Primadonna
- Quelle: Schauburg Bremen Instagram Story Screenshot
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Sneak Schauburg Bremen.
Wenn ich schon einen italienischen Film in der Sneak zu Gesicht bekomme, muss dieser natürlich in diesem Forum auch mit einem Text gewürdigt werden. Auch wenn es mir aus den unterschiedlichsten Gründen aktuell schwer fällt, längere Texte zu verfassen. Nun gut.
Vor der Sneak ganz einfach als "Drama" angekündigt, wagten wir seit Wochen mal wieder den Gang in die ausverkaufte (erstaunlich!) Schauburg, wo wir mittlerweile direkt begrüßt werden. So muss das sein, da kommt man doch gerne wieder. Nun gut.
Insgeheim hatte ich ja auf den neuen Almodovar gehofft, aber schnell wurde klar, dass es etwas unbekanntes italienisches ist. Dann fiel mir ein, dass aktuell zeitgenössische italienische Filme in den Bremer Programmkinos gezeigt werden. Da hatte sich die Sneak wohl drangehängt, was ich persönlich eigenartig finde, aber man muss sagen, dass so aber schon auch etwas Festival-Feeling aufkam.
"Ah. Du schaust ja gerne italienische Filme!" hörte ich meine Begleitung noch sagen. Ich wollte noch fragen, was genau sie damit meinte, aber da ging es auch schon los.
Italien, genauer gesagt Sizilien, in den 60er Jahren. Lia, eine junge Frau aus ärmeren Verhältnissen, interessiert sich für Lorenzo, einen jungen Mann aus gut betuchtem Hause. Hier wird nicht genau benannt, was gemeint ist, aber es werden aus meiner Sicht schon auch mafiaähnliche Strukturen angedeutet.
Ihr Vater ist gegen diese Verbindung und man denkt es folgt eine weitere unverstandene Liebesgeschichte. Doch Lia weiß was sie will. Sie liebt das Leben und die Arbeit auf dem Hof ihres Vaters, sie liebt ihre Heimat und ihre Familie, sie liebt ihre Unabhängigkeit und sie liebt Lorenzo nicht.
Dieser kommt eines Tages mit drei seiner Freunde vorbei und entführt sie. Die darauf folgende Vergewaltigung wird zwar nur angedeutet, aber Lorenzo vergreift sich auf jeden Fall an Lia. Diese Vorgänge kommen offensichtlich oft vor und werden umgangssprachlich "Liebesflucht" genannt. Niemand spricht weiter darüber, außer dass das "gesellschaftliche Gefüge und die Ehre der Frau" wieder hergestellt werden muss. Und zwar mit einer "Wiedergutmachungsehe", was sowieso von Anfang an das Ziel von Lorenzo war. Sprich die Frau muss ihren Vergewaltiger heiraten.
Der Film erzählt ab jetzt den Kampf Lias und ihrer Familie gegen diese Traditionen und sie ziehen sogar vor Gericht. Dabei ist PRIMADONNA kein typischer Gerichtsfilm.
In erster Linie ist es natürlich ein Sittengemälde der Zeit, aber auch die Beschreibung der jungen Frau, die erstmal nur unabhängig sein will und plötzlich einen noch viel größeren Kampf ausfechten muss. Dabei führt der Film auch Figuren (Lia, einen gescheiterten Anwalt, eine Prostituierte) zusammen, die am Rande der Gesellschaft stehen.
Dass auch die katholische Kirche hier wieder einmal eine höchst negative Rolle einnimmt, brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen. Zu erwähnen ist aber noch, dass darüber hinaus eine sehr schöne Familiengeschichte präsentiert wird, dass neben dem tollen Score noch ein Thom Yorke Song auf der Tonspur zu finden ist und dass der Film wunderschön fotografiert ist und eine entsprechende Langsamkeit entwickelte, die ich sehr mochte.
Der Film ist wohl nicht biographisch, basiert aber auf realen Vorkommnissen. Der eigentliche juristische Kampf endete dann wohl auch erst 1981.
Ein toller Film, der unfassbare, heftige gesellschaftliche Vorkommnisse in Italien aufgreift.
Die Frage meiner Begleitung zum Thema "italienische Filme" war zwar nur rhetorisch gemeint, aber ja. Ich schaue gerne italienische Filme. Auch zeitgenössische.