Wer klopft denn da an meine Tür? - Martin Scorsese (1967)
Moderator: jogiwan
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Wer klopft denn da an meine Tür? - Martin Scorsese (1967)
Originaltitel: Who's That Knocking at My Door?
Herstellungsland: USA / 1967
Regie: Martin Scorsese
Darsteller(innen): Harvey Keitel, Zina Bethune, Philip Carlson, Anne Collette, Paul DeBonde, Paul Di Bionde, Saskia Holleman, Marissa Joffrey, Marrisa Joffrey, Lennard Kuras, Victor Magnotta, Marieka u. A.
J.R. (Harvey Keitel), ein junger New Yorker aus einer italienischstämmigen Familie, ist ein Tunichtgut, der dem Glücksspiel frönt, Teil einer komplizierten Dreierclique ist sich in erster Linie für alkoholgeschwängerte Partys und schnellen Sex interessiert. Als er eine attraktive junge Frau kennenlernt, in die er sich verliebt, beschließt er, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sie zu ehelichen. Als er jedoch erfährt, dass sie einst vergewaltigt wurde, erweist er sich als unsensibler und unreifer Macho, der mit dieser Tatsache nicht umgehen kann.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Wer klopft denn da an meine Tür? - Martin Scorsese (1967)
„Ich glaub', ich muss mal zum Psychiater!“
Nach vier Kurzfilmen ist „Wer klopft denn da an meine Tür?“ das Langfilmdebüt niemand Geringeren als Martin Scorseses („Taxi Driver“), dem Ausnahmeregisseur von der US-amerikanischen Westküste. Der Dreh dieses Schwarzweiß-No-Budget-Liebesdramas begann im Jahre 1965 als Uni-Projekt, das lediglich die Cliquenszenen enthielt. Zwei Jahre später wurde die Liebesgeschichte addiert und mit Zina Bethune („The Nurses“) eine professionelle Schauspielerin für die Rolle des namenlosen Love Interest des Protagonisten verpflichtet. Die Sexszenen wurden erst 1969 für den Verleih nachgedreht.
„Mit so was verschwend' ich meine Tage...“
J.R. (Harvey Keitel, „Bad Lieutenant“), ein junger New Yorker aus einer italienischstämmigen Familie, ist ein Tunichtgut, der dem Glücksspiel frönt, Teil einer komplizierten Dreierclique ist sich in erster Linie für alkoholgeschwängerte Partys und schnellen Sex interessiert. Als er eine attraktive junge Frau kennenlernt, in die er sich verliebt, beschließt er, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sie zu ehelichen. Als er jedoch erfährt, dass sie einst vergewaltigt wurde, erweist er sich als unsensibler und unreifer Macho, der mit dieser Tatsache nicht umgehen kann.
„Ich liebe dich wirklich und ich will, dass es ewig so ist!“
Scorsese eröffnet sein Debüt mit treibender perkussiver Musik zu Bildern einer amerikanisch-italienischen Mama, die Essen für ihre Familie zubereitet, gefolgt von Rock’n’Roll, wenn Halbstarke auf der Straße jemanden zusammenschlagen – womit das Milieu, in dem der Film spielt, grob umrissen ist. Seine Herzdame lernt J.R. während eines Dialogs über einen John-Wayne-Film kennen. Fortan sieht man eine ganze Weile abwechselnd dabei zu, wie J.R. mit den Jungs, von denen einer eine miese Spelunke betreibt, herumhängt und wie er sich in Beziehungsanbahnung zur jungen Lady versucht. Während einer Knutschszene bekommen wir es mit einer distanzlosen, aufdringlich nah an den Liebenden klebenden Kamera zu tun. Auf einer Hausparty zückt jemand einen Revolver und als er zu schießen beginnt, montiert Scorsese Standbilder aus John-Wayne-Filmen in die Sequenz. Diese verfügt weder über O-Ton noch Nachsynchronisation, sondern ist mit Rock’n’Roll und karibischen Klängen unterlegt. Ähnliches gilt für die Nacktszenen J.R.s sowie anderer Frauen beim Sex. Ferner wird mit Standbildern, Rückblenden und Parallelmontagen gearbeitet. All dies verleiht dem Film zuweilen einen experimentellen Charakter.
