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Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel (1975)

Verfasst: Do 30. Dez 2010, 23:42
von Blap
Death Race 2000.jpg
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Death Race 2000 (USA 1975, Originaltitel: Death Race 2000)

Trash in Dystopia

Im Jahr 2000 werden die früheren USA von einem allmächtigen Diktator regiert. Jedes Jahr wird ein irrsinniges Autorennen im Fernsehen übertragen, bei dem die Fahrer einmal quer durch den nordamerikanischen Kontinent rasen. Nicht viele Teilnehmer halten bis zum Finale durch, doch wer zuerst über die Ziellinie hämmert, wird nicht automatisch zum Sieger der Veranstaltung. Es gilt unterwegs möglichst viele Punkte zu sammeln, die man für überfahrene Fußgänger erhält. Der bekannteste und beliebteste Fahrer ist Frankenstein (David Carradine), seinen härtesten Gegner hat er in Machine Gun Joe (Sylvester Stallone), der beim Volk kein hohes Ansehen geniesst. Dieses Jahr soll ein ganz besonderes Rennen für Frankenstein werden, denn seine Co-Pilotin Annie (Simone Griffeth) gehört zur Widerstandsbewegung, die Frankenstein in ihre Gewalt bringen will. Doch der mit allen Wassern gewaschene Frankenstein durchschaut den Plan, unbeirrbar verfolgt er seinen eigenen Weg. Ja, das blutige Rennen des Jahres 2000, wird zweifellos Einzug in die Geschichtsbücher halten...

Noch vor dem schnittigen Reisser "Cannonball" (1976), inszenierte Paul Bartel "Death Race 2000", der in Deutschland ursprünglich unter dem knuffigen Titel "Frankensteins Todes-Rennen" vermarktet wurde. "Death Race 2000" nimmt uns auf einen herrlichen Trip mit, die knapp 80 Minuten Laufzeit vergehen sprichwörtlich im Eiltempo. Der Streifen ist eine wuchtige Wundertüte, die einen bunten Reigen auf den erfreuten Zuschauer einprasseln lässt. Da hätten wir die schön erdachten Autos, mit denen man sich wirklich Mühe gemacht hat, in Anbetracht der geringen Finanzmittel eine reife Leistung. Dazu gibt es bescheuerte Dialoge und schräge Figuren, David Carradine passt erstklassig in die Rolle des Frankenstein, während Sylvester Stallone -damals noch ein unbekannter Schauspieler, der wenig später mit "Rocky" zum Star werden sollte- einen der kultigsten Auftritte seiner Karriere hinlegt. Bei all dem Irrsinn sollte nicht vergessen werden, dass die Sause auch dem dystopischen Film zugeneigt ist. Nur wird bei "Death Race 2000" eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gedroht, sondern eine hysterische Satire donnert über die Leinwand. Schräge Ideen sorgen für gute Laune, für jeden überrollten Passanten setzt es Punkte. Besonders Rentner und Kinder füllen das Konto, was für zusätzlichen Ansporn bei den Fahren sorgt. Vermutlich ist der Streifen damit gar nicht mehr so weit von zukünftigen Realitäten entfernt, schaut man sich die immer absurderen Auswüchse der Fernsehunterhaltung an.

David Carradine setzt Maßstäbe, definiert das Wörtchen "cool" auf seine Weise. Frankenstein ist nicht nur der beste Fahrer, er ist auch nahezu unkaputtbar, nebenbei f*ckt er seine Beifahrerin, haut bei Bedarf dem fiesen Machine Gun Joe aufs zu grosse Maul. Sylvester Stallone in der Rolle des Bösewichts zu sehen ist ein Genuß, er pöbelt ständig und ausdauernd, schneidet groteske Grimassen, glotzt debil aus der Wäsche, es ist wirklich eine Pracht! Die Damen sind leider nicht sonderlich sexy. So ist der Anblick nackter Haut mehr nettes Beiwerk, der Lechzfaktor bewegt sich in moderaten Bahnen. Zugegeben, Carradines Begleiterin Simone Griffeth ist hübsch, sorgt aber nicht für erhöhte Blutzirkulation. Die übrigen Fratzen füllen das unterhaltsame Treiben passend auf, grausige Moderatoren, eine Nazi-Braut samt Beifahrer, der väterliche Präsident, die senile Oberwiderstandskämpferin. Kauzig, schrullig, überdreht und gut! Produzent Roger Corman hat -wie so oft- einen guten Riecher bewiesen.

