Mondblut - Paul Annett (1974)
Verfasst: Do 28. Okt 2010, 00:30
The Beast Must Die (Großbritannien 1974, Originaltitel: The Beast Must Die, deutscher Titel: Mondblut)
Der Sicherheitsexperte Pavel (Anton Diffring) hat im Auftrag des schwerreichen Tom Newcliffe (Calvin Lockhart), ein extrem aufwändiges und komplexes Überwachungssytem auf dessen Landsitz installiert. Mit dieser Anlage kann das äusserst grosszügig dimensionierte Anwesen, optisch und akustisch nahezu lückenlos überwacht werden. Egal ob im Haus oder Garten, selbst im Wald, welcher das Grundstück umgibt, überall wurden Kameras und Mikrophone positioniert. Die Schaltzentrale befindet sich im Haus von Newcliffe. Der Grund für die Anbringung dieses Systems mutet haarsträubend an. Der verschrobene Millionär hat eine Gruppe von Gästen auf sein Anwesen eingeladen, einer aus der illustren Truppe soll ein Werwolf sein. Zumindest ist der Hausherr fest von seiner befremdlichen Vermutung überzeugt. Tom Newcliffe, der nicht nur im Geld schwimmt, sondern auch ein passionierter Jäger ist, will den Werwolf enttarnen, stellen und zur Strecke bringen. Was zunächst nach Spinnereien eines Exzentrikers riecht, sorgt schliesslich tatsächlich für Angst und Schrecken. Gibt es wirklich einen Werwolf im Kreis der Anwesenden? Verdachtsmomente sind durchaus vorhanden, gern möchte sich der eine oder andere Besucher der "Veranstaltung" entziehen, doch Newcliffe nötigt seine Besucher mit Nachdruck zum Verbleib. Unter den Gästen weilt auch Dr. Christopher Lundgren (Peter Cushing), der als Fachmann für Lykanthropie gilt. Seine Ausführungen mögen sich abenteuerlich anhören, doch die grausame Realität straft die Skeptiker bald Lügen. Reichen eine ausgefeilte Sicherheitsanlage und ein ehrgeiziger Jäger aus, um einen rasenden Werwolf zu stoppen, endgültig zu erlegen? Vor allem gilt es zu klären, welcher Gast sich bei Vollmond in eine reissende Bestie verwandelt...
Diese Amicus Produktion entstand unter der Regie des weniger bekannten Paul Annett. Der Film bietet ungewöhnliche Ansätze, fügt unterschiedliche Genres zu einem interessanten Filmerlebnis zusammen, obwohl eine Genre (Kriminalfilm) dominiert. Beim Wort "Werwolf" denkt man unwillkürlich an einen Grusel-/Horrorstreifen, doch bei "The Beast Must Die" steht das Krimi-/Thrillerelement klar im Vordergrund. Diese Ausrichtung zieht man konsequent durch, der Zuschauer wird aufgefodert den Täter -äähhm, Werwolf- zu ermitteln. Vor dem Finale gibt es einen sogenannten "Werewolf Break". Dort wird eine kurze Übersicht der Verdächtigen präsentiert, jede Figur mit ein paar Zeilen bedacht, schliesslich gewährt man dem Zuschauer 30 Sekunden Frist zur Entscheidung. Diese Option dürfte für jede Menge Spass sorgen, wenn man den Film mit einigen Freunden/Bekannten schaut. Ich lag mit meinem Verdacht übrigens völlig daneben, Derrick wäre nicht stolz auf mich, oh weh...
