Hier ein paar Gedanken zu "Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen" im Speziellen und Nibelungen-Verfilmungen im Allgemeinen. Solltet ihr Fans der 2004-Uli-Edel-Version sein, bitte ich jedoch nicht weiter zu lesen
Handlung:
„Das Nibelungenlied“ Vers 1 bis 3844.
Kritik:
Teil 1: Wie andere Nibelungen-Verfilmungen ausgefallen waren
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mit euch ein wenig über das „Nibelungenlied“ reden, denn ich liebe das „Nibelungenlied“, zumindest die zweite Hälfte. Die erste fand ich immer schon ein wenig träge: Da ist halt dieser Typ, der unverwundbar und übermenschlich stark ist und mit den man sich nicht wirklich identifizieren kann und er verliebt sich in eine Typin, die weltfremd und naiv ist und dann ist da noch eine isländische Typin, die bärenstark und männermordend ist und die sitzen halt herum und erzählen irgendwas und tun Zeugs…doch dann tut sich eine Gruppe philanthropischer Heroen zusammen und einer von ihnen steckt einen Spieß in den unverwundbaren Grinsebert und der unverwundbare Grinsebert stirbt daran, dass ein Spieß in ihm steckt.
Und mit einem mal wird dieses gewöhnlich Fantasy-Geschichtchen zu dem größten literarischen Werk vor Shakespeare: Zwei Völker prallen in epischen Krieg aufeinander, Kriemhild wird von Rache getrieben zu einer unglaublich komplexen und interessanten Figur, jeder Recke muss sich zwischen Treue und Leben entscheiden und das Verhältnis zwischen Hagen und Gunther kommt in all seiner Faszination zu Tage. So treu Hagen nämlich als Lehnsmann ist, ebenso treu steht Gunther als Lehnsherr hinter ihm. Die ganze Zweite Hälfte des Liedes behandelt praktisch den Kampf dieser Treue gegen die Rache Kriemhilds, denn wenn Gunther Hagen einfach seinem Schicksal überlassen hätte, hätte die Rächerin leichtes Spiel gehabt und das Ende wäre wesentlich unblutiger ausgefallen, aber Gunther riskiert sein eigenes Leben um seinen treuen Vasallen nicht im Stich zu lassen. Das übliche Fantasy-Publikum mag zwar anders darüber denken und die erste Hälfte favorisieren, aber ich finde diesen Kampf der Emotionen viel interessanter als jeden Drachenkampf, von dem jemals erzählt wurde.
Nachdem das gesagt wurde, wie sieht’s mit den filmischen Adaptionen aus? Zunächst haben wir da die Fritz-Lang-Stummfilm-Variante, die zu Recht die berühmteste Verfilmung ist. In unvergesslichen Bildern setzt Lang dem Stoff ein würdiges filmisches Denkmal. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich persönlich die Harald-Reinl-Version noch ein klein wenig lieber mag
. Diese Verfilmung hat einfach perfekt den Geist der Sage aufgegriffen (besonders eben den zweiten Teil), alle Stärken und guten Charaktere in den Vordergrund gestellt und die paar Änderungen, die diese Verfilmung vornimmt, sind nachvollziehbar und machen das ganze noch ergreifender.
Dann kam die Erotik-Variante, der wir uns gleich zuwenden und dann lange Zeit gar nichts und dann 2004 kam die Uli-Edel-Version
. Obwohl Uli Edel kein schlechter TV-Regisseur ist, hasse ich doch diese Verfilmung. Und ich spreche hier nicht von einem 0815-Die-Saat-des-Teufels-Hass, ich spreche hier von einem Hass von Avatar-Dimensionen! Diese Verfilmung streicht jeden Aspekt, den ich am Original geliebt habe und ersetzt ihn durch klischeehaften voraussehbaren langweiligen struntzdummen altbekannten Hollywood-Blockbuster-Mainstream-Blödsinn!