Vergleicht man "Death Race 2000" mit dem Remake von 2008, kann die Neuauflage nicht mithalten. Zwar geht es bei Statham und Konsorten brutaler zu, doch der Film ist meilenweit vom urigen Charme der ursprünglichen Version entfernt. Ich gebe gern zu, dass mir auch die neue Variante gut gefällt, doch letztlich ist mir das Original eindeutig lieber. Grosses Lob verdient die Blu-ray Auswertung von MIG. So muss ein Schätzchen älteren Datums aussehen! Das Material wurde nicht zu Tode gefiltert, ein paar Kratzer sind auszumachen, die Farben sind stimmig, die Schärfe auf gutem Niveau. Wer auf sterile, abgewürgte Restaurationen steht, sollte besser einen grossen Bogen um diese Blu-ray machen. Ich vermute allerdings, dass die Zielgruppe sich über die gebotene Qualität sehr freuen wird. Boni sind leider recht sparsam dosiert, doch der sehr faire Preis (unter 10€) stimmt in dieser Hinsicht milde. "Flatschenneurotiker" dürfen sich entspannen, die BD bietet ein Wendecover an.

"Frankensteins Todes-Rennen" ist sowieso ein sehr töftes Filmchen, dank der schönen Blu-ray nun in stimmungsvollem Zustand genießbar! Klare Kaufempfehlung!

Sehr gut = 8/10

Lieblingszitat:

"Ich werde dir eine Lektion im Blitzkrieg erteilen. Du kannst mich nicht vom Endsieg abhalten."

Re: Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel

Verfasst: Sa 1. Jan 2011, 20:17
von Onkel Joe
Trash as Trash can und zwar vom feinsten wie ich wohl meine :thup: .
8/10

Re: Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel

Verfasst: So 6. Mai 2012, 16:07
von purgatorio
:thup:

Re: Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel

Verfasst: So 24. Aug 2014, 22:48
von CamperVan.Helsing
Blap hat ja schon alles wichtige geschrieben. Falls aber noch nicht jeder überzeugt ist, dass diese zugegeben etwas grobschlächtige Satire (Paul Bartel eben...) in den Schrank gehört, hier die schönsten Momente (Achtung Spoiler!)



Äh, wie waren noch mal die Regeln?




Und wer hat nun mehr Leute überfahren, Stallone oder Carradine?




Umso enttäuschender, dass Bartel dann 1976 mit "Cannonball", ebenfalls mit David Carradine, ziemlichen Murks ablieferte.

Re: Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel (1975)

Verfasst: Fr 7. Jul 2017, 10:45
von karlAbundzu
Weird Xperience lud ein und wegen Wetterschwankungen verschob sich der Termin zweimals auf den Sonntagnachmittag.
Als erstes dieser unglaubliche Knaller aus dem Hause Corman, mit Carradine als Frankenstein. Sylvester Stallone als nuschelnder, stammelnder Old School Gangster im Auftrage des Hasses, eine Nazi-Braut, ein Cowgirl (hübsch im deutschen: Katastrophen Jenny statt Calamaty Jane) und ein All American Girl im Rennen durch die faschitische USA. Bei dem es Pluspunkte für todgefahrene Passanten gibt.
Das ist alles eine herrliche Satire auf die Poltik der USA und die Verrohung der Massen-Medien. Und damit ja hochaktuell.
Und es macht sauspaß. Es gibt Blut und Titten und viel Humor. Und unglaubliches: Allein die Autos!!! Und Szenen: Krankenhausangestellte und Fans von Frankenstein stellen alte Rollstuhlfahrer auf die Strasse, damit Franky ordentlich punkten kann, der nimmt sich dann aber lieber die Ärzte vor.
Und auch das Rebellentum in typisch konservativer US-amerikanischer Prägung wird aufs Korn genommen.
An der Kamera der spätere Hollywood-Star-Filmer Tak Fujimoto, der in den 80ern und 90ern ganz groß rauskam (Pretty in Pink, Ferris macht blau, Schweigen der Lämmer, Singles, Philadelphia, später bei den meisten Shyamalan)
Eine Perle! Hier ungekürzt mit den eingebundenen früher geschnittenen Szenen mit UT.
Unglaublich, dass der mal indiziert war, aber ja schon 2005 runter mit FSK 16.

Re: Frankensteins Todes-Rennen - Paul Bartel (1975)

Verfasst: Di 6. Okt 2020, 16:24
von buxtebrawler
„Heute gehört uns Kalifornien und morgen die ganze Welt!“

Mitte der 1970er ließ Low-Budget- und B-Movie-Experte Roger Corman 300.000 $ springen, um eine auf Ib Melchiors Kurzgeschichte „The Racer“ basierende satirische Dystopie schreiben und von US-Regisseur Paul Bartel („Endstation Horror“, „Cannonball“) inszenieren zu lassen: „Death Race 2000“ alias „Frankensteins Todesrennen“ kam 1975 in die Kinos – und machte keine Gefangenen.

