A certain sacrifice
A certain sacrifice
USA 1985
Regie: Stephen Jon Lewicki
Jeremy Pattnosh, Madonna, Charles Kurtz, Sarah Magill, Michael Dane, Russell O. Lome, Joseph Pattnosh,
Ann Pattnosh, John Joseph Pattnosh, Chuck Varesko, Karl Ludwig Selig, Ed Krakaur
- Die Rache der Liebessklaven.jpg (87.13 KiB) 122 mal betrachtet
OFDB
Dashiell lebt in New York und lässt sich treiben. Er liebt Bruna, und Bruna liebt Dashiell, aber Bruna lebt mit drei Freunden zusammen, die von ihr abhängig sind und sie vergöttern. Dashiell trifft in einem Cafe auf Raymond Hall der ihn vollschwatzt mit irgendwelcher rassistischen Kacke, bis die beiden irgendwann streiten. Als Ray Hall Bruna auf der Toilette eines Cafés vergewaltigt, während Dashiell vorne sitzt und nichtsahnend Kaffee trinkt, will Dashiell Rache. Die Liebessklaven von Bruna ziehen los, Ray Hall zu finden, und als sie ihn gefunden haben, wollen sie in einem orgiastischen und monströsen Fest sein Blut. Mindestens …
New York muss in der ersten Hälfte der 80er-Jahre ein übles Pflaster gewesen sein. Schmutzig, heruntergekommen, und mit einer schier überbordenden Verbrechensrate gesegnet. Es hieß damals, dass jeder New Yorker mindestens einmal in seinem Leben überfallen worden sei. Und sogar Überfälle in Wohnungen waren wohl sogar an der Tagesordnung.
New York war in den frühen 80ern aber in jedem Fall auch ein Ort, an dem sich die Kreativität schier überschlug. Zwischen Musikern wie Patti Smith, Henry Rollins und Thurston Moore auf der einen Seite, und Künstlern wie Keith Haring und Jean-Michel Basquiat auf der anderen Seite, durchzog eine ungeheure Schaffenskraft die Stadt. Und mittendrin eine junge und unbekannte Amerikanerin italienischer Abstammung, die ab etwa Mitte der 80er die gesamte Welt aufrollte und mehrfach zur erfolgreichsten Künstlerin der Welt gekürt wurde: Madonna.
Die wiederum spielte bereits kurz nach dem Beginn ihres Erfolgs, nämlich dem Album
Like a virgin (1984), in dem Amateurfilm A CERTAIN SACRIFICE die weibliche Hauptrolle, zeigt dort ein paar mal ihre nackten Brüste, und versuchte kurz nach dem Erscheinen des Films, im Juli 1985, die Veröffentlichung erfolglos zu unterdrücken. Die Dreharbeiten zu A CERTAIN SACRIFICE fanden eher sporadisch in den Jahren 1979 bis 1984 statt, was erklären dürfte, warum Madonna sich bereit zeigte dort mitzuspielen (denn 1985 war sie ja bereits eine erfolgreiche Künstlerin), und warum Hauptdarsteller Jeremy Pattnosh ein paar Mal zwischen den Szenen die Frisur wechselt.
Und damit wäre der Film eigentlich schon fast erklärt: Ein New Yorker Amateurfilmer dreht im Guerillastil mit Freunden, Bekannten und der gesamten Familie einen 65 Minuten langen Film auf Super-8, keiner findet den so richtig knorke, und wenn die Hauptdarstellerin nicht zufällig zum Superstar geworden wäre, dann würde heute niemand diesen Film kennen.
Wäre das schlimm? Hätten wir dann etwas verpasst? Prinzipiell eher nicht. A CERTAIN SACRIFICE macht vieles von dem falsch, was Jungmutationen halt so falsch machen. Zu lange Szenen mit Dialogen die schnell uninteressant werden, eine sprunghafte Story, ein wilder Musikmix der wenig Sinn ergibt und auch nicht immer passt - Letzten Endes einfach der Spaß am Filmemachen, gleich ob dabei am Ende was Vernünftiges rauskommt oder ob nicht. Und gleich, ob die deutsche Synchro sich in der letzten Szene den Luxus erlaubt, mit einem kurzen Dialog die Story in ihrer Pointe einfach umzudrehen, obgleich im Originalton dort gar nicht gesprochen wird.
Aber dank der kurzen Laufzeit kann man sich das Werk durchaus anschauen, und findet einige bemerkenswerte kleine Dinge darin. So spricht Lewicki alles an, was ich im ersten Abschnitt angerissen habe: Die Gewalt auf den Straßen, die hohe Kriminalität, wo die Menschen sich nicht einmal mehr in ihren Wohnungen sicher fühlen können, und damit einhergehend auch das Erstarken von Nationalismus und Rassismus. Eine Frau, die untertags auf der Toilette eines Cafés vergewaltigt wird, und der Täter verhöhnt beim Gehen auch noch den Freund des Opfers – Was für schlimme Zeiten das waren! Auf der andern Seite dann aber auch die künstlerische Seite New Yorks: Eine Frau die mit einem Springbrunnen tanzt, die eindrucksvolle Performance am Ende mit vielen Musikern und Tänzern, die zwar schmuddelige aber auch quietschlebendige Low-Grade-Kultur rund um die 42. Straße.
Es hatte damals und hat immer noch viel Leben in der Stadt die niemals schläft, und Lewicki hält die Kamera einfach drauf und filmt. Es interessiert ihn nicht, ob der Sermon von Ray Hall über die Verkommenheit von Schwarzen zu lang geraten ist, und es interessiert ihn auch nicht ob die Liebessklaven von Bruna irgendeinen Sinn in dieser Geschichte ergeben oder ob nicht. Auf eine sehr angenehme Weise versöhnt das weitgehend mit dieser nicht fehlerfreien Produktion, die einen kleinen und wirklich unverstellten Blick freigibt auf eine Zeit und einen Ort, der den wenigsten von uns in dieser Form persönlich bekannt sein dürfte, und das völlig unbeleckt von jedweder Hollywood-Sicht und sonstiger Schönfärberei, genauso wie auch der bewusst undergroundige Blick der Künstlerszene fehlt. Was ihn, bei all seinen Fehlern, dann doch wieder zu etwas Besonderem macht, denn auch wenn damals sicher hunderte solcher Filme entstanden sind – Welche davon bekommt man denn schon jemals zu sehen?
6/10