Scorsese nimmt Tempo heraus, als die Clique nach Copake fährt, eine ländliche Kleinstadt im Staate New York, um dort durch die Natur zu wandern und einen Berg zu besteigen. Erst nach ungefähr einer Stunde nimmt der Film dramatische Züge an: Eine Rückblende zeigt die Vergewaltigung, den ihr vorausgegangenen Kampf sogar recht ausführlich. J.R. reagiert komplett scheiße und glaubt ihr nicht. Auf einer Party offeriert sich ihm eine Prostituierte, die für alle mitgebracht wurde, doch die Party endet im Chaos statt in einer Orgie. Er kehrt zu seiner Freundin zurück, versaut auf idiotische Weise aber alles, wird sogar übel beleidigend. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ mit Scorseses zukünftigem Stammmimen Harvey Keitel ist damit ein Film über ungerechtfertigte Schuldzuweisungen durch Männer an durch andere Männer vergewaltigte Frauen geworden, zu einer Abrechnung Scorseses mit dem toxischen, letztlich armseligen Machismo junger, männlicher, proletarischer Cliquen, die glauben, selbst durch die Gegend vögeln zu dürfen, aber dass weibliche Opfer sexualisierter Gewalt selbst schuld und „Nutten“ seien.
Spätestens, wenn der katholische J.R. am Schluss Abbitte in der Kirche sucht – inszeniert in bizarren Bildern –, wird deutlich, dass sich Scorsese, selbst Katholik und italienischer Abstammung, auch hier bereits mit den religiösen Widersprüchen Gläubiger auseinandersetzt. Gewissermaßen zeigt der Film auch das Aufeinandertreffen machohaften Proletariats und gebildeter, emanzipierter Frauen, wenngleich dieser Aspekt nicht dominiert. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ erinnert stark an die Nouvelle Vague, ist dabei noch nicht derart unterhaltsam wie spätere Filme Scorseses, weist inhaltlich aber bereits einige seiner wiederkehrenden Topoi auf und beweist in den Bildern seiner 1967 nachgedrehten Romanze ein sehr gutes Gespür für fesselnde Kameraarbeit. Auch Keitel stand damals noch am Anfang seiner bis heute währenden Schauspielkarriere. Filmhistorisch hochinteressanter Stoff!
Nach vier Kurzfilmen ist „Wer klopft denn da an meine Tür?“ das Langfilmdebüt niemand Geringeren als Martin Scorseses („Taxi Driver“), dem Ausnahmeregisseur von der US-amerikanischen Westküste. Der Dreh dieses Schwarzweiß-No-Budget-Liebesdramas begann im Jahre 1965 als Uni-Projekt, das lediglich die Cliquenszenen enthielt. Zwei Jahre später wurde die Liebesgeschichte addiert und mit Zina Bethune („The Nurses“) eine professionelle Schauspielerin für die Rolle des namenlosen Love Interest des Protagonisten verpflichtet. Die Sexszenen wurden erst 1969 für den Verleih nachgedreht.
„Mit so was verschwend' ich meine Tage...“
J.R. (Harvey Keitel, „Bad Lieutenant“), ein junger New Yorker aus einer italienischstämmigen Familie, ist ein Tunichtgut, der dem Glücksspiel frönt, Teil einer komplizierten Dreierclique ist sich in erster Linie für alkoholgeschwängerte Partys und schnellen Sex interessiert. Als er eine attraktive junge Frau kennenlernt, in die er sich verliebt, beschließt er, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sie zu ehelichen. Als er jedoch erfährt, dass sie einst vergewaltigt wurde, erweist er sich als unsensibler und unreifer Macho, der mit dieser Tatsache nicht umgehen kann.
