Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock (1954)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock (1954)

Beitrag von horror1966 »

Bei Anruf Mord.jpg
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Bei Anruf Mord
(Dial M for Murder)
mit Ray Milland, Grace Kelly, Robert Cummings, John Williams, Anthony Dawson, Leo Britt, Patrick Allen, George Leigh, George Alderson, Robin Hughes
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Frederick Knott
Kamera: Robert Burks
Musik: Dimitri Tiomkin
FSK 12
USA / 1954

Margot Wendice ist die reiche Ehefrau des Playboys Tony. Tonys Charakter ist nicht gerade einer der feinsten, kein Wunder, daß seine Frau eine Liaison mit dem Schriftsteller Mark Halliday eingeht. Um einer möglichen Scheidung auszuweichen, heckt Tony einen teuflischen Plan aus. Er zwingt einen ehemaligen Schulkameraden, der in Schwierigkeiten steckt, zum Mord an seiner Frau. Der minutiös ausgefeilte Plan droht zu scheitern, als Margot es mit letzter Kraft schafft, ihren vermeintlichen Mörder mit einer Schere zu erstechen. Doch Tony reagiert mit eiskalter Berechnung: Er liefert der Polizei Hinweise, die seine Frau auf den elektrischen Stuhl bringen könnten...


Ähnlich wie schon bei "Coktail für eine Leiche" aus dem Jahr 1948 hat es Hitchcock auch bei vorliegendem Film wieder einmal perfekte Spannung auf kleinstem Raum entstehen zu lassen und er tat gut daran, sich mit seiner Inszenierung sehr nah an der Vorlage des dazugehörigen Bühnenstücks zu orientieren und die Geschichte nicht grundlegend zu verändern. So entsteht hier dieser kammerspielartige Eindruck beim Zuschauer, denn bis auf ganz wenige Ausnahmen spielt sich das ganze Geschehen in einem einzigen Zimmer ab. Für manche leute mag das vielleicht etwas langweilig klingen, aber wer "Coktail für eine Leiche" gesehen hat, der weiss ganz genau, welch einzigartige Faszination von einem solch gedrehten Film ausgehen kann. Und nicht anders verhält es sich auch in vorliegendem Film, der insbesondere durch die sich entfaltende und sehr dichte Grundstimmung und seine erstklassigen Darsteller überzeugen kann.

Neben der unvergessenen und bildschönen Grace Kelly ist es vor allem Ray Milland, der als windiger und boshafter Ehemann eine schauspielerische Glanzleistung abliefert und nach einem missglückten Mordplan keinerlei Skrupel hegt, alles so zurechtzulegen, das seine Ehefrau zum Tode verurteilt wird. Seine Darstellung des fiesen Charakters ist absolut brillant und hinterlässt beim Zuschauer einen wirklich nachhaltigen Eindruck. Doch im Prinzip kann man das auch von den anderen Akteuren und ihrem Schauspiel behaupten, denn was hier an Ausdrucksstärke und genialer Mimik geboten wird, das ist schon die ganz hohe Schule der Schauspielkunst, wie man sie in heutiger Zeit doch viel zu selten antrifft. Dabei tritt hier aber zu keiner Zeit die manchmal etwas überzogen wirkende Theatralik an den Tag, die man in vielen älteren Filmen begutachten kann, vielmehr wirkt die gesamte Szenerie nahezu perfekt aufeinander abgestimmt und sorgt so für einen sehr authentischen Eindruck.

Natürlich gibt es hier keine große Action zu sehen, aber die Mischung aus Krimi-und Thriller, die Hitchcock hier geschaffen hat, ist in meinen Augen absolut gelungen und sorgt jederzeit für einen äusserst interessanten und spannenden Filmgenuss. Sicherlich ist das Werk extrem dialoglastig und das trifft nicht jeden Geschmack, aber die vorhandenen Dialoge sind ganz einfach großartig und zeugen von einer sehr hohen Qualität. Hierfür braucht man nur an das Gespräch zwischen dem Ehemann und dem gedungenen Killer denken,, das phasenweise wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, obwohl gerade über einen Mord gesprochen wird. Auch in dieser Passage ist es ray Milland, der eine grandiose Kostprobe seines schauspilerischen Könnens zum Besten gibt, wie sie besser kaum sein könnte. Aber ganz prinzipiell ist es eine wahre Freude, allen Akteuren zuzusehen-und zu hören, denn nur durch sie kann der Film seine ganze Intensität und Faszination entwickeln, die hier ganzzeitig vorhanden ist.