Das edle Verhältnis zwischen Hagen und Gunther wurde gestrichen um Hagen zu einem typischen Superschurken zu machen, Kriemhild interessante Charakterentwicklung wurde weggelassen um Raum für die klischeehafte Brunhild zu machen, der doofe Siegfried darf bis zum Ende am Leben bleiben, die meisten faszinierenden Helden kommen nicht zum Zug und stattdessen wird Giselher aus irgendeinem Grund zu einer Hauptfigur gemacht!? Wer zum Teufel interessiert sich für Giselher??? Wahrscheinlich dachte Edel, junges Publikum kann sich mit jedem dahergelaufenen Volleumel identifizieren, solange der auch jung ist…aber nein, ich bin jung und ich interessiere mich nicht für Giselher! Giselhers Rolle in der Story ist herumzustehen und irgendwann zu sterben. Wer braucht das? Wir wollen den treuen Gunther, den besonnenen Hagen, den kunstsinnigen Volker, den pflichtbewussten Rüdiger oder den gerechten Dietrich von Bern…aber doch nicht Giselher! Weißt du, Uli Edel, du magst ja ein netter Typ sein, aber bitte tu mir einen kleinen Gefallen: Geh doch nach Amerika, such den Typen, der „Hamlet – The Denmark Corporation“ gedreht hat, freunde dich mit ihm an und dann zieht gemeinsam auf eine einsame Insel, wo ihr keine geliebten Klassiker mehr in den Schmutz ziehen könnt!
Dann gab’s noch ein Jahr später die Parodie „Siegfried“, an viel erinnere ich mich nicht mehr, nur noch an ein peinliches mit Kinderstimme sprechendes Schwein, einen Siegfried, der wieder mal bis zum Ende herumnervt, die völlige Missachtung der faszinierenden Charaktere von Gunther, Hagen und Kriemhild, dem Weglassen der meisten coolen Ritter, einem übertrieben Gebrauch von Furzwitzen und der Haltung des Regisseurs, dass Dialekt lustig ist, so dass man keine Gags mehr braucht, solange die Darsteller im Dialekt sprechen. Kleiner Tipp: Dialekt ist nicht lustig (Anm. Bis auf den Schweizer-Dialekt, der ist zum Schießen.
)!
Teil 2: Wie "Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen" ausgefallen ward
Betrachtet man besonders die beiden neuesten Ergüsse, so muss gesagt werden, dass Adrian Hovens Porno-Parodie des „Nibelungenliedes“ die Originalstory weit weniger vergewaltigt, als es Edel und der Typ, der „Siegfried“ gemacht hat, taten. „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ ist die einzige Verfilmung, die Kriemhilds Rache weglässt ohne mich damit vollkommen in Rage zu versetzen. Dies hat sie einigen Aspekten zu verdanken:
Zunächst mal gibt Raimund Harmstorf in meinen Augen den „besten“ Siegfried, der jemals über eine Leinwand geflimmert ist. Siegfried ist ein Sohn aus königlichen Hause, der bei einem einfachen Schmied aufwuchs und dieser Dualismus von primitiven Gemüt aber edlem Geblüt wird durch Harmstorfs Performance gekonnt umgesetzt. Sein Siegfried ist äußerst animalisch und triebgesteuert, schläft mit allem, was ihm vors Schwert kommt und hat sichtlich Spaß daran mit seiner enormen Kraft anzugeben. Dennoch weiß er instinktiv, wann er diplomatisch oder zärtlich sein muss. Dies sieht man beispielsweise in der Szene in welcher er mit sichtlicher Gaude sämtliche Hofdamen Kriemhilds auf einmal beglückt, jedoch die eine jungfräuliche unter ihnen in Ruhe lässt, oder indem man seine zärtliche Nacht mit Kriemhild mit seinen wesentlich wilderen Liebesabenteuern vergleicht.
Sybil Danning leistet auch einen phantastischen Job als Kriemhild. Sie macht zwar nicht die Entwicklung zur beeindruckenden Rächerin durch, aus dem Charakter vor genannter Transformation macht sie jedoch das Beste, was man daraus machen kann. Erfolgreich stellt sie Kriemhild als äußerst sympathische aber auch nachvollziehbare Figur dar, die gutmütig und vor allem gutgläubig ist, dies jedoch auf keine übertriebene Weise. Ein wenig verstört nur, dass man ihre Unschuld in so großen Worten lobpreist nur damit sie in ihrer ersten Szene splitternackt auftritt und in ihrer zweiten mit einer Dienerin herummacht. Aber das soll kein gröberer Kritikpunkt sein.
