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Originaltitel: The Boogeyman
Herstellungsland: USA / Kanada (2023)
Regie: Rob Savage
Darsteller(innen): Chris Messina, Sophie Thatcher, Marin Ireland, David Dastmalchian, Vivien Lyra Blair, LisaGay Hamilton, Lacey Dover, Maddie Nichols, Madison Hu, Beau Hart, Adams Bellouis, Victoria Harris, Han Soto, Mabel Tyler, Rose Bianca Grue, Elton LeBlanc, Devyn Sandidge u. A.
Für den Therapeuten Will Harper (Chris Messina) und seine beiden Töchter Sadie (Sophie Thatcher) und Sawyer (Vivien Lyra Blair) ist das Leben seit dem Unfalltod der Mutter äußerst schwer. Während Teenagerin Sadie versucht, mit ihrem Vater über die Ereignisse und Gefühle zu reden, blockt dieser immer wieder ab. Und für die junge Sawyer werden die Nächte zur Qual, denn da steckt doch etwas in ihrem Schrank, oder? Allerdings schenkt dem kleinen Mädchen zunächst niemand Glauben. Dann hat auch Sadie eine Begegnung mit jenem "Boogeyman", der sich in der Dunkelheit heimisch fühlt und von der Angst seiner potenziellen Opfer ernährt. Aber ist das phantastische Wesen wirklich in der Lage, Menschen Schaden zuzufügen oder handelt es sich nur um eine gedankliche Manifestation des Traumas, welches die beiden Frauen durchlebt haben?
Die (verdammt unheimliche) Kurzgeschichte „Das Schreckgespenst“ aus US-Autor Stephen Kings Sammelband „Nachtschicht“ stammt aus dem Jahre 1973 und ist, da dem psychologischen Horror zuzurechnen, nicht ohne Weiteres verfilmbar. Die einzige mir bekannte Verfilmung ist ein Kurzfilm von Regisseur Jeff Schiro und datiert aufs Jahr 1982. Mit „The Boogeyman“ schaffte es im Jahre 2023 – gewissermaßen zum fünfzigsten Jubiläum der literarischen Vorlage – eine von Nachwuchsregisseur Rob Savage („Dashcam“) inszenierte, US-amerikanisch-kanadisch koproduzierte abendfüllende Verfilmung in die Kinos. Ursprünglich sollte der Film direkt auf Streaming-Plattformen anlaufen, aufgrund der positiven Reaktionen auf die Testverführungen wurde ihm aber dennoch ein Kinostart zuteil (ähnlich wie zuvor „Smile – siehst du es auch?“ und „Evil Dead Rise“).
Psychotherapeut Will Harper (Chris Messina, „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“) und seine Töchter Sadie (Sophie Thatcher, „Yellowjackets“) und Sawyer (Vivien Lyra Blair, „The Guilty“) haben gerade ihre Ehefrau bzw. Mutter Cara bei einem Unfall verloren. Mit der Trauerarbeit tut sich die kleine Familie schwer; Will scheint sich lieber in Arbeit zu stürzen, statt den schmerzhaften Verlust zu nah an sich heranzulassen, wodurch er seinen Töchtern jedoch kaum eine Stütze sein kann. Die Fragen der heranwachsenden Sadie blockt er ab, in der Schule wird sie von Mitschülerinnen geschnitten. Und die kleine Sawyer fürchtet sich vor Dunkelheit, der man zu begegnen versucht, indem man ihr eine Mondlampe überantwortet. Gemeinsam befinden sich beide Mädchen in einer Gesprächstherapie bei Frau Dr. Weller (LisaGay Hamilton, „The Practice“). Eines Abends, als Will eigentlich den Feierabend antreten will, steht unvermittelt der verzweifelte und aufgelöste Lester Billings (David Dastmalchian, „Blade Runner 2049“) vor seiner Tür und bittet um ein Gespräch. Ein unheimliches Schattenwesen habe seine Kinder auf dem Gewissen, er fertigt sogar eine Bleistiftskizze der Kreatur an. Als Billings bemerkt, dass Will ihm nicht glaubt, schleicht er durchs Haus der Familie und nimmt sich dort schließlich das Leben. Doch dadurch scheint er den Fluch mitgebracht zu haben, denn von nun an glaubt Sawyer, etwas verstecke sich in ihrem Wandschrank…
