hoffentlich kein 40-EUR-Mediabook :angst:

Re: Fulci talks - Antonietta de Lillo (2021)

Verfasst: Di 21. Dez 2021, 13:42
von dark_clouds
Zumindest den Preis würde ich mal ganz optimistisch ausschließen :wink: .