„Ich liebe dich wirklich und ich will, dass es ewig so ist!“
Scorsese eröffnet sein Debüt mit treibender perkussiver Musik zu Bildern einer amerikanisch-italienischen Mama, die Essen für ihre Familie zubereitet, gefolgt von Rock’n’Roll, wenn Halbstarke auf der Straße jemanden zusammenschlagen – womit das Milieu, in dem der Film spielt, grob umrissen ist. Seine Herzdame lernt J.R. während eines Dialogs über einen John-Wayne-Film kennen. Fortan sieht man eine ganze Weile abwechselnd dabei zu, wie J.R. mit den Jungs, von denen einer eine miese Spelunke betreibt, herumhängt und wie er sich in Beziehungsanbahnung zur jungen Lady versucht. Während einer Knutschszene bekommen wir es mit einer distanzlosen, aufdringlich nah an den Liebenden klebenden Kamera zu tun. Auf einer Hausparty zückt jemand einen Revolver und als er zu schießen beginnt, montiert Scorsese Standbilder aus John-Wayne-Filmen in die Sequenz. Diese verfügt weder über O-Ton noch Nachsynchronisation, sondern ist mit Rock’n’Roll und karibischen Klängen unterlegt. Ähnliches gilt für die Nacktszenen J.R.s sowie anderer Frauen beim Sex. Ferner wird mit Standbildern, Rückblenden und Parallelmontagen gearbeitet. All dies verleiht dem Film zuweilen einen experimentellen Charakter.
Scorsese nimmt Tempo heraus, als die Clique nach Copake fährt, eine ländliche Kleinstadt im Staate New York, um dort durch die Natur zu wandern und einen Berg zu besteigen. Erst nach ungefähr einer Stunde nimmt der Film dramatische Züge an: Eine Rückblende zeigt die Vergewaltigung, den ihr vorausgegangenen Kampf sogar recht ausführlich. J.R. reagiert komplett scheiße und glaubt ihr nicht. Auf einer Party offeriert sich ihm eine Prostituierte, die für alle mitgebracht wurde, doch die Party endet im Chaos statt in einer Orgie. Er kehrt zu seiner Freundin zurück, versaut auf idiotische Weise aber alles, wird sogar übel beleidigend. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ mit Scorseses zukünftigem Stammmimen Harvey Keitel ist damit ein Film über ungerechtfertigte Schuldzuweisungen durch Männer an durch andere Männer vergewaltigte Frauen geworden, zu einer Abrechnung Scorseses mit dem toxischen, letztlich armseligen Machismo junger, männlicher, proletarischer Cliquen, die glauben, selbst durch die Gegend vögeln zu dürfen, aber dass weibliche Opfer sexualisierter Gewalt selbst schuld und „Nutten“ seien.
Spätestens, wenn der katholische J.R. am Schluss Abbitte in der Kirche sucht – inszeniert in bizarren Bildern –, wird deutlich, dass sich Scorsese, selbst Katholik und italienischer Abstammung, auch hier bereits mit den religiösen Widersprüchen Gläubiger auseinandersetzt. Gewissermaßen zeigt der Film auch das Aufeinandertreffen machohaften Proletariats und gebildeter, emanzipierter Frauen, wenngleich dieser Aspekt nicht dominiert. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ erinnert stark an die Nouvelle Vague, ist dabei noch nicht derart unterhaltsam wie spätere Filme Scorseses, weist inhaltlich aber bereits einige seiner wiederkehrenden Topoi auf und beweist in den Bildern seiner 1967 nachgedrehten Romanze ein sehr gutes Gespür für fesselnde Kameraarbeit. Auch Keitel stand damals noch am Anfang seiner bis heute währenden Schauspielkarriere. Filmhistorisch hochinteressanter Stoff!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- CamperVan.Helsing
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- Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40
Re: Wer klopft denn da an meine Tür? - Martin Scorsese (1967)
Vor sehr langer Zeit hatte ich die deutsche DVD (immerhin von Warner!) auch mal, und gelegentlich denke ich drüber nach, mir den nochmal zu besorgen. Nach dem Review habe ich aber doch Zweifel, ob der Film mir heute besser gefallen würde als vor über 10 Jahren. Also lass ich das wohl besser.
My conscience is clear
(Fred Olen Ray)
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