The Legend of Bigfoot - Harry Winer/Ivan Marx (1976)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3072
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

The Legend of Bigfoot - Harry Winer/Ivan Marx (1976)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

MV5BNTI3MzBhZjYtODVkNC00NDgzLTgxYmEtYWQ4ZjA1MTE2YmU2XkEyXkFqcGdeQXVyMTQxNzMzNDI@._V1_FMjpg_UX1000_.jpg
MV5BNTI3MzBhZjYtODVkNC00NDgzLTgxYmEtYWQ4ZjA1MTE2YmU2XkEyXkFqcGdeQXVyMTQxNzMzNDI@._V1_FMjpg_UX1000_.jpg (265.23 KiB) 78 mal betrachtet

Originaltitel: The Legend of Bigfoot

Produktionsland: USA 1976

Regie: Harry Wine / Ivan Marx

Cast: Ivan Marx sowie Statisten in lausigen Affenkostümen, die so tun, als ob sie der authentische Bigfoot seien


Auf den Spuren von Mondo, once more…

Diesmal in Gestalt einer angeblichen Bigfoot-Dokumentation aus dem Jahre 1976, deren Regie dem TV-Regisseur Harry Wine zugeschrieben wird, die zu großen Teilen aber aus der Feder von einem gewissen Ivan Marx stammen dürfte, seines Zeichens Trapper, Abenteurer, Jäger, aus dessen Filmfundus sich viele der in LEGEND OF BIGFOOT gezeigten Natur- und Tieraufnahmen zusammensetzen und der den kompletten Streifen zudem mit der eigenen Stimmen und in Ich-Perspektive aus dem Off begleitet.

Ob Marx wirklich mit den ästhetischen Strategien des Mondo-Kinos vertraut gewesen ist, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, doch sind die Kongruenzen zwischen dem, was etwa zeitgleich in Italien unter der Ägide der Regie-Duos Alfredo und Angelo Castiglioni sowie Antonio Climati und Mario Morra einen letzten Boom erlebt, kaum von der Hand zu weisen:

- In einem wahren Groschenromanstyle führt Marx uns durch die neunzig Minuten Laufzeit: Er stellt heraus, welch naturverbundenes Leben er seit jeher führt; er ergötzt sich an den Schönheiten und Schrecken der Wildnis; er berichtet davon, wie er lokale Berichte über angeblich in den Tiefen nordamerikanischer Wälder umherstapfender Affen- oder Bärenmenschen zunächst als Aberglauben abtat, und wie er dann doch plötzlich vor Fußtapsen steht, die aussehen wie Hinterlassenschaften überdimensionaler Menschenfüße, und sich keinen Reim darauf zu machen weiß. Dieser Fund weckt den Forschergeist in Marx: Er widmet seine Studien fortan dem hehren Ziel, die Existenz Bigfoots entweder zu beweisen oder eindeutig zu widerlegen, - wobei seine erste Begegnung mit dem Sasquatsch schon im ersten Filmdrittel stattfindet, (bzw. die Begegnung mit einem Statisten im lausigen Affenpelz, der kaum sichtbar durchs Unterholz stolpert): „I’ve seen Bigfoot!“, ruft Marxens Stimme aus dem Off in einer Mischung aus ungläubiger Begeisterung, markerschütterndem Entsetzen und grenzenlosem Overacting; zwischengeschnitten werden Bilder eines Donnerbruchs.

- Obwohl Marxens nun einsetzender Expedition homonymisch und fortwährend von Bildmaterial begleitet wird, wirft der Film die Frage selbst niemals auf, wie diese Aufnahmen nun eigentlich entstanden sind: Hat Ivan Marx auf seine Reisen ein Kameracrew mitgenommen? Oder sollen es Re-Enactments sein, die Marx‘ Forschungsreise erst im Nachhinein visualisieren? Deutlich wird das beispielweise bei den hektischen POV-Shots, die Marx‘ erste Begegnung mit Bigfoot untermalen: Kopflos stürmt die Handkamera durchs Gebüsch, (was natürlich auch den Zweck hat, die angeblichen Bigfoot-Ansichten so verwackelt wie möglich zu präsentieren, sprich, das Äffchenkostüm nicht allzu lausig wirken zu lassen). Aber auch sonst werden wir völlig kontextfrei mit allerhand Aufnahmen zugeschüttet, deren Provenienz nie thematisiert wird, - wobei hinzukommt, dass Marx selbst niemals mit einer Filmkamera in den Händen zu sehen ist, und überhaupt selten einmal vor die Linse tritt: Er ist die personifizerte Gottesstimme, die allwissend aus dem Off zu uns spricht.

