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Der Unhold - Volker Schlöndorff (1996)

Verfasst: Mo 6. Dez 2010, 02:09
von untot
Bild

Originaltitel: Der Unhold

Herstellungsland: Deutschland, Frankreich, Großbritannien

Erscheinungsjahr: 1996

Regie: Volker Schlöndorff

Darsteller: John Malkovich, Gottfried John, Marianne Sägebrecht, Volker Spengler, Heino Ferch,
Dieter Laser, Agnès Soral, Sasha Hanau, Vernon Dobtcheff, Simon McBurney, Ilja Smoljanski, Luc Florian...

Inhalt:
Während in fernen Stalingrad die sechste Armee kapituliert, reitet der Franzose Abel Tiffauges mit seinen Dobermännern wie ein schwarzer Mönch durch die masurischen Wälder, um Kinder für Hitlers schwindende Heerscharen zu entführen.
Der einfältige Abel macht seit seiner Gefangenschaft gemeinsame Sache mit den Nazis.
Seine Liebe zu Kindern hat ihn an die paramilitärische Eliteschule Kaltenborn verschlagen.
Hier üben sich Hunderte von Jungen zwischen 12 und 16 Jahren in Spielen, Wettkämpfen und Kriegshandwerk.
Abel umsorgt die Kinder und beschafft Nahrung.
Erst im Angesicht russischer Panzer begreift er, das er seine Schützlinge in den sicheren Tod geschickt hat...

Fazit:
"Der Unhold" ist die Verfilmung von Michel Tournier's Bestseller "Der Erlkönig".
Dieser Film ist einfach wunderbar, er zeigt den Irrsinn und die wahnwitzigen Weltanschauungen der Nazis, mal aus einer ganz anderen Perspektive.
John Malkovich spielt den Abel einfach göttlich, grandios, blabla... und zeigt wieder einmal, das er einer der wandlungsfähigsten Schauspieler unserer Zeit ist.
Auch Gottfried John und Volker Spengler (als Göring) spielen großartig, so wie auch der Rest der Darsteller, die ja allesamt nicht ganz unbekannt sind.
Gedreht wurde auf der Marienburg bei Danzig, die wirklich eine Traumkulisse abgegeben hat.
Einer der glatten 10er, auf der untot-Scala. :)

10/10

Re: Der Unhold - Volker Schlöndorff

Verfasst: Mo 18. Jul 2011, 00:09
von dr. freudstein
Bei mir reichts zur 8,5 derzeitig, aber ich bin sehr angetan von dem Filmchen. Mal eine andere Seite aus der unrühmlichen deutschen Vergangenheit österreichischer Prägung. Fantastische Schauspieler, grandiose Bilder, TOP umgesetzt. Gab ja damals viele, die die Nazis unterstützten, auch Nichtdeutsche und den wahren Schrecken nicht erkannten. Auch unser Abel hier verfiel dem Irrglauben, wenn auch nicht selbsttätig hineingeraten, sondern indirekt durch die Anschuldigungen einer enttäuschten Göre.
Seine Kinderliebe (nicht falsch verstehen) und Einfältigkeit ließ ihn das Falsche tun, aber er kommt nie unsympatisch rüber, glaubt er doch, Gutes für die Kinder zu tun. Wie sich herausstellt, nicht nur für "arische" Kinder, ihm ist es gleich, woher die Kinder stammen oder wessen Glaubens sie sind, was ihn dann auch in Gefahr bringt. Bis dahin hat er als Kriegsgefangener stets die Gunst der Nazis erworben. Hermann Göring wurde hier auch fantastisch dargestellt als selbstüberschätzender und verrückter Nazi.

Again: 8,5/10
Die Höchstnote würde ich hier nicht ziehen, weil die bleibt ja Filmen vorbehalten, die ich immer und immer wieder sehen kann. Bei DER UNHOLD vermag ich dieses Gefühl nicht zu bekommen, aber eine erneute Sichtung wird mal wieder anstehen, dessen bin ich mir sicher.
Danke dottoressa love für diesen tollen Tip :knutsch: , danke Bux für diesen tollen Smiley :thup: (ja, letzteren auch und alle anderen)

Re: Der Unhold - Volker Schlöndorff

Verfasst: Mo 18. Jul 2011, 00:19
von untot
Freut mich rasant, das Dir der Film gefallen hat liebster Dottore Amore! :D :knutsch:

Re: Der Unhold - Volker Schlöndorff

Verfasst: Mo 4. Jul 2016, 08:03
von purgatorio
DER UNHOLD (Deutschland, Frankreich, Großbritannien 1996, Regie: Volker Schlöndorff)

Abel (John Malkovich) ist geistig Kind geblieben und körperlich ein Riese. Seine bizarre Odyssee, angetrieben von Naivität, führt ihn vom Kinderheim in die Pariser Vorstädte, in die französische Armee und in deutsche Kriegsgefangenschaft. Dort wird er Helfer auf einem Hof von Göring, bis die Ereignisse in Stalingrad die örtliche Dekadenz jäh beenden. Und so wechselt er in eine Napola und verfällt dort den Verführungskünsten der Nazis. Bereitwillig sammelt er die Kinder der umliegenden Dörfer für die menschenvernichtende Ideologie und den totalen Krieg…

Schlöndorff ergeht sich in der Verfilmung von Michel Tourniers Der Erlkönig (Le Roi des Aulnes, 1972) sehr lang und ausführlich in den Wanderungen seines Antihelden. Erst spät erahnt man, wohin die Reise geht. Und dann plötzlich greift auch die Verführungskraft des Regimes. Bis zu einem gewissen Grad sind die Handlungen des Helden absolut nachvollziehbar, bis er plötzlich martialisch hoch zu Ross in langem Mantel und mit Dobermännern auf Kinderfang geht, um ihnen etwas Gutes zu tun. Hier kippt die Stimmung. Leider ist der Film im letzten Teil aber nicht in der Lage, den Verführungen eine adäquate Grausamkeit entgegenzusetzen, die annähernd gleich dimensioniert ist. Da genügte mir persönlich der Einblick in die irre Ideologie (besonders durch Dieter Laser) nicht vollständig.

Der Film ist hochkarätig besetzt (Dieter Laser konnte Irre schon immer gut spielen, Heino Ferch als SS-Antreiber ist großartig polarisierend, Marianne Sägebrecht ist herzlich und zu Malkovich muss man ja keine großen Worte verlieren) und toll ausgestattet. Er unterhält auf ganzer Linie! Aber perfekt ist er nicht, irgendetwas fehlt, irgendetwas lässt einen mit einem unbefriedigten Gefühl zurück. Das hätte alles offenbar noch schlimmer sein müssen!