Auch wenn "Bei Anruf Mord" für viele nicht unbedingt zu den absolut herausragenden Filmen Hitchcock's zählen mag, hat der Meister es wieder einmal geschafft zu beweisen, das man auch mit den geringsten Mitteln und räumlich begrenzt ein äusserst hohes Maß an Spannung-und Thrill zu erzeugen, das zu jeder Zeit dazu in der Lage ist, den Betrachter für sich einzunehmen und sich so seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu sichern. Denn man braucht nicht mehr als eine wohldurchdachte und spannende Geschichte und einige erstklassige Schauspieler, die diese durch ihr ausdrucksstarkes Schauspiel zu einem wirklich fesselnden Erlebnis machen.


Fazit:


Egal, um welche Art von Film es sich handelt, der britische Meisterregisseur schafft es doch immer wieder, den Zuschauer aufs Neue zu begeistern und hat auch mit "Bei Anruf Mord" einen Film geschaffen, den man sich auch nach über einem halben Jahrhundert immer wieder fern anschaut, da dieses Werk im Laufe der Jahrzehnte überhaupt nichts von seiner Faszination verloren hat.


9/10
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Arkadin
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock

Beitrag von Arkadin »

Schwächerer Hitchcock-Thriller, der seine Theater-Wurzeln nie verleugnen kann. Einige gewohnt brillante Einfälle (wie der Farbwechsel bei Grace Kellys Kleidern und die Mordsequenz, die das damals neuartige 3D optimal ausnutzt), aber im Großen und Ganzen doch eher eine kleine Fingerübung für den großen Meister. 7/10
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untot
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock

Beitrag von untot »

"Bei Anruf Mord" gehört auch nicht zu meinen Lieblingen des Meisters, aber es ist natürlich trotzdem ein wunderbarer Film, den man sich immer wieder angucken kann.
Die Kammerspiel-Atmosphäre hat was finde ich, Grace Kelly ist wie immer eine Augenweide.

7/10
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purgatorio
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock

Beitrag von purgatorio »

nur 7/10 :shock: :? ich hab den gestern zum ersten Mal gesehen und fand den sogar besser als den überall gelobten Vertigo :lol: Ich fand ja, dass der Film schneller aus dem Knick und zur Sache kam, wenig Geplänkel, stattdessen in medias res - das hat mich auf dem richtigen Fuß erwischt, ich hing am Haken! Aber wahrscheinlich funktioniert der Film wirklich nur einmal richtig, wenn man die Lösung nicht kennt.
purgatorio hat geschrieben:BEI ANRUF MORD (Dial M for Murder, 1954)
gefiel mir ausgesprochen gut! Ich fühlte mich bestens von diesem spannenden Kammerspiel unterhalten und hatte schon sehr lange nichtmehr so viel Spaß beim heimlichen mitknobeln (wobei ich niemals von allein auf die Lösung gekommen wäre :lol: ) - ganz großes Hitchkock-Kino!!! 9/10
Aber zählt schon meine Meinung, wo das gerade mal mein vierter Hitchkock war :lol: :palm:
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
untot
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock

Beitrag von untot »

Jeder hat doch mal klein angefangen Purgschi und Vertigo gehört auch nicht zu meinen Lieblingen, das ist eben alles Geschmackssache! :nick:
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purgatorio
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock

Beitrag von purgatorio »

ich habe letztens dieses schöne AHF mit Grace Kelly erstanden. Wollte ich euch nicht vorenthalten:
 ! Nachricht von: buxtebrawler
Entfernt, da beim Bildhoster directupload.net leider nicht mehr verfügbar.
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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buxtebrawler
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Re: Bei Anruf Mord - Alfred Hitchcock (1954)

Beitrag von buxtebrawler »

„Glauben Sie wirklich an ein vollkommenes Verbrechen?“

Alfred Hitchcocks Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks – für beide steuerte Frederick Knott das Drehbuch bei – stammt aus dem Jahre 1954 und orientiert sich stark an der Vorlage, überraschte jedoch mit seinen satten Farben und der Verwendung von 3D-Technologie. Dieser Melange aus Täterperspektiven-Thriller und Kriminalfilm sollte aber Hitchcocks einziger 3D-Film bleiben. Zugleich markierte er seine erste Zusammenarbeit mit Schauspielerin Grace Kelly.

