Go Home - A casa loro - Luna Gualano (2018)
Verfasst: Di 3. Mai 2022, 14:14
Originaltitel: Go Home - A casa loro
Produktionsland: Italien 2018
Regie: Luna Gualano
Cast: Antonio Bannò, Sidy Diop, Shiek Dauda, Awa Koundoul, Cyril Dorand Domche Nzeugang, Pape Momar Diop
Kürzlich hatte ich mir anlässlich der Debatte darum, dass ARTE einen in Deutschland beschlagnahmten Film gezeigt hat, noch einmal nach vielen Jahren George A. Romeros DAY OF THE DEAD besehen. Der bisherige Eindruck, den ich von dem Streifen besaß, wurde vollumfänglich bestätigt: Durch diese sehr wenig kontrastreiche Schwarzweißzeichnung und durch die Vorwegnahme dessen, was man heute als „Politische Korrektheit“ umschreiben würde, mutet der Film, nüchtern betrachtet, doch arg wie ein Lehrstück an: Der einzige Afroamerikaner der Gruppe, die einzige Frau der Gruppe, der White-Trash-Säufer der Gruppe zusammen im Außenseiterpferch; dazwischen die Kaste der Wissenschaftler; und ganz oben thront das Militär, dessen Machtkämpfe natürlich das finale Massaker befeuern. Einmal jenseits der wüsten Splatter-Exzesse passt DAY OF THE DEAD demnach, meiner Meinung nach, ins derzeitige politische Klima wie die Faust aufs Auge: Als ob Romero im Hinterkopf gehabt hätte, einen Film für einen Gesellschaftsutopie ohne Diskriminierung anhand von Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung zu drehen, die Mitte der 80er genauso wenig absehbar gewesen ist wie heute.
Seinen Namen hergegeben hätte Romero allerdings ganz sicher nicht für den italienischen Zombiefilm GO HOME aus dem Jahre 2018, der sozusagen die Kehrseite der Medaille bildet: Sicherlich gutgemeint ist das Projekt von den Verantwortlichen gewesen, nur leider erweist sich die Umsetzung als ein derart viellöchriger Käse, dass weder das Publikum noch die Zombies etwas zu beißen haben. Konkret geht es um Folgendes: Vor einem Flüchtlingsheim findet eine Demonstration „besorgter Bürger“ statt; Jüngling Enrico ist beim Skandieren fremdenfeindlicher Parolen ganz vorne mit dabei; dann allerdings bricht aus heiterem Himmel eine Zombie-Pandemie aus, sprich, die Demonstranten verwandeln sich allesamt in menschenfleischhungrige Ungetüme; einzig Enrico kann entkommen – und findet Zuflucht ausgerechnet im Flüchtlingsheim, für dessen Abschaffung er zuvor plädiert hat. Von dieser Grundprämisse ausgehend präsentiert uns Regisseurin Luna Gualano einen Panoramablick auf die Schicksale derjenigen Menschen, die in besagter Unterkunft untergebracht sind: Eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn; eine Gruppe junger Männer; ein Hüne, dessen Lippen kaum ein Wort verlässt, - und unser Freund Enrico wandelt sich vom schnaubenden Rechtsextremen zum liebevollen Gutmenschen, der mit einem kleinen Buben afrikanischer Provenienz den halben Tag Fußball spielt, während draußen die Untoten toben…
Allein die Grundprämisse bereitet ja schon Kopfschmerzen: Viel plakativer kann man eine Parabel auf die Migrationspolitik Europas ja kaum anfassen, als dass man migrationskritische Stimmen mit dem Zombie-Stigma versieht, und das kulturelle Potpourri eines Flüchtlingsheims wiederum als erstrebenswerte Utopie inmitten des brausenden Rechtspopulismus stilisiert. Dennoch: Aus dem Stoff hätte ja durchweg ein interessanter Film werden können, wenn sich GO HOME nicht derart fulminant zwischen alle Stühlen setzen würde, dass sein Gesäß kaum eine Sitzfläche berührt: Als Zombie-Genre-Film taugt GO HOME nicht, weil es schlicht viel zu wenig Zombie-Action zu sichten gibt, (und schon gar keine gorigen Effekte, falls danach jemand hechelt); als ernsthaftes Drama, das das Leben in einer Flüchtlingsunterkunft illustrieren möchte, taugt GO HOME nicht, weil er viel zu wenig Aufwand und Fingerspitzengefühl für seine Figuren aufbringt, die im Grunde allesamt als schematische Silhouetten umherwandeln; als technisch-ästhetisch bemerkenswerter Film taugt GO HOME nicht, weil die Mise en Scene teilweise auf Amateur-Niveau vor sich hinplätschert, weil der Cast sich, wohlwollend ausgedrückt, wenig mit Ruhmesblättern bestückt, und weil die gesamte Chose dramaturgisch derart unaufgeregt daherkommt, dass man beinahe schon von einer Anti-Klimax sprechen könnte, - und hinzu addieren sich dann noch all die Momente, wo es wirkt, als wolle Frau Gualano ihre eigene politische Überzeugung predigerhaft ans Publikum delegieren.
Ebenfalls kürzlich habe ich den derzeit über-gehypten THE SADNESS geschaut: Meiner Meinung nach ein Zombie-Film von der Stange, dessen Corona-Bezug rudimentär ist, und bei dem die Tagline „härtester Film aller Zeiten“ ein bloßes Gimmick ist, das zum Hartboxen-Kaufen anregen soll. Im Gegensatz zu GO HOME ist THE SADNESS indes aber immerhin ein Film, der unterhält, der irgendetwas zu erzählen hat, selbst wenn es nicht viel sein mag, und der sich durchaus eigenständig im Zombie-Genre verortet, - alles Dinge, die GO HOME nicht bereithält, und die sich offenbar auch völlig außerhalb seines eigenen Anspruchs befinden. Dieses didaktische, pädagogische, ostentativ woke Kino ist für mich ein Kino zum Abgewöhnen. Als ob man auf einem linkspolitischen Workshop zu Einwanderung und Migration auf die Idee gekommen wäre: Hey, Leute!, mit Zombies sieht das doch alles viel cooler aus! Dann besser den Workshop ohne Zombies oder die Zombies ohne Workshop, meine Güte...