Als ich zuerst nach der DVD griff, zog ich meine Hand gleich wieder wie verbrannt zurück. Ich erinnerte mich daran, was ich über diesen Film gelesen hatte: „Nach einer Idee von Charles Band“. Und da ich wusste, dass die Ideen von Charles Band meist in mordenden Lebkuchenmännern oder fickenden Homunkuluspuppen resultieren, wollte ich anfangs meine Finger davon lassen. Gott sei dank überredete mich die leicht bekleidete Dame auf der Coverrückseite dann doch zu einem Kauf und bei Gott, ich hab es nicht bereut!!!
Was den Film zu einem Objekt meiner Begierde macht ist in erster Linie (natürlich abgesehen von der Dame auf der Coverrückseite
), dass Band auf den Regiestuhl verzichtet hat und ihn den wesentlich fähigeren Händen des Stuart Gordon gelegt hat, der wieder mal Hand in Hand mit Darsteller Jeffrey Combs kommt, welcher für ihn wohl so was ähnliches ist wie Bruce für Sam Raimi.
Sind Gordon und Combs noch nicht ausreichend Gründe um dem Film die Höchstnote zu verpassen, hier meine Erklärung warum „Castle Freak“ ein Spitzenwerk ist:
Als Setting bekommt Gordon ein altes italienisches Schloss, welches er mit Gewittereffekten und Schattenspielen in eine Hochburg des Gotikhorrors verwandelt, wie sie in den Visionen Roger Cormans existiert. Dies gibt schon von Haus aus eine schön gruselige Atmosphäre, doch Gordon schafft zusätzlich eine andauernde unheimliche Stimmung, die, anstatt uns sinnlos mit irgendwelchen doofen Jumpscares zu quälen (zur Hölle mit dir, Michael Bay
), uns einfach in der bloßen Erwartung auf das Grauen fesselt ohne uns mit Schockmomenten zu verstören, was ich als um einiges Unterhaltsamer und viel besser fürs Herz empfinde.
Wir haben also eine perfekte Gruselatmosphäre wie sie nicht hätte stimmiger sein können. Reicht das Gordon? Nein, er gibt uns noch mehr! Er fügt ein wenig Sex hinzu, ein bisschen Gewalt, eine ordentliche Portion Dramatik, sowie ein Hauch von seinem höchst eigenen Humor. All diese unterschiedlichen Empfindungen stehen aber keinesfalls im Konflikt zueinander, sondern sind so geschickt verteilt, dass sie bestens ineinander greifen und den atmosphärischen Gotik-Grusler in eine Überraschungstüte all dessen verwandeln, was das Horrorgenre ausmacht.
Diese schöne Mischung der einzelnen Stilrichtungen haben wir halb der Regie und halb dem Drehbuch zu verdanken, welches ebenfalls von Gordon stammt. Handlung an sich gibt es recht wenig, aber trotzdem kommt die anderthalb Stunden kein wenig Langeweile auf, zum einen wegen der erwähnten ständigen Präsenz der unheimlichen Stimmung und zum anderen wegen den Hauptcharakteren.
Jeffrey Combs spielt einen Familienvater, welcher vor zwei Jahren betrunken einen Autounfall gebaut hat, der seinem Sohn das Leben und seiner Tochter das Augenlicht gekostet hatte. Seine Gattin hasst ihn dafür abgrundtief und er ist von Schuldgefühlen zerfressen, doch da sie sich um die gemeinsame Tochter kümmern müssen, kann sie ihn nicht ohne weiteres verlassen und er sich nicht das Leben nehmen. Die Tochter hat den sympathischten Charakter den man sich nur ausdenken kann, was diese Fürsorge, welche die entzweiten Eltern zusammenhält, verständlich macht. Daher sind unsere Hauptpersonen sehr interessante Charaktere, schon bevor die Horrorhandlung beginnt, werden wir von ihrer verzwickten Lage mitgerissen und später wird es sogar noch interessanter, da wir uns fragen wie ihre unübliche Beziehung auf eine Extremsituation reagiert.
Selbst die Nebencharaktere sind entweder komplex, humorig überzeichnet oder in den meisten Fällen sogar beides. Und last but not least haben wir natürlich noch den Killer des Abends, den Freak himself, ein missgestalteter Mensch, dessen bisheriges Leben unter konstanter Folterung in einem Kerker verbracht wurde. Wir haben durchaus Mitleid mit ihm, stellenweise glauben wir dann sogar, er könnte wie das Phantom der Oper nur ein missverstandener Außenseiter sein, der sich einzig nach Liebe und einen Platz an der Sonne sehnt. Dies geht solange, bis er beginnt auf äußerst brutale Weise Menschen abzuschlachten. Die Gewalt kommt umso schockierender rüber, da wir sie in einem auf Atmo gebauten Grusler nicht erwarten.
Seine Maske ist auch ziemlich gut, noch besser aber ist Gordons Weise damit zu arbeiten. Er zeigt den Freak erst ganz am Schluss deutlich. Zuvor bekommen wir ihn nur entweder von hinten, in Form von Detailaufnahmen oder unter einem Bettlaken zu sehen, was das Kopfkino ganz schön ins Laufen bringt. Zumindest würde es das tun, hätte man das Monstrum nicht RIESENGROSS AUFS COVER GEDRUCKT!!!
Noch dazu doof grinsend, dass man meinen könnte der Film sei eine Horrorkomödie, was er eindeutig nicht ist.
Ich möchte wissen was für eine Schnarchnase von Produzent für das Marketing zuständig war…ach ja, stimmt, Charles Band
(war nur ein Witz, ich habe keine Ahnung ob Band als Produzent auch bei den Covers mitmischt
).
Mit dem Freak, welchen wir uns noch tausendmal hässlicher denken als er in Wahrheit ist kommt es zu einigen unheimlichen Szenen, die selbst einen altgesottenen Horrorfan wie mich noch das Fürchten lehren. Wie diese eine Szene, in der er neben der schlafenden Tochter steht und ihr langsam die Decke vom Körper streicht.
Man stelle sich nur vor, man schläft, öffnet die Augen und das erste was man sieht ist…oh Gott, ich werde die nächste Woche so was von keinen Schlaf finden.
Fazit: Er ist als Gruselhorror von beispielhafter Perfektion. Das Einfügen von guten Charakteren, Dramatik und Gewalt hebt ihn dann noch über die Perfektion hinaus. 10/10