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Kurt Cobain: About a Son - AJ Schnack (2006) [Doku]

Verfasst: Mi 5. Mär 2025, 15:49
von buxtebrawler
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Originaltitel: Kurt Cobain: About a Son

Herstellungsland: USA / 2006

Regie: AJ Schnack

Mitwirkende: Kurt Cobain, Michael Azerrad
Der Musikjournalist Michael Azerrad interviewte Kurt Cobain in den Jahren 1992 und 1993. Aus diesen über 25 Stunden langen Aufnahmen entstand die Biografie "Come as you are: The Story of Nirvana". Bis kurz vor seinem Tod gewährte er Azerrad zutiefst ehrliche Einblicke in sein Leben. AJ Schnack nutzt dieses bisher unveröffentlichte Material, Kurt Cobains mit seinen eigenen Worten zu porträtieren. Entstanden ist eine sehr persönliche, stimmungsvolle und sensible Dokumentation über einen Künstler, der viel diskutiert war, jedoch wohl nie richtig verstanden wurde.
Quelle: Amazon


Re: Kurt Cobain: About a Son - AJ Schnack (2006) [Doku]

Verfasst: Mi 5. Mär 2025, 15:51
von buxtebrawler
„Die müssen nicht alles über mich wissen.“

Der rund eineinhalbstündige Dokumentarfilm “Kurt Cobain: About a Son“ aus dem Jahre 2006 über den Bandkopf der verstorbenen Grunge-Legende Nirvana besteht ausschließlich aus O-Tönen Cobains, die der (manchmal auch zu hörende) Musikjournalist Michael Azerrad für seine Nirvana-Biografie, das in Buchform veröffentlichte „Come As You Are“, im Rahmen von Interviews mit Cobain angefertigt hatte. US-Regisseur AJ Schnack („Gigantic (A Tale of Two Johns)“) wählte diese aus über 25 Stunden Material aus und unterlegte sie mit mehr oder weniger kunstvoll eingefangenen, atmosphärischen und authentischen aktuellen Bildern der verschiedenen Wohnorte Cobains, angefangen mit Aberdeen über Montesano, Olympia und schließlich Seattle.

Und eben diese Bebilderung, die ohne jegliche Aufnahmen Kurts oder Nirvanas auskommen muss, zum Teil aber Cobains Aussagen mittels Animationen illustriert und ein paar geschauspielerte Szenen enthält, hätte es gar nicht unbedingt gebraucht und sollte als Bonus zum eigentlichen Inhalt betrachtet werden, nämlich dem freimütig von der Leber weg plaudernden Cobain, der seinerzeit intime persönliche Einblicke gewährte. Er erzählt von einer zunächst glücklichen Kindheit, aber auch einer Diagnose als manisch-depressiv, die er bereits als Neunjähriger (!) erhalten habe, von seiner Entfremdung als Heranwachsender – und den Misshandlungen durch seinen Vater. Er hadert sehr damit, keine richtige Vaterfigur gehabt zu haben. Zudem habe er schon früh unter einer Skoliose gelitten. Von seiner Schulzeit geht’s zur Bandgründung und vielen weiteren Kontrasten wie Obdachlosigkeit einer- und einer zunächst glücklichen Zeit im Künstlermekka Olympia andererseits.

Von dort aus ging’s nach Seattle, Nirvana kamen beim Underground-Label Sub Pop unter, die neue Labelsuche nach dem Debütalbum „Bleach“ aufgrund eines durchaus angestrebten kommerziellen Erfolgs führt die Band zu Geffen und der Rest ist Geschichte. Zu dieser gehören neben einer gewissen Skepsis angesichts der Folgen des überraschend rasanten und großen Ruhms auch Cobains chronische Schmerzen, seine Magenprobleme und die Linderung, die er durch harte Drogen findet. Über seine Lebensgefährtin Courtney Love weiß er Positives zu berichten, über die Presse nicht – gegen diese redet er sich regelrecht in Rage.

Wer noch immer so naiv ist, Cobain & Co. zu antikommerziellen Underground-Heroen, die den Erfolg nie wollten, hochzustilisieren, sieht sich hier im O-Ton widerlegt, wer nach Gründen für Cobains psychischen Niedergang und seinen Suizid im April 1994 sucht, bekommt hier eine Menge möglicher Ursachen zu hören – ausschlaggebend war vermutlich die Summe aller Teile. Wer aber das Geheimnis hinter seiner Musik zu ergründen versucht, ist hinterher vermutlich genauso schlau wie vorher: Zwar lässt Cobain wissen, dass er der Speed- (und vermutlich auch Thrash-)Metal-Welle ab Mitte der ‘80er nichts abgewinnen habe können und ihm vielmehr eine punkige Mischung aus ‘70er-Black-Sabbath und Pop vorschwebte, vom Wahnsinn, der mich bis heute an seiner Musik so fasziniert, jedoch kein Wort. Klar, auf „Bleach“ hört man sowohl sein Streben nach supereingängigem Material („About a Girl“) als auch die herrlich schweren, mit Punk-Attitüde vorgetragenen Riffs, aber eben auch seine gesanglichen Ausbrüche, seine irgendwie einzigartige Form der Aggressivität und eine Entrücktheit, die bereits das Debüt zu etwas wirklich Besonderem machten.

Nichtsdestotrotz: Wer jemanden, über den so viel geschrieben und der so viel analysiert und interpretiert wurde, einmal in entspannter Atmosphäre selbst reden hören möchte, ist hier richtig. Musik gibt’s übrigens auch zu hören – zwar nicht von Nirvana, aber von Künstlerinnen und Künstlern, die Cobain mochte oder die seine Wege kreuzten.