Die große Hafenrundfahrt in den Mastdarm der Erde (SchleFaZ)
„Wir sind lange genug auf der Erde rumgekrochen. Jetzt wollen wir endlich wissen, wie sie innen aussieht!“
Während seiner frühen Karriere verfilmte der britische Regisseur Kevin Connor mit „Caprona – Das vergessene Land“, „Der sechste Kontinent“, „Caprona 2. Teil – Menschen, die die Zeit vergaß“ und „Tauchfahrt des Schreckens“ drei Romane Edgar Rice Burroughs’ und einen Jules Vernes. Diese vier in den 1970ern im Auftrag der Amicus-Genrefilmschmiede entstandenen Werke lassen sich lose zu einer Tetralogie phantastischer Abenteuerfilme mit Science-Fiction-Anleihen zusammenfassen, die in erster Linie auf ein Kreaturen- und Effektspektakel setzen und sich gern die Darsteller teilen. Zwischen den beiden „Caprona“-Verfilmungen entstand „Der sechste Kontinent“, bei dem es sich um eine Verfilmung des Auftakts der siebenteiligen „Pellucidar“-Reihe Burroughs‘ handelt, der auf das Jahr 1914 datiert und aufgrund seiner Hohlwelt-Thematik grob an Jules Vernes „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ erinnert.
„Totaler Ausfall aller Systeme! Naja, etwas deprimierend…“
Dr. Perry (Peter Cushing, „Frankensteins Fluch“) hat einen Erdkernbohrer konstruiert, der in der Lage ist, selbst festestes Bergmassiv zu durchschlagen. Im Zuge einer feierlichen öffentlichen Präsentation bohren sich Dr. Perry und sein Assistent David (Doug McClure, „Die blutigen Geier von Alaska“) vertikal ins Erdinnere, um dieses zu erforschen. Jedoch verlieren sie dabei die Kontrolle über die Maschine und landen in Pellucidar, einem bisher unbekannten Kontinent unter der Erdoberfläche, der sowohl von fremdartiger, prähistorisch anmutender Fauna als auch von humanoiden Wesen und deren versklavten Menschen besiedelt wird. Unter permanentem rosa- bis purpurfarbenen Tageslicht werden die Abenteurer von den Sagoth gefangengenommen, primitiven zweibeinigen Schweinsaffenwesen, und zu ihren Sklaven gebracht. Die Sagoth wiederum stehen unter dem telepathischen Einfluss der Mahar, riesiger Flugsaurier, die regelmäßig Menschenopfer erhalten. Unter den Arbeitssklaven lernt David die junge, attraktive Dia (Caroline Munro, „Sindbads gefährliche Abenteuer“) kennen und freundet sich mit ihr an, muss jedoch auch erfahren, dass die verschiedenen menschlichen Stämme unter Tage miteinander verfeindet sind. Während Dr. Perry die unterirdische Welt erforscht, versucht David, die Menschen zu vereinen und zum gemeinsamen Schlag gegen die Unterdrücker zu bewegen. Ob er die Erdoberfläche jemals wiedersehen wird?
„Was für ein unglaublicher Anblick!“
Ein riesiges Man-in-suit-Federvieh stampft auf unsere Helden zu, die nach ihrer Gefangennahme hilflos mitansehen müssen, wie ein nicht minder monströses Doppelnashorn Menschen frisst und anschließend mit einem Artgenossen kämpft. Was auf dem virtuellen Papier zunächst einmal nach purem Kreaturen-Horror klingt, entpuppt sich als billig gemachtes Schauwerk irgendwo zwischen den späteren Familienfilm-Godzillas und der Augsburger Puppenkiste. In den leider allzu häufig recht unbeweglichen und somit wenig furchteinflößend aussehenden Viechern stecken bemitleidenswerte Stuntmen, wenn sie nicht direkt aus Pappmaché zusammengekleistert worden sind. Die Sprache der Schweinsaffenmenschen klingt stotterig, wie digitale Übertragungsfehler, mit menschlichen Hohlerdbewohnern lässt es sich jedoch ganz bequem auf Englisch kommunizieren – weshalb auch immer. Das ewig scheinende Tageslicht, das an den Nerven der Menschen zerrt, kann als subtil eingeflochtene Allegorie auf den notwendigen Dualismus zwischen hell und dunkel verstanden werden, die häufigen Zwischenschnitte auf die blinzelnden Augen der Mahar hingegen hämmern auch dem letzten Zuschauer ein, dass eine Art hypnotischer Kontakt zu den Sagoth besteht.
