Dracula - Mario Salieri (1994)
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Dracula - Mario Salieri (1994)
Originaltitel: Dracula
Produktionsland: Italien 1994
Regie: Mario Salieri
Cast: Selen, Deborah Wells, Joy Karins, Simona Valli, Draghixa, Ron Jeremy, Nicky Ranieri, Franck David
„Questa e‘ una favola naif raccontata con ingenuita’ e passione liberamente inspirata al romanzo di Bram Stoker”, heißt es im Vorspann von Mario Salieris DRACULA. Tatsächlich springt der italienische Pornofilmer mit seiner Vorlage derart frei um, dass sein Werk wie das Komplementärstück zur buchstabentreuen Adaption Francis Ford Coppolas wirkt, die nur zwei Jahre früher in die Kinos gelangt ist, und von der Salieri möglicherweise zu seiner eigenen Blutsaugerromanze inspiriert wurde…
Wie bei Coppola setzt auch das von Salieri verfasste Drehbuch im Rumänien des Jahres 1490er ein, als der walachische Woiwode Vlad Tepes sein Fürstentum blutig gegen die Streitmächte der Osmanen verteidigt. Zu Beginn versucht dieser durchaus charismatische und wenig seinem Spitznamen des „Pfählers“ gerecht werdende Herrscher seine Ehefrau dazu zu bewegen, sich über die Landesgrenzen ins Exil abzusetzen. Vlads Gattin jedoch schwört ihrem Liebsten ewige Treue: Lieber möchte sie an seiner Seite sterben als ohne ihn fernab ihrer Heimaterde leben. Kurz darauf ist es indes Vlad, der in ihren Armen stirbt, nachdem er auf dem Schlachtfeld tödlich verwundet worden ist. Es dauert keine zwei Filmminuten bis die Truppen des Sultans sich über den vakanten Thron hergemacht haben. Vlads Burg verwandelt sich in einen Sündenpfuhl, in dem Laster und Unzucht Tür und Tor offenstehen; seine Ehefrau wird kurzerhand von den neuen Machthabern ins Verließ geworfen und als Sexsklavin missbraucht. Angesichts des um sich greifenden Sittenverfalls entscheidet sich Vlads Witwe dafür, ihrem Mann ins Grab zu folgen: Sie stürzt sich von einem Turm in den Tod, während um sie herum noch immer Sodom und Gomorrha toben.
Etwa zehn Minuten sind bis hierhin bereits vergangen, bevor uns ein jäher Schnitt ins England des Jahres 1887 versetzt. Dort lernen wir drei Schwestern kennen, die sich einer unverhofften Erbschaft gegenübersehen: Eine mittelalterliche Burg irgendwo in Transsylvanien soll es sein, die in ihren rechtmäßigen Besitz übergegangen ist. Da die Mutter der Mädchen unter einer rätselhaften Krankheit leidet, beschließt ihr Vater, seine Töchter unter der Obhut eines Cousins nach Rumänien reisen zu lassen, um das alte Gemäuer in Augenschein zu nehmen. Kaum aber haben die jungen Frauen ihr Elternhaus verlassen, verschlechtert sich der Zustand der Frau Mutter zusehends: Ein herbeigerufener Arzt wundert sich noch über die vermeintlichen Insektenstiche in ihrer Halsgegend, als die Dame sich plötzlich in die greise Version Linda Blairs verwandelt, und grünen Schleim erbricht. Zu dem Zeitpunkt sind ihre Töchter und der Cousin längst in Osteuropa angelangt, wo man Rast in einem Gasthof macht. Schnell wird klar, dass der Cousin nicht zu den lautersten Gesellen gehört: Gemeinsam mit dem zwielichtigen Kutscher plant er, seine Cousinen über den Jordan zu schicken, um sich selbst die ehemaligen Woiwodenresidenz unter den Nagel zu reißen. Während er sich in Gesellschaft eines Burschen, den er in der Wirtsstube kennenlernt, mit der örtlichen Magd vergnügt, ist sein Assistent bereits dabei, die inzwischen in Vlads Mauern umherspazierenden Frauen eine nach dem andern zunächst zu notzüchtigen und dann einen Kopf kürzer zu machen. Womit weder Cousin noch Kutscher gerechnet haben: Unter Draculas Dach treibt auch eine Vampirin ihr Unwesen, die sowohl nach dem Lenden- wie dem Adernsaft männlicher Opfer giert. Außerdem hat sich ein Privatdetektiv dem Gaunerduo an die Fersen geheftet, gesandt vom Vater unserer drei Heldinnen, der wittert, dass ihnen in Transsylvanien ein schlimmes Schicksal blühen soll…