Das Erscheinungsbild des Werwolf mag zunächst für Enttäschung sorgen. Hier gibt es keine liebevoll aufgemachte Bestie zu sehen, man hat schlicht und ergreifend einen gewöhnlichen Hund ein wenig "aufgemotzt". Das Tier wirkt eher putzig, zumindest nicht unbedingt bedrohlich. Letztlich kommt dies dem Film sogar zugute, schliesslich dient der Werwolf nur als Aufhänger für eine unterhaltsame Killerhatz. Man lenkt gewissermaßen nicht vom Kern der Sache ab. Trotzdem bleibt das gute "Genremix-Gefühl" erhalten, denn Amicus belässt es nicht bei einem "Krimi mit Gruselschlagseite". Der (Anti)Held und Hauptdarsteller Calvin Lockhart, transportiert jede Menge Blaxploitation Atmosphäre in das Treiben. Sein Machogehabe lässt selbst Shaft wie einen Klosterschüler wirken, eine tolle Vorstellung. Als ruhender Gegenpol fungiert der von mir sehr verehrte Peter Cushing, der sich als "Werwolf-Experte" recht ausführlich über sein Fachgebiet auslassen darf. Der Nachname Lundgren verrät es, Herr Cushing spielt einen Schweden, was er mit einem herrlichen Dialekt vortrefflich untermalt. Anton Diffring blieb der grosse Durchbruch leider verwehrt, doch er blieb bis zu seinem Tod (1989) ein gefragter Schauspieler, oft wurde er als Bösewicht besetzt (Zum Beispiel als SS-Offizier in "Where Eagles Dare" (Agenten sterben einsam, 1968). Diffring war auch ein diversen Produktionen für das deutsche Fernsehen zu sehen ("Derrick", "Der Alte"). In diesem Amicus Film liefert eine überzeugende Vorstellung als routinierter Techniker, der sich unerwartet mit dem Grauen konfrontiert sieht. Charles Gray kommt recht knurrig daher, er dürfte vielen Filmfreunden durch den Bond Film "Diamantenfieber" bekannt sein. Dort ist er als Superschurke Blofeld zu sehen. In bester Erinnerung habe ich seinen Auftritt in der Hammer Perle "The Devil rides out" (1968). Er mimt in diesem Werk den bösartigen Gegenspieler von Christopher Lee. Damit soll genug zur Besetzung gesagt sein. Die weiteren Nebendarsteller verdienen ebenfalls Anerkennung, doch dies würde den Rahmen sprengen. Schaut euch den Film an, überzeugt euch selbst von den Qualitäten der Schauspieler.
Wer nun glaubt einen wüsten Streifen vor den Latz geknallt zu bekommen, liegt bei "The Beast Must Die" völlig daneben. Sicher, ein Kriminalfilm mit Horrorelementen, dazu ein Blaxploitationhauptdarsteller, das riecht nach einem reichlich wilden Treiben. Aber weit gefehlt, der Film kommt sorgfältig inszeniert und angenehm fliessend erzählt daher, ist überwiegend dialoglastig ausgerichtet. "Action" findet nur dann und wann statt, rundet das sympathische Gesamtbild gelungen ab. Der Score tönt sehr erbaulich aus den Lautsprechern. Irgendwie hat man den Kunstgriff hinbekommen, die unterschiedlichen Genres auch musikalisch kompakt auf den Punkt zu bringen. Konventionelle und originelle Ideen werden schamlos miteinander vermengt. Obwohl eher ruhig und solide ausgeführt, mutet "The Beast Must Die" durchaus eigenwillig, kauzig an, auf jeden Fall sehr liebenswert. Leider gibt es in Deutschland bisher keine offizielle DVD-Veröffentlichung des Films. Unter dem altbekannten Verleihtitel "Mondblut" ist ein Bootleg erschienen, über dessen Qualität und Verfügbarkeit ich allerdings keine Aussage treffen kann. Mir liegt der Film als britische DVD von Optimum vor. Die Scheibe geizt mit Boni, punktet aber kräftig mit ihrer schönen Bildqualität. Wer auf die deutsche Synchronisation verzichten kann, sollte sich auf jeden Fall die Optimum DVD gönnen (Schon allein wegen dem prachtvollen "Schwenglish" von Peter Cushing, sollte man sich den Originalton nicht entgehen lassen). Der Silberling wird zum fairen Preis angeboten, aktuell z.B. bei http://www.play.com für schlappe 6.99€!
Erneut wird mir klar, wie unverschämt und abstossend die Bewertung per Zahlenraster ist. Wenn ich die zahlreichen Amicus (oder auch Hammer) Produktionen zum Vergleich heranziehe, finde ich viele Filme, die mir noch weitaus mehr am Herzen liegen als "The Beast Must Die". Ergo "muss" ich diesen schönen Film mit lediglich 6,5/10 (oberste Mittelklasse) abspeisen, da die höheren Regionen von anderen Perlchen und Schätzen blockiert werden. Wie so oft bin ich deshalb dazu gezwungen, auf den "Wohlfühlfaktor" hinzuweisen, der dem Edelsteinchen mindestens 8/10 Knuffelpunkte einbringt!
Fazit: Dezent grotesk, dabei angenehm und liebenswert. In einem Wort: Knuffig!
Lieblingszitat:
"...and no one is missing?"