- Überhaupt verliert THE LEGEND OF BIGFOOT andauernd seinen Fokus. Random Episodes en masse: Bären, die auf Bäume klettern; Ziegen, die angeblich „rituellen Suizid“ begehen, indem sie bei vollem Bewusstsein Lehm fressen, der sich beim Genuss von Wasser in ihren Mägen zu festen Klumpen verwandelt, an denen sie unweigerlich sterben werden; eine anthropomorphisierende Sequenz um ein Eichhörnchen, das von einem PKW überrollt und sodann von Artgenossen schwerverletzt vor dem bereits über ihren Köpfen kreisenden Adler ins Erdloch gerettet wird, und die offenkundig aus beliebigen Naturbildern besteht, die man nachträglich so montiert und soundtechnisch bearbeitet hat, dass der Eindruck einer kohärenten Erzählung entsteht. Tiere, die Tiere fressen, sind zwar nicht Hauptanliegen des Streifens, doch kommen Fans herberer Mondo-Ware bei Bärenkadavern mit aufgeplatzten Bäuchen und Raubkatzen, die arglose Häschen zerfleischen, durchaus auf ihre Kosten.

- Zwischen brünstigen Elchen und zum Sterben den Fluss hinaufziehenden Lachsen eruiert Marx in pathetischen Worten dann aber doch seine eigenwilligen Bigfoot-Forschungsergebnisse: Kern ist die Überlegung, der Sasquatsch sei ein Wandertier, das sich zur Brunft in die nördlichsten Gefilde zurückziehe; außerdem soll der Affenmensch über übersinnliche Fähigkeiten verfügen, (zum Beispiel als Medium für die Geister Verstorbener dienen); und nicht zuletzt ist er gar keine Bestie, wie Marx zunächst angenommen hat, sondern ein herzensgutes Wesen, das sich hauptsächlich vegetarisch ernährt und keiner Fliege was zu leide tut. Ob überhaupt jemand in den 70ern die angeblichen Bigfoot-Aufnahmen für bare Münzen genommen hat, fällt mir schwer zu glauben. Mal abgesehen davon, dass die behaarten Hünen stets auf weiter Distanz, stets bei diffusen Lichtverhältnissen, stets mit unruhig geführter Kamera gezeigt werden, reizt es mich ja eher zum Lachen, wenn eins der Tiere wie betrunken über eine Wiese tänzelt, oder wenn Marx behauptet, in der Finsternis könne man die glühenden Augen eines Bigfoots erkennen, wobei es eher ganz danach aussieht, als ob da einfach ein schwarzgekleidetes Filmcrewmitglied zwei Fackeln hin und her schwenkt.

Geeignet ist LEGEND OF BIGFOOT eigentlich nur für drei Zielgruppen: 1) Menschen wie ich, die sich wirklich alles ansehen, was irgendwie mit dem Mondo-Mäntelchen umhangen werden kann, 2) Menschen mit Vorliebe für unspektakuläre Natur- und Tieraufnahmen aus den 70ern, 3) Menschen, die es nicht stört, wenn ein Film drei, vier Szenen beinhaltet, die unfreiwilliges Gelächter provozieren, und ansonsten belanglos vor sich hindümpelt. Sollte ich jemals eine Enzyklopädie des Mondo-Kinos schreiben, kommt dieses Werk ins Schlusskapitel: Kuriositäten und Extravaganzen.
Benutzeravatar
karlAbundzu
Beiträge: 9676
Registriert: Fr 2. Nov 2012, 20:28
Kontaktdaten:

Re: The Legend of Bigfoot - Harry Winer/Ivan Marx (1976)

Beitrag von karlAbundzu »

Wo kann ich vorbestellen?
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Antworten