So viele Logiklöcher innerhalb der Story, so viele Stolpersteine und Sackgassen, so viel Sand im Getriebe, dass es eigentlich ohrenbetäubend knirschen müsste, und trotzdem: DRACULA ist der erste Film Mario Salieris, der mir zu Gesicht kommt, und er macht Lust auf mehr, - und da ich bei Hardcore-Pornos normalerweise sehr schnell ermüde, heißt das, dass Salieri mit seiner unterhaltsamen, kurzweiligen, charmanten Mixtur aus Kostümschinken, Liebesdrama, Genre-Pulp und natürlich etlichen Großaufnahmen von kopulierenden Geschlechtsteilen offenbar vieles richtig bzw. anders gemacht als viele vergleichbare Fleischfilmer. Deshalb möchte ich mich auch gar nicht erst großartig auf die Ungereimtheiten des Skripts einschießen, auf die Frage, weshalb denn die Mutter im fernen England vampirisch verseucht ist, wo der einzige nennenswerte Vampir des Films doch erst kurz vorm Finale in Rumänien aus seinem Sarg steigt, wieso eine englische Bürgersfamilie denn überhaupt das ehemalige Schloss eines walachischen Fürsten erbt, oder warum der Film eigentlich DRACULA heißt, wo das Oberhaupt der Sanguiniker doch lediglich im Prolog auftaucht und dann lediglich in der Schlussszene einmal kurz zu sehen ist? Ebenso sehe ich einmal gnädiger darüber hinweg, dass die meisten Kopulationsszenen in ihrer heteronormativen Hörigkeit natürgemäß mit dem männlichen Samenerguss ihren Abschluss finden, während der Höhepunkt der weiblichen Teilnehmer eher zweitrangig zu sein scheint, dass es auch hier durchaus problematische Vergewaltigungsszenen gibt, bei denen die Opfer, kaum dass sie einmal entkleidet ist, doch plötzlich Gefallen an ihrer submissiven Rolle finden, und dass DRACULA heillos unterbelichtet ist, was ich wohlgemerkt allein auf die katastrophale Beleuchtungssituation in vielen Szenen bezogen wissen möchte.
Stattdessen mag ich lieber aufzählen, was mich an diesem Streifen positiv überrascht hat:
1. Obwohl DRACULA natürlich zuallererst ein Pornofilm ist, dessen Primärziel darin besteht, so viel Laufzeit wie möglich mit expliziten Sexualschilderungen zu füllen, scheint Salieri doch sichtlich darum bemüht, eine dramaturgisch halbwegs runde Geschichte zu erzählen, die nicht bloß halbseidenes Alibi für die mannigfaltigen Balzereien ist. Natürlich ergeben sich wenige der Sexszenen homogen aus der Handlung und natürlich stagniert der Plot oft und gerne, um uns mit den Intimbereichen seiner Protagonisten vertraut zu machen. Ebenso gibt es jedoch auch längere Segmente, in denen keine der Figuren blankzieht. Hinzukommt, dass die meisten Sexszenen vergleichsweise kurz und abwechslungsreich gehalten sind. Es wirkt, als habe Salieri längere Sexualeskapaden gefilmt, aus diesen dann aber sozusagen die „Highlights“ herausgepickt. Die sinnlichen Stelldicheins erhalten dadurch eine fragmentarische Flottheit, die es schafft, die Monotonie, die sich bei mir sonst üblicherweise bei derartiger Filmkost einstellt, weitgehend auf Abstand zu halten.
2. Obwohl DRACULA natürlich zuallererst ein Pornofilm ist, scheint er mehr Produktionskosten verschlungen zu haben als in diesem Genre üblich sind: Allein die Kostüme und die geschmackvoll eingerichteten Studiointerieurs sowie all die Momente, in denen Salieri ein Gespür für einprägsame Bildkompositionen, eine elegante Kameraarbeit und eine virtuose Montage beweist! Natürlich wird niemand, der mehr als einen Seitenblick auf vorliegenden Film wirft, auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, DRACULA sei keine pornographische Direct-to-Video-Produktion. Trotzdem bin ich regelrecht verblüfft über ein Bild wie das, das uns Salieri präsentiert, um uns das Martyrium von Vlads Ehefrau zu illustrieren, nachdem die Osmanen das Fürstentum an sich gerissen haben: Angeordnet wie ein Triptychon sind die Köpfe von zwei schwanzlutschenden Prostituierten sowie das leidvolle Gesicht von Vlads Ehefrau mit ihren gesenkten Augen, während direkt vor ihrer Nase das steife Glied eines Osmanen in die Höhe ragt – eine wirklich ungewöhnliche Bildkomposition, die zum einen augenzwinkernd auf Renaissance-Malerei verweist, zum andern das Schicksal der im Bildmittelpunkt befindlichen Protagonistin in einer einzigen ikonischen Momentaufnahme kondensiert.
