Tanzstunden-Report - Wolfgang Bellenbaum (1973)
Verfasst: Sa 29. Jan 2022, 17:47
D 1973
R: Wolfgang Bellenbaum (als John Weeran)
D: Wolfgang Draeger, Birgit Zamulo, Dorothea Rau, Siegfried Zügel, Heidi Kappler (als Natascha Verell)
Frau Amsel ist der festen Überzeugung, eine seriöse Schule für klassischen Paartanz zu leiten. Ihre Schüler sehen das jedoch anders: Auf dem Parkett wird sich fleissig warmgefummelt und in der Garderobe dann so richtig die Sau rausgelassen. Der Hausmeister macht ein paar Scheinchen extra, indem er die Abstellkammer als Spielwiese zur Verfügung stellt und der DJ geht sogar soweit, die Schülerinnen auf wilde Parties einzuladen, um sie dort an reiche Geschäftsmänner zu vermitteln. Als dann der Abschlussball stattfindet, bei dem auch die Eltern sämtlicher Schüler anwesend sind, ist der gute Ruf von Frau Amsel in Gefahr, da wieder keine Gelegenheit ausgelassen wird, in stillen Ecken den Bären zu verprügeln...(OFDB)
Erstaunlicherweise hat diese kleine Produktion es ins DVD-Zeitalter geschafft, nämlich als Bonusfilm der Schulmädchen-Report-Box. Da in jener Box jeder der 14 enthaltenen Filme ein eigenes Slim-Digi erhielt, konnte ich diesen Film mal einzeln abgreifen, als ein Cleverle eben nur diesen einen Film aus der Box losschlagen wollte.
Tatsächlich hat dieser Film mit der SMR-Reihe überhaupt nichts zu tun, und auch der berüchtigte Wolf C. Hartwig und seine Rapid-Film waren hier völlig unbeteiligt. So kann dann auch alles relaxter ablaufen als bei Hartwigs teilweise widerwärtigem Geschmiere. Keine überhöhte Dramatik, keine Vergewaltigungen, kein Inzest. Wenn hier zwei Jugendliche im Keller auf dem Sofa von der Nachbarin erwischt, zeigt diese sich erleichtert; hatte sie doch befürchtet, dass dort geraucht würde. DJ Horst verteilt Einladungen an die Pärchen für frivole Privatpartys eines "Ebbs" genannten reichen Geschäftsmannes, wo jedoch nichts schlimmeres passiert, als dass Ebbs Nacktfotos von sich und den Girls macht, um bei seinen Geschäftsfreunden Eindruck zu schinden, obwohl er eigentlich massive Potenzprobleme hat. Hausmeister Siggi gelingt es, die sittenstrenge Frau Amsel und DJ Horst gegeneinander so auszuspielen, dass Horst umgehend gefeuert und er selbst zum Plattenreiter aufsteigt. Allerdings öffnet er beim Abschlussball den Vorhang zu früh, hinter dem das für den Solotanz auserkorene Pärchen noch eingehend miteinander beschäftigt war. So machen die beiden aus der Not eine Tugend und absolvieren ihren Tanz kurzerhand komplett nackt. Während Frau Amsel vor Scham im Dancefloor versinken möchte, ist einer der anwesenden Väter jedoch von dieser kreativen Idee begeistert ("klassischer Tanz und klassische Kostüme"). Siehste Wolf, so macht man det!
Gleichwohl war noch genug Luft nach oben vorhanden. Die Darsteller wurden vermutlich alle nachsynchronisiert (man kann dabei auch Thomas Danneberg vernehmen), wobei man Frau Amsel sächseln ließ. Die exotische Jane mit hawaiianischen Vorfahren babbelt hessisch, da aus Frankfurt-Sachsenhausen. Hausmeister Siggi muss jeden Satz stottern und die etwas drallere Lisa wird wegen ihrer Körperformen abgelehnt. Und mit Ausnahme der Schulleiterin scheint bei Männlein und Weiblein die Gedankenwelt nur aus den Buchstaben S, E und X zu bestehen.
Der Wellnessbereich von Ebbs' Villa dürfte für 70er-Afiocionados ein farbliches Muss darstellen. Und Heidi Kappler und die mir unbekannte Carmen van der Poel (als Jane) verwöhnen die Augen des Zuschauers.
Als Bonus zum Bonus ist auf der DVD noch die 60minütige Doku "Von Sex bis Simmel" drauf, die 2004 für ZDF und ARTE entstand, in der es um den deutschen Film in den 70ern zwischen SMR und Autorenfilm geht. Wolf C. Hartwig wird interviewt, und es lohnt sich, da mal auf seine Körpersprache zu achten, wie er sich dabei windet. Gila von Weitershausen erzählt von der Schwabinger Szene um May Spils und Werner Enke sowie ihren "Engelchen"-Film. Margarethe von Trotta macht die Sexfilmer dafür verantwortlich, dass sich das Bildungsbürgertum vom Film abwandte und macht klare Unterschiede ("Wir machten Filme, die machten Kino") und für Edgar Reitz war das Kommerzkino indiskutabel. Er hat ja völlig recht, dass der bayerische Lederhosen"humor" nun wirklich überhaupt nichts erotisches an sich hatte, und zugleich wirkt er ungeheuer anmaßend.