An den restlichen Darstellern und Rollen gibt es auch wenig auszusetzen: Heidy Bohlen spielt auf launige Weise eine hervorragende Brunhild; aus Gunther und Hagen machte man zwar wie in „Siegfried“ Witzfiguren, dies aber wesentlich geschickter, indem man das Alberne der jeweiligen Figuren, Gunthers Schwäche und Hagens Haarschnitt
, auf ungemein komische Weise überzeichnete; Giselher und Gernot stehen sinnlos im Hintergrund herum (so wie sie es sollen, Uli Edel
); Peter Berling als Siegfrieds Sidekick hätte ich zwar nicht gebraucht, aber wenigstens ist er kein nerviges sprechendes Ferkel; und die unzähligen Nebendarstellerinnen sind nicht nur allesamt wunderschön, sondern verfügen auch über genugtuende schauspielerische Fähigkeiten.
Der Regisseur Adrian Hoven vollbringt zusätzlich das Wunder, die verschiedensten Stimmungen, die der Film vermitteln will, jeweils atmosphärisch umzusetzen. Dies sehen wir vor allem in den Erotikszenen. Unter denen gibt es nämlich welche die romantisch, witzig, dekadent oder einfach existent sein wollen, was Hoven jeweils erstklassig umsetzt. Damit meine ich, dass er durch wenige Schnitte und viele Gesichtsdetailaufnahmen Szenen wie die Liebesnacht zwischen Siegfried und Kriemhild zärtlich und romantisch erscheinen lässt; Szenen wie die, in welcher Brunhild mit dem unsichtbaren Siegfried „schläft“ ungeheuer spaßig rüberbringt (auch wenn dies in dem Beispiel wohl besonders an Heidy Bohlens hingebungsvoller Performance liegt); uns in Szenen wie der Orgie am Burgunderhof durch obskure Kameraperspektiven, epileptische Schnitte und Elektrogittarensound, die Dekadenz der Ritter vor Augen führt; und alle anderen Erotikszenen, die keine spezielle Stimmung vermitteln sollen, zumindest erotisch und mehr oder weniger kurzweilig inszeniert.
So sehr ich Hovens Stil die Erotikszenen betreffend schätze, hier liegt jedoch auch mein Hauptproblem mit „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“: Es gibt einfach zu viele Sexszenen. Sicher, sie alle sind wunderbar inszeniert und die „Beteiligten“ sind in der Regel sowohl sympathisch als auch ansehnlich, aber mit der Zeit wird es einfach zu viel des Guten. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass sich im Hintergrund nackte Hofdamen tummeln, solange im Vordergrund die Handlung weitergeht, aber sobald die Handlung zum x-ten Mal wegen irgendwelchen Liebeleien aussetzt, wird das Herumgeschmuse einfach langweilig.
Da ich als Fan der zweiten Hälfte des „Nibelungenlieds“ auch kurz auf das Ende von „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ eingehen werde, sei hier vor Spoilern gewarnt: In Hovens Erotik-Version wird nämlich Kriemhilds Rache nicht nur weggelassen, Siegfried überlebt den Film sogar. Dies stört jedoch nicht sonderlich, da uns Harmstorf und Danning genügend ans Herz gewachsen sind, um für sie ein Happy-End herbeizuwünschen, wir bekommen auch noch einen netten kleinen Epilog, der uns einen sympathischen Ratschlag bezüglich zwischenmenschlicher Beziehungen beschert. Und ich muss gestehen, so sehr mich Kriemhilds Entwicklung und die Thematisierung von Treue und Ritterlichkeit im Originaltext faszinieren, dieses nette kleine Ende der Erotik-Variante, dass Vergebung und Nächstenliebe als Option sieht, ist ein wirklich guter Ersatz für die blutige Hunnen-Episode.
Fazit: Aufgrund des Übermaßes an Sex-Szenen hätte ich 6/10 gegeben, da die Liebenswerten Charaktere und die sympathische Grundaussage jedoch so ans Herz gewachsen sind und Adrien Hoven so fähig inszeniert lasse ich mich zu wohlwollenden 7/10 hinreißen.