3. Obwohl DRACULA natürlich zuallererst ein Pornofilm ist, hat Salieri, wie bereits in meiner kursorischen Inhaltsangabe gezeigt, seine Vorlage derart gegen den Strich gebürstet, auf den Kopf gestellt, in sämtliche Windrichtungen zerfleddert, dass sein Drehbuch einen ganz eigenen surrealen Reiz entfaltet, der sich nicht zuletzt auch aus dem verspielten Jonglieren mit tradierten Topoi speist. Stellenweise erweckt DRACULA den Eindruck, wir würden uns durch ein ganzes Spiegelkabinett an Gothic-Novel-Versatzstücken bewegen, betrachtet durch das beschlagene Vergrößerungsglas zeitgenössischer Pornographie: Die arglosen und unschuldigen Heldinnen, die wider Willen und trotz reiner Herzen von sinistren Schurken molestiert werden; der raffgierige Cousin als moderne Variante des obligatorischen Gothic Villains; der sexuell hyperaktive, ansonsten eher tumbe Kutscher bzw. Auftragskiller, (verkörpert von Ron Jeremy, dessen unattraktive Präsenz mir diesen Film nicht vergällen konnte); die untote, geisterhafte, schleierbewehrte weiße Frau und die sukkubusartige Vampirin, die beim orgiastischen Höhepunkt ihre Eckzähne spitzt – und am Ende ist DRACULA dann auch noch kitschig wie ein empfindsamer Briefroman: „Love Never Dies“ ist dem Film als Motto hintangestellt, nachdem sich eine unserer Heldinnen als Reinkarnation von Vlads Eheweib herausgestellt hat und sich die Liebenden nach Jahrhunderten des Getrenntseins endlich im Grab wiedergefunden haben.
Zunächst dachte ich übrigens, da sich die mir vorliegende Fassung des Films bei einer Laufzeit von unterhalb siebzig Minuten einpendelt, ich sei an eine gekürzte Version von DRACULA geraten. Aber nein, das scheint tatsächlich die vom Regisseur intendierte Fassung zu sein. Auch hierin zeigt sich Salieris Fingerspitzengefühl. Die geringe Laufzeit macht die Inszenierung umso kompakter, vermeidet Leerlauf, treibt die im besten Sinne krude Handlung noch mehr einer Collagenhaftigkeit in die Arme, wie sie mir aus der Seele spricht. Ja, ich bin wirklich ein bisschen verzückt von diesem unvorhersehbare Haken schlagenden Film, der mich zwar sexuell kaum affiziert hat, sich jedoch für mich als derart randvoll mit bizarren und kreativen Einfällen entpuppt hat, dass ich große Lust habe, mich weiter im Katalog dieses scheinbar exzeptionellen Sexfilmers umzuschauen.
Re: Dracula - Mario Salieri (1994)
Probiere mal "Memories of a Lifetime" aus. Also nicht, dass ich so ein schmutziges Zeugs kennen würde , aber wenn... dann wäre ich über dieses Direct-to-Ferkelvideo sehr erstaunt gewesen.
Früher war mehr Lametta
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Re: Dracula - Mario Salieri (1994)
Habe den vor Ewigkeiten mal gesehen. Man kann Salieri als Regisseur bzw. seinem Label einen eigenen Stil schon nicht absprechen, auch wenn ich das jetzt nicht so eloquent und detailliert wie Salvatore wiedergeben kann. Z. B. sind mir da auch bei den Sexualakten immer wieder einige relativ ungewöhnliche Kameraeinstellungen aufgefallen. Auch die angesprochene dunkle Optik, sei es durch die sparsame Beleuchtung oder auch durch die Einrichtung bzw. viel dunkle Bekleidung, zieht sich recht konsequent durch die Filme. "Concetta Licata" mit Selen in der Hauptrolle fand ich da (glaube ich) am ansprechendsten. Für einen Hardcorefilm auch eine ziemlich ernste und düstere Geschichte.