The Postcard Killings - Danis Tanovic (2020)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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The Postcard Killings - Danis Tanovic (2020)

Beitrag von jogiwan »

The Postcard Killings

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Originaltitel: The Postcard Killings

Herstellungsland: USA, GB / 2020

Regie: Danis Tanovic

Darsteller:innen: Jeffrey Dean Morgan, Famke Janssen, Naomi Battrick, Ruairi O'Connor, Cush Jumbo, Joachim Król

Story:

Der New Yorker Ermittler Jacob Kanon ist ein gebrochener Mann, seit seine frisch vermählte Tochter und ihr Gatte in London das Opfer eines mysteriösen Serienkillers geworden sind. Dieser macht seit geraumer Zeit Europa unsicher und drapiert seine Opfer im Stil bekannter Kunstwerke und schickt dann Postkarten an einen Reporter in die Stadt, in der er dann sein nächstes Opfer findet. Während die europäischen Ermittler mehr auf das psychologische Profil setzen, geht das Jacob alles zu langsam und er beginnt selbst mit Nachforschungen und nimmt Kontakt mit einer Reporterin in Stockholm auf, die ebenfalls eine Postkarte erhalten hat. Mit vereinten Kräften und allerlei Hinweisen kommt setzt man das Puzzle zusammen und kommt so auch dem Täter auf die Spur, der mit seinem „künstlerischen Ambitionen“ noch lange nicht am Ende ist…
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jogiwan
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Re: The Postcard Killings - Danis Tanovic (2020)

Beitrag von jogiwan »

Der Auftakt von „The Postcard Killings“ ist ja eigentlich ganz vielversprechend und erinnert an Filme wie „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“ und der Serienkiller mit Kunstanspruch geht ja auch recht herb zu Werke. Die Figur des amerikanischen Ermittlers in Europa entstammt aber wieder mal ganz tief aus der Klischeekiste und nach einem netten Twist in der Mitte fährt der Film dann doch mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Wand. Nicht dass andere Thriller auch mal unglaubwürdig oder konstruiert erscheinen, aber hier wird vom Zuschauer schon ein sehr hohes Maß an inhaltlicher Toleranz abverlangt. Hier wirkt einfach alles von A bis Z völlig konstruiert und haarsträubend und wirkt die naive amerikanische Sicht, die Europa wie ein Dorf wahrnimmt. Die Ermittler reisen ständig von einer europäischen Stadt in die nächste um sich auf einen Kaffee zu treffen, die entscheidenden Hinweise stammen natürlich meist vom amerikanischen Ermittler, der voller Respekt mit seinen ruppigen Methoden in die Ermittlungen miteinbezogen wird und wenn dann auch noch zahlreiche Nebenhandlungsstränge ins Spiel kommen, ist dann hat sich so etwas wie Logik oder Wahrscheinlichkeit eh schon längst verabschiedet. Sicherlich ist „The Postcard Kilings“ schon unterhaltsam und vielleicht auch nicht schlecht gemacht, aber ich frage mich schon, wer den Machern das alles abkaufen soll. Zwischendurch darf ja durchaus geschmunzelt werden und ich kann mir nicht vorstellen, dass das auch wirklich so beabsichtigt ist.
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Maulwurf
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Re: The Postcard Killings - Danis Tanovic (2020)

Beitrag von Maulwurf »

 
The Postcard Killings
The postcard killings
USA/Großbritannien 2020
Regie: Danis Tanovic
Jeffrey Dean Morgan, Famke Janssen, Naomi Battrick, Ruairi O'Connor, Cush Jumbo, Joachim Król, Eva Röse, Lukas Loughran, Steven Mackintosh, Dylan Devonald Smith, Sallie Harmsen, Pål Espen Kilstad


The Postcard Killings.jpg
The Postcard Killings.jpg (193.16 KiB) 84 mal betrachtet
OFDB

Ein Serienmörder geht um in Europa. In London, Madrid, München, Stockholm werden jung verheiratete Paare gefunden, die in grauenhaft zerstückelter Art berühmten Kunstwerken nachempfunden sind, die in ebendiesen Städten in den Museen stehen. Einzig der New Yorker Cop Jacob Konan, dessen Tochter und Schwiegersohn die Londoner Opfer sind, erkennt die Zusammenhänge und schafft es, die durch die europäische Bürokratie voneinander getrennt ermittelnden Polizisten zusammen zu bekommen. Und trotz oder vielleicht auch wegen seiner persönlichen Einbindung in den Fall, findet Jacob eine Spur, die zu einem durch Europa reisenden und frisch verheirateten Pärchen führt …

Was an THE POSTCARD KILLINGS zuerst auffällt ist diese Ruhe. Diese angenehm andersartige Stille die sich bei den Ermittlungen ausbreitet. Diese bemerkenswert laute Abwesenheit von Schießereien oder Verfolgungsjagden, stattdessen beobachten wir die Hauptfigur Jacob, immerhin 30 Jahre Mordermittler in New York, der beim Anblick der Hand seiner Tochter zusammenbricht und weint. Viel lauter weint, als es Explosionen und Atemlosigkeit in anderen modernen Filmen vorgeben.

Das soll aber noch lange nicht heißen, dass THE POSTCARD KILLINGS ein stiller und Langeweile verbreitender Arthouse-Schmarrn ist. Im Gegenteil kann der Film fast von Beginn an eine latente Spannung verbreiten, die durch die sprunghafte Erzählstruktur unmerklich anhält und den Zuschauer keine Sekunde loslässt. Vergangenheit und parallele ablaufende Stränge der Gegenwart vermischen sich mit assoziativen Bildstrukturen und dem Nichtwissen des Zuschauers, welches Pärchen denn hier eigentlich gerade beobachtet wird – Die Killer, unbeteiligte Touristen, oder die Tochter von Jacob? So ergibt sich ein pointillierendes Muster aus Kunst und Grausamkeit, das die Höhepunkte europäischer Kunstgeschichte wiederspiegelt und gleichzeitig mit David Finchers SIEBEN eine prickelnde Allianz eingeht. Dazu passt dann auch irgendwie, dass der Showdown in der karelischen Schneewüste vor einem weißen und konturlosen Hintergrund spielt, der die eigentlich vollkommen irrwitzige und unlogische Geschichte endgültig ins Abstrakte und Künstliche hebt.
Daneben werden aktuelle europäische Probleme angesprochen und wird das Hemmnis der übergreifenden Bürokratie karikiert, aber Jacob Konan ist angenehmerweise niemals ein TAKEN-Liam Neeson, der den Europäern zeigt wie ein amerikanischer Haudrauf solche Probleme löst. Jacob muss sich den hiesigen Sitten und Gebräuchen anpassen und lernen, dass Europa noch lange nicht die gleiche Einheit bildet wie es die USA sind, und die Gewalt mordender Serienkiller hier noch lange keine entsprechende Gegengewalt der Exekutive erzeugt.

Narrativ gesehen ist THE POSTCARD KILLINGS freilich totaler Quatsch, und der Gedanke drängt sich auf, dass tatsächlich allmählich alle Geschichten erzählt wurden. Aber die Umsetzung ist etwas Besonderes! Ein cineastisches Kunststück, dass einen angenehm unblutigen modernen Thriller mit ebenso angenehmen altmodischen Figuren verbindet und Spannung erzeugt, indem sich auf die Mittel des Mediums Film besonnen wird, und nicht auf die Mittel von Smith & Wesson und explodierenden Autos. Schön, dass es solche Filme noch gibt!

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