„Muskeln verdunkeln den Verstand!“
Dr. Perry, vom ehrwürdigen Peter Cushing komödiantisch gespielt, macht das Beste aus der Situation und forscht, was das Zeug hält, bezieht sogar plötzlich eine Art Arbeitsplatz in einer Steintafelbibliothek und findet grundsätzlich alles faszinierend. Als das bunten Treiben vor dem Farbfernsehgerät Verfolgender muss man sich jedoch durch zahlreiche ermüdende Kämpfe gegen Kreaturen, gegen Sagoth und gegen Menschen quälen, die etwas unbeholfen und behäbig inszeniert wurden. Der
Trash-Faktor wird durch unvermittelt explodierende Kreaturen in die Höhe getrieben und irgendwann brennt’s in den Studiokulissen voller Rückprojektionen ständig. David scheint der erste zu sein, der auf die Idee kommt, die verfeindeten Stämme gegen die Sagoth und Mahar zu vereinen, was u.a. einen elendig langen Kampf gegen ohrlose Monster zur Folge hat. Auf ein zähes, gerade zu Beginn schlaff inszeniertes Finale mit weiterem explodierendem Viehzeug folgt ein (Achtung, Spoiler!) pathetischer Abschied, bevor man mit wie von Geisterhand repariertem Bohrer von einer offenbar neu errichteten Startrampe in bügelfrischen Klamotten gen nettem Abschlussgag aufbricht, der schließlich aus dem Film entlässt.
„Sie können mich nicht hypnotisieren, ich bin nämlich Engländer!“ (Häh?)
„Der sechste Kontinent” ist schon eine eigenartige Erfahrung. Die versammelte Expertise vor und hinter der Kamera wird für die langatmige Inszenierung eines schwachen Drehbuchs verheizt, das just definierte und veranschaulichte Regeln dieser Fantasy-Welt im nächsten Moment direkt wieder über Bord wirft und dadurch unschlüssig und beliebig wirkt. Eben noch tödliche Fallen stellen im nächsten Moment keine wirklichen Hürden mehr dar, die Hypnose- und Telepathie-Fähigkeiten der Mahar scheinen mir nichts, dir nichts arg eingeschränkt und das ehemals so mächtige und undurchdringliche Imperium des „sechsten Kontinents“ wird von einem zugereisten Briten mit etwas Hilfe wie im Vorbeigehen plattgemacht. Dass Davids Gebaren bei den fremden Stämmen aus heutiger Sicht doch arg nach klischiertem „weißem Erlöser“ müffelt und das vermittelte Frauenbild etwas fragwürdig erscheint – geschenkt. So etwas ist nun einmal Teil altertümlicher Fantasy und Abenteuer und macht ein Stück weit deren naiven Charme aus. Dass „Star Wars“- und „James Bond“-Kamerachef Alan Hume derart
trashiges Treiben enttäuschend lieblos gestalteter Kreaturen vor Rückprojektionen aus der Konserve abfilmen muss, ist jedoch ebenso ernüchternd wie es die Rollen Cushings und Munros sind, die sich immerhin wacker durch diesen Unfug spielen.
Dem Vergleich zum wesentlich besseren „Tauchfahrt des Schreckens“ hält „Der sechste Kontinent“ nicht stand, dafür ist hier doch vieles zu – im wahrsten Sinne – unterirdisch. Punkten kann er jedoch mit seinem spielfreudigen Ensemble, der einen oder anderen unfreiwilligen Komik, Carolin Munros Dress und jenem speziellen Charme eigentlich bereits damals überholten Unterhaltungskinos dieser Couleur, das sein entsprechend geeichtes Publikum dazu verführt, sich diesen Stoff auch heute noch gern einmal zu drücken…
P.S.:
Meine Damen und Herren, ich präsentiere:
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Caroline Munro!