Keine Ahnung in welches Forum der Flick gehört. Da Towers ein britischer Produzent ist, habe ich mich für diese Abteilung entschieden. Bei Bedarf bitte verschieben.
DVD von Blue Underground (USA)
99 Women (Deutschland, Großbritannien, Italien, Liechtenstein, Spanien 1969, deutscher Titel: Der heiße Tod)
Herr Francos erster WIP-Flick
Marie (Maria Rohm), Helga (Elisa Montés) und Natalie (Luciana Paluzzi) treten ihre Haftstrafen in einem Frauenknast an. Auf einer hübschen Insel gelegen, mutet das Umfeld des Gefängnisses idyllisch an, doch hinter den dicken Mauern herrschen Terror und Angst. Die Direktorin Thelma Diaz (Mercedes McCambridge) führt ein hartes Regiment, sie erhält durch den ortsansässigen Gouverneur Santos (Herbert Lom) Rückendeckung. Santos vergnügt sich gern mit blonden Damen, notfalls auch gegen deren Willen. Nach der Ankunft weht Marie und den anderen Frauen sofort ein rauher Wind entgegen. Natalie bezahlt die Rücksichtslosigkeit der Gefängnisleitung mit dem Leben. Damit nicht genug, Marie wird nach einem Streit in die Strafzelle geworfen, ist nebenbei den Gelüsten des perversen Gouverneurs ausgeliefert. Eines Tages scheint sich das Blatt jedoch zu wenden, die Befürchtungen des Herrn Santos und seiner Zuarbeiterin Diaz tauchen in Form von Leonie Caroll (Maria Schell) auf. Im Auftrag des zuständigen Ministers soll Caroll den Knast unter die Lupe nehmen, eventuelle Mißstände aufdecken und beseitigen. Chefin Diaz geht die unerwünschte Bevormundung gewaltig auf den Zeiger, sie fürchtet um ihren liebgewonnenen Arbeitsplatz...
Für den britischen Produzenten Harry Alan Towers lieferte Jess Franco einige sehr bemerkenswerte Filme ab, zu denen auch der hier kurz vorgestellte "99 Women" zählt. Franco sollte später noch weitere WIP-Filme
(Women in Prison) inszenieren, 1969 erreichte sein erster Beitrag zu diesem Thema die Kinoleinwände. Grosses Lob verdient die Kameraarbeit von Manuel Merino, der im Laufer seiner Karriere häufig für Jess Franco arbeitete. Ein kleiner Einblick: "Der Hexentöter von Blackmoor" (1970), "Nachts, wenn Dracula erwacht" (1970), "Der Teufel kam aus Akasava" (1971) und "Vampyros Lesbos" (1971). Diese Auflistung ist keinesfalls vollständig, sollte nicht gänzlich unbedarften Filmfreunden zumindest erste Anhaltspunkte geben. Bruno Nicolai verpasste dem Film eine wundervolle Titelmelodie, der Song geht sofort ins Ohr, wo er sich hartnäckig festsetzt. Franco inszeniert angenehm unhektisch, lässt dabei aber nie Langeweile aufkommen. Das Süppchen köchelt beständig vor sich hin, bietet die geschätzten Standards des Genres an. Hier und da wird dezent gelesbelt, freilich fehlen diverse Anschisse der Knast-Bossine nicht, Fluchtpläne werden geschmiedet, gierige Saukerle lauern im Busch... (usw.).
