Im Jahre 2016, also zwei Jahre, bevor der WDR eine Sendereihe mit Themenschwerpunkt auf den 1980ern begann (die laut WDR von 1980 bis 1989 reichten, 1990 als eigentliches zehntes Jahr der Dekade also ausgespart wurde), die u.a. die zehnteilige Dokureihe „Unser Land in den 80ern“ und Marion Förschings abendfüllenden Dokumentarfilm „Generation Walkman – Unsere Jugend in den 80ern“ hervorbrachte, war es an Heiko Schäfer, innerhalb eines ganz ähnlichen Formats das Jahrzehnt Revue passieren zu lassen: Sein rund 90-minütiger Dokumentarfilm „Die verrückten 80er – Das Lieblingsjahrzehnt der Deutschen“ verfolgt ein ähnliches Konzept und ist ebenfalls eine WDR-Produktion, die der in der (meist westlichen) Retrospektive zum Kult gewordenen Dekade huldigt. Es handelt sich um die Fortsetzung von „Die verrückten 70er – Das wilde Jahrzehnt der Deutschen“. Im Jahre 2021 reichte der WDR „Die verrückten 60er – Das spektakulärste Jahrzehnt der Deutschen“ nach.
In chronologischer Reihenfolge und mit zeitgenössischen Musikstücken unterlegt wird Globales mit Lokalem, Politik mit Popkulturellem, Technologisches mit Gesundheitlichem kurz und knackig, aber eben auch entsprechend oberflächlich miteinander vermischt und abgehandelt. Die Perspektive ist, wie der Titel schon suggeriert, eine deutsche, allein schon deshalb, weil fast ausschließlich deutsche Prominente zu Wort kommen, die auf anhand zahlreicher Archivaufnahmen präsentierter Ereignisse und Phänomene reagieren. Begleitet werden sie dabei von Susanne Hampl, die alte Originalaufnahmen süffisant aus dem
Off kommentiert.
Vor der Kamera versammelt haben sich die Schauspieler(innen) Annette Frier, Ann-Kathrin Kramer, Hannes Jaenicke und Susanne Pätzold, Kabarettist Frank Goosen, die Kölschrock-Musiker Peter und Stephan Brings sowie der Politiker und ‘80er-Bundesminister Norbert Blüm. Einen US-amerikanischen Blickwinkel ergänzt der Komiker John Doyle.
Folgende Themen werden angerissen:
- Russischer Einmarsch in Afghanistan (ultrakurz)
- Gründung der Partei „Die Grünen“
- Zauberwürfel
- Ronald Reagan (ultrakurz)
- John Lennons Ermordung
- Walkmen
- LCD-Telespiele und Senso
- Attentate auf Reagan, den Papst und Anwar al-Sadat
- „Tatort“-Kommissar Schimanski (Götz George)
- Lady Dis und Charles‘ Heirat
- Friedensbewegung
- Fernsehserie „Das Traumschiff“
- Der DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“
- Mode
- Falkland-Krieg
- Sängerin Nicoles Grand-Prix-Sieg
- Deutscher Regierungswechsel
- Aerobic
- Atari-Konsolen
- C64 (ultrakurz)
- Kindersendung „Spaß am Dienstag“
- Audio-CD
- BMX-Fahrräder
- Bundestagswahl 1983, Grüne im Bundestag
- Volkszählung
- Rheinhochwasser
- Vermeintliche Hitler-Tagebücher
- Aids
- Punks versus Popper und Subkulturen allgemein
- Frisuren
- Waldsterben
- NDW (ultrakurz)
- BAP in DDR (ultrakurz)
- Gurtpflicht in Kfz
- Ghettoblaster und Breakdancing
- Trivial Pursuit
- „Masters of the Universe”-Actionfiurenreihe
- Massentourismus
- Smogalarm
- Turnschuhe im Alltag
- Markenwahn
- Sowjet-Politiker Gorbatschow (ultrakurz)
- Tennisspieler Boris Becker
- Fernsehserie „Schwarzwaldklinik“
- Fernsehserie „Lindenstraße“
- Mikrowelle
- Skateboards
- Explosion der Challenger
- Kölsch-Konvention
- Gorbatschow in DDR
- Tschernobyl
- Falsche Neujahrsansprache Helmut Kohls
- Türkeiöffnung Richtung Westen
- Rusts Flug auf roten Platz
- Tennisspielerin Steffi Graf
- Würmer in Speisefischen (!)
- Uwe Barschel
- Birkenstock-Latschen
- Kinofilm „Dirty Dancing“
- Abrüstung
- Kälbermast-Hormonverseuchung
- Ben Johnsons Doping bei den olympischen Spielen 1988 (ultrakurz)
- Gladbecker Banküberfall und Geiselnahme
- Ramstein-Flugschaukatastrophe
- Brillen
- CD-Rekorder
- Videorekorder
- Computerviren
- gewaltsame Protestniederschlagung in China
- Kommunalwahlen in der DDR und die Folgen
- Lambada-Tanz
Es handelt sich also um einen unheimlich viel abdeckenden Rundumschlag, der für manch Thema nicht mehr als einzelnen Satz übrighat. Die chronologische Sortierung aber ist gut gelungen und bei der Auswahl der Prominenten gab man tendenziell angenehmen Zeitgenossinnen und -genossen den Vorrang gegenüber fragwürdigen C- bis Z-Sternchen – wenngleich manch Bekanntheitsgrad der Beteiligten außerhalb des WDR-Einzugsgebiets rapide abfallen dürfte. Dass auch vor unangenehmen Erscheinungen der 1980er nicht Halt gemacht wird, ist in einer solchen auf Unterhaltung und Kurzweil ausgerichteten Doku nicht selbstverständlich und bewahrt vor Verklärung. Die Balance zwischen unerfreulichen Ereignissen/Entwicklungen und Zeiterscheinungen, in die man sich gern sentimental zurücknostalgiert oder die für Amüsement sorgen, wird passabel bewahrt, ohne den Eindruck zu vermitteln, das eine mit dem anderen aufwiegen zu wollen. Die Gewichtung der Themengebiete wird jeder unterschiedlich empfinden, meines Erachtens vielleicht etwas überrepräsentiert sind reine Medienereignisse wie Fernsehserien, viel zu kurz hingegen kommt der Fußball (der schlicht nicht stattfindet – Schäfer scheint eher Tennisfan zu sein). Für das, was es sein will, ist „Die verrückten 80er“ eine sehenswerte Retrospektive, die einen groben, aber breitgefächerten, boulevardesk bunten Überblick vermittelt, der dazu einlädt, als interessant empfundene Teilbereiche mithilfe anderer Produktionen oder Medien zu vertiefen.