Mit „The Boogeyman“ versucht sich Rob Savage erstmals an einem ganz klassischen Genre-Horrorfilm, wie er mit nur wenigen Änderungen auch aus den 1980ern stammen könnte. Er nimmt sich Zeit, um eine Atmosphäre der Furcht heraufzubeschwören und appelliert dabei an menschliche bzw. kindliche Urängste vor dem Monster unterm Bett respektive im Schrank und der Dunkelheit. Durch die thematische Verknüpfung mit dem Verlusttrauma entsteht eine bedrückende, unheimliche Stimmung, die von der mit Unschärfen arbeitenden, suggestiven Kameraführung verstärkt wird. Ihr Bemühen um originelle Perspektiven sorgt zudem ein ums andere Mal für Hingucker. Dass der Film zum Kammerspiel würde, wird durch die zusätzlichen Schauplätze Schule, Therapeutin und Billings‘ Haus verhindert. Darüber, dass es hier um eine physische Manifestation statt lediglich um Hirngespinste geht, lässt einen die Handlung indes nicht allzu lange im Dunkeln, ohne jedoch viel vom „Boogeyman“ zu zeigen.
Jene Handlung wird nach den Ereignissen um Lester Billings vorrangig aus der Perspektive der Töchter erzählt, was verdeutlicht, dass ihr Vater zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, um sich der Sorgen und Ängste seines Nachwuchses anzunehmen. Der „Boogeyman“, der, wie sich im Finale zeigen wird, wenig Humanoides an sich hat, scheint sich von schmerzhaften Traumata gebeutelte Opfer zu suchen, deren Schwächen er ausnutzt. Wie genau er diese wittert, bleibt aber genauso mystisch wie die Weise, mit der er sich offenbar rasend schnell zwischen kilometerweit entfernt liegenden, nun ja, Wandschränken unbemerkt hin- und herbewegen kann. Wenn er perfide flüsternd Stimmen imitiert, um sich anschließend in Blitzgeschwindigkeit auf seine Opfer zu stürzen, stellt man solche Überlegungen indes auch nicht mehr an. Generell trägt auch die Geräuschkulisse prima zum gediegenen Grusel bei. Im actionreichen Finale wird dieser für eine direkte Konfrontation aufgegeben, in deren Zuge sich das Monster als Mischung aus dreidimensional modelliertem, also plastischem Kopf und gut umgesetzter CGI entpuppt. Creature Design und Spezialeffekte sind also zufriedenstellend ausgefallen, nehmen dem Film aber – wie so viele Genrevertreter – am Ende alles Subtile.
Savages „The Boogeyman“ orientiert sich lediglich bis zu Billings Tod an Kings Vorlage und entwickelt sich darin, wie er die Geschichte weiterspinnt, zu einem sehr allegorischen Film, dessen Ausgang zu sagen scheint, für einen Neuanfang müsse alles Bisherige zurückgelassen werden. Dabei präsentiert er sich als Kreuzung aus Psycho-Horror und Creature Feature – ein gewagter Spagat, dem etwas mehr Tiefgang ergänzend zur zuweilen etwas arg plakativen Küchenpsychologie nicht geschadet hätte. Doch, und das ist das Wichtigste: Er erreichte mich! Ich gruselte mich, erschrak, bekam Gänsehaut und fieberte mit. Das sind Zeichen dafür, dass ein Horrorfilm funktioniert. Dieser hier ist im besten Genre-Sinne konventionell ausgefallen, hat dabei seine Hausaufgaben aber gemacht und erinnert an die Höhepunkte der Direct-to-Video-Ära in den 1980ern und frühen 1990ern, wobei er diese schauspielerisch aufgrund der herausragenden Leistungen insbesondere Dastmalchians, Thatchers und der kleinen Blair übertrumpft.