"99 Women" kann mit einer stattlichen Anzahl bekannter Namen auftrumpfen, die teils nicht nur Fans ein Begriff sein dürften. Maria Schell führt die Liste aus kommerziellen Gründen an, spielt allerdings eine grössere (wichtige) Nebenrolle. Schell mutet teils wie ein Fremdkörper an, was aber perfekt zu ihrem Part passt. Sie purzelt ohne Vorwarnung in den kleinen Knast-Kosmos, erntet weder von den "Offiziellen" noch den Häftlingen Zustimmung. Eine Mission mit tragischem Ausgang, wobei die Tragik in erster Linie auf die Gefangenen zurückschlägt (ich will nicht zu viel verraten). Großartig Mercedes McCambridge, auf deren Machenschaften jeder Betreiber eines Terrorregimes stolz wäre. Mit knarzig-kantiger Stimme plärrt sie ihre Befehle durch das alte Gemäuer, mit der Frau legt man sich besser nicht an. Markante Auswürfe oraler Art entfahren Frau McCambridge, es kommt einem Freudenfest nahe. Herbert Lom gibt den verschwitzten Oberboss der Insel, unter dessen Knute der Männerknast am anderen Ende des Eilands ächzt. Die Herren der Schöpfung kommen später ins Spiel, doch überzeugt euch bitte selbst davon. Governator Ekelsack sabbert mit Vorliebe an jungen Blondinen herum, egal ob die Damen mit seinen Wünschen einverstanden sind. So stellt man sich vermutlich einen widerwärtigen Despoten vor, der seine Macht nach allen Regeln der Kunst mißbraucht. Nun aber zu den lieblichen Damen, welche die entzüdeten Augen des Zuschauers mit Wonne erfüllen. Maria Rohm hatte ihre wichtigsten Rollen unter der Regie von Jess Franco, die Dame war damals ein Eye Candy der feinsten Sorte. Rohm versprüht eine verführerische Sinnlichkeit der ich mich nicht entziehen kann. Klar, ich bevorzuge "eigentlich" den Typ Flittchen, doch warum nicht über den Tellerrand schauen? Für das ruchlos anmutende Ferkelchen sorgt Rosalba Neri, die sich vorzugsweise über ihre Beine streichelt, die zart von halterlosen Strümpfen umschmeichelt werden
(Wie zum Geier kommen halterlose Strümpfe in diesen Knast, in dem ansonsten keinerlei Vergünstigungen gewährt werden? Egal, wer würde sich bei dem Anblick beschweren?). Maria und Rosalba gehen ab und an zum Nahkampf über, die Prügelszenen ufern nie aus, die erotischen Momente bleiben ebenfalls recht zahm (verfehlen aber nicht ihre Wirkung). Da man damals noch in vielen Staaten mit der Zensur zu kämpfen hatte, muten die Erotikeinlagen sogar provokant an. Maria und Rosalba gewährt das Drehbuch aufschlussreiche Flashbacks, die den Zuschauer mehr über die Umstände erfahren lassen, die zur Inhaftierung der Schönheiten führten. Elisa Montés verbündet sich mit Maria Rohm, Luciana Paluzzi war eines der Bondgirls in "Feuerball", dem Bond-Abenteuer von 1965. Ein tolles Ensemble, selbst Nebenrollen sind teils regelrecht verschwenderisch besetzt.
Danke für diesen Fim, lieber Jess Franco! "99 Women" ist "Eurokult" in seiner schönsten Form. Stilvoll vor einer herrlichen Kulisse gefilmt, dazu ein gutes Gespür für ein angemessenes Erzähltempo, ein Titelsong der sofort zupackt, vor der Kamera bestmögliches Personal. An symbolträchtigen Momenten mangelt es nicht, während dieser Schaffensphase eine Spezialität Francos. Ich will hier nicht alles vorkauen, der Selbstversuch wird erneut empfohlen! Wer von einem WIP-Streifen harte Gewalt und offensive Sexszenen erwartet, kommt in diesem Fall vermutlich nicht zum Zuge. Dem hohen Unterhaltungswert ist diese Tatsache keinesfalls abträglich, das Werk dürfte daher auch für Einsteiger geeignet sein, ebenso möchte ich "99 Women" ewigen Franco-Skeptikern ans Herz legen!
Leider liegt in Deutschland keine DVD zu diesem schönen Film vor. Ergo musste ich zur US-DVD aus dem Hause Blue Underground greifen, was sich als gute Entscheidung herausstellte, bei Blue Underground ist man meist auf der sicheren Seite. "99 Women" liegt in ordentlicher Qualität vor, im Bonusbereich findet der Fan u. a. ein Interview mit Jess Franco, weiteres Material rundet die Sektion ab. Übrigens existiert eine alternative DVD-Ausgabe von Blue Underground, auf der die vermurkste Version mit HC-Szenen zu sehen ist, die nicht von Franco verbrochen wurden (Glaubt man der IMDB, soll Bruno Mattei das Gerödel eingefangen haben, den ich -davon unabhängig- sehr mag). In der sogenannten "French Version" fehlen einige Szenen aus der Handlung, die ursprüngliche Fassung ist daher eindeutig vorzuziehen, das obige Cover zeigt die "korrekte" DVD.
Ich wiederhole mich sehr gern, lieber Jess, danke für knapp 90 Minuten schöner Unterhaltung! "99 Women" ist mir dicke
8/10 (sehr gut) wert, alles andere wäre eine Frechheit.
Lieblingszitat:
"Prisoners do not have Names!"