„Ich glaube, ich bekomme jetzt meinen Nervenzusammenbruch...“

Der ehemalige Tennisprofi Tony Wendice (Ray Milland, „Ich bin ein Atomspion“) ist seiner Frau Margot (Grace Kelly, „12 Uhr mittags“) überdrüssig, seit sie eine Affäre mit Mark Halliday (Robert Cummings, „Ein Baby kommt selten allein“) hatte, nicht jedoch ihres Vermögens. Daher plant er den perfekten Mord an Margot, den sein alter Bekannter Charles Swann (Anthony Dawson, „Wölfe in der Nacht“), ein Hochstapler und Kleinganove, für ihn durchführen soll. Swann soll Margot erwürgen, kurz nachdem sie einen Anruf Tonys entgegengenommen haben wird, wodurch er ein Alibi hätte. Er hat jedoch nicht mit der Wehrhaftigkeit seiner Frau gerechnet, die Swann in Notwehr ersticht. Der verschlagene und intelligente Tony arbeitet daraufhin geschickt und subtil daran, seine Frau als Mörderin hinzustellen, damit sie hingerichtet wird und er sie endlich los ist, aber ihr Vermögen erbt. Chefinspektor Hubbard (John Williams, „Sabrina“) scheint auf den gerissenen Ex-Sportler hereinzufallen…

Bereits mit seinen Observierungen zu Beginn wird Tony als manischer Perfektionist eingeführt. Sein Plan wird bis ins Detail offengelegt, er hat nichts dem Zufall überlassen. Doch ein Dialog zwischen ihm und Mark über den perfekten Mord gerät zu einer Art böser Vorausahnung, unbemerkt vom sich eiskalt gerierenden Tony. Die Exposition ist unheimlich dialoglastig, mir persönlich zu sehr. Die Durchführung des Mordanschlags wiederum ist hochspannend inszeniert, hier wird Hitchcock seinem Ruf als Meister der Suspense gerecht. Nachdem Tonys Plan zunächst nicht aufging, tritt er weiter als großer Manipulator in Erscheinung, der dennoch seinen Vorteil aus der missglückten Aktion zu ziehen versucht.

Ungefähr in der Filmmitte wird das Wort „Intermission“ eingeblendet und „Bei Anruf Mord“ findet – leider – vollends zum dialoglastigen Kammerstück zurück. Bis auf rar gesäte, kurze Außenaufnahmen spielt sich alles in Tonys und Margots Wohnung und dort zumeist im ein und demselben Raum statt. Inspektor Hubbard stößt hinzu und ermittelt, während Tony sich fintenreich aus allem herauszureden und die Schuld auf seine Frau zu lenken versucht. Tatsächlich wird Margot wegen Mordes verhaftet, bis (Achtung: Spoiler!) Hubbard Tony doch noch überführt. All dies geschieht rein verbal, wobei es durchaus Momente gibt, in denen Tonys rhetorisches Geschick, seine perfide, um die Ecke gedachte Taktik und der Scharfsinn sowohl Tonys als auch des Inspektors faszinieren. Wer genau zu folgen versucht, dem kann dabei schon mal der Kopf schwirren (für einen verkaterten Sonntag ist das eher nix), insgesamt ist die Inszenierung aber bar jeder Schauwerte und ermüdend.

Zu dieser Wirkung bei trägt neben der Beschränkung auf eben diesen einen Raum die emotionslose Gefühlskälte nahezu aller Beteiligter, ausgenommen Margot. So verdient und gut die Schauspieler auch sein mögen, hier werden sie in großen Teilen zu reinen Textaufsagern degradiert. Immerhin darf der Inspektor mit dem einen oder anderen Spruch etwas Humor einbringen. Zur allgemeinen Steifheit, Kälte und Gelacktheit des Films passen auch die irritierenden direkten Konsequenzen des Mordversuchs: Ein (verhinderter) Mörder, den ein Scherenstich unmittelbar umbringt und ein Opfer, das eigentlich zumindest einen zerquetschten Kehlkopf davongetragen haben müsste, aber völlig wohlauf scheint.

Hier geht es nicht vornehmlich um Emotionen, menschliche Abgründe, um Wahnsinn, Blut und Tränen, sondern um klugscheißerische Dialogduelle roboterartiger Menschen, die den Wahnsinn hinter diesen Taten kaschieren und wie Kavalierdelikte gesitteter Gentlemen erscheinen lassen. Das mag in Theaterkulissen funktionieren, ist mir für einen Spielfilm aber zu wenig. Zugutehalten möchte ich diesem aber Hitchcocks Farb-„Dramaturgie“, die sich in Margots immer düsterer werdender Kleidung niederschlägt. Die 3D-Technik hat Hitchcock jedoch äußerst sparsam – anscheinend in lediglich drei kurzen Szenen – eingesetzt, wovon man indes erst recht nichts hat, wenn man sich die verbreitete 2D-Fassung ansieht.

Für Hitchcock handelte es sich um eine schnell abgedrehte Gelegenheitsarbeit, die viele Freundinnen und Freunde fand. Doch auch wenn „Bei Anruf Mord“ bei der Zweitsichtung etwas gewann und für Fans unterkühlter Knobelkrimis eine Offenbarung sein sollte, kann ich mich nicht dazuzählen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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