„…für ein neues Zeitalter des Überflusses auf dem fruchtbaren Felde einer privilegierten Minderheit.“

Finanzkrise und Militärputsch haben die USA dahingerafft, an ihre Stelle trat die autokratische Diktatur der „Vereinten Provinzen“. Ihr Präsident (Sandy McCallum) unterhält sein Volk mit dem jährlich stattfindenden „transkontinentalen Straßenrennen“ von der Ost- an die Westküste, bei dem die Fahrerinnen und Fahrer in ihren Kampfboliden nicht nur schneller als die Konkurrenz sein, sondern auch fleißig Passanten überfahren müssen, um Punkte zu erlangen. Doch diesmal, im Jahre 2000, hat es sich eine Widerstandsgruppe zum Ziel gesetzt, das Rennen zu sabotieren und den Präsidenten umzubringen. Annie Smith (Simone Griffeth, „Swamp Girl“), Enkelin der Rebellenführerin (Harriet Medin, „Blutige Seide“), schleicht sich als Kopilotin in den Wagen des Death-Race-Champions Frankenstein (David Carradine, „Kung Fu“). Dieser hegt jedoch nicht nur eigene Pläne, sondern durchschaut auch seine Mitfahrerin…

„Mein Kopf besteht zum größten Teil aus Plastikteilen und Stahlplatten.“

Das „transkontinentale Straßenrennen“ wird als moderiertes und kommentiertes Sport- und Medienspektakel inszeniert, so ähnlich, als würden Politik und Fernsehen Cannonball Runs aufgreifen und wie „Das Millionenspiel“ aufbereiten. Bartel weiß, wo er den Most holt, und macht aus der Prämisse eine kunterbunte, comichaft überzeichnete, plakative und politisch unkorrekte dystopische Satire voller schräger Figuren. Gegen Frankenstein und Annie treten u.a. Nazi-Walküre Matilda (Roberta Collins, „Rollerfieber“) mit Herman dem Wüstenfuchs (im Original „Herman the German“; Fred Grandy, „Drei Engel für Charlie“), stilecht inklusive Hakenkreuzen und entsprechenden Fans, Nero (Martin Kove, „The Last House on the Left“) und Cleopatra (Leslie McRay, „Treffpunkt Los Angeles“) sowie Machine Gun Joe (Sylvester Stallone, „Brooklyn Blues - Das Gesetz der Gosse“) und Myra (Louisa Moritz, „Einer flog über das Kuckucksnest“) an, allesamt in passende Kostüme und aufgemotzte Seifenkisten gesteckt. Der Präsident hält zutiefst zynische Ansprachen, will den Vergeltungskrieg gegen die Franzosen und eröffnet das moderne Gladiatorenspiel, bei dem das Überfahren von Kindern und Alten Extrapunkte einbringt, die von der tumben Masse frenetisch gefeiert werden.

„Je schneller du läufst, desto länger lebst du!“

Im Mittelpunkt des Films steht Frankenstein, aus dessen subjektiver Perspektive die ersten Einstellungen gezeigt werden, der in den 1990ern fast seinen gesamten Kopf verloren und der seinen hageren Körper erst in einen schwarzen Ganzkörperlatexdress (inklusive Cape!) und anschließend in sein Krokomobil gezwängt hat. Bewohnerinnen und Bewohner eines Altersheims werden ihm eigens auf die Strecke drapiert, damit er sie überfahren kann, doch Frankie nimmt lieber einen Umweg und fährt das Pflegepersonal platt. Bei seinen Fans ist er derart beliebt, dass sie sich ihm freiwillig opfern. Einer seiner Erzfeinde ist Machine Gun Joe, der Frauen schlägt, bei einer Prügelei gegen Frankie jedoch den Kürzeren zieht. Überhaupt, Machine Gun Joe: Einfaltspinsel Stallone hatte kurz darauf seinen Durchbruch mit „Rocky“ – umso witziger ist es, ihn in dieser Rolle zu beobachten, für die er wie ein Gangster aus der Prohibitionszeit hergerichtet wurde, aber oftmals wie eine Karikatur auf seine späteren Rollen wirkt, von der Mimik über seine Gewalttätigkeit bis hin zum idiotischen Herumgeballere.

„Der Kandidat hat 440 Punkte!“

Ausgewalzte Splatterszenen gibt es natürlich nicht zu sehen, doch beim Überfahren der Punktebringer spritzt das Blut recht ordentlich. Das Tempo ist die meiste Zeit über – passenderweise – hoch, lediglich für die Fahrpausensequenz, in der sich die Fahrerinnen und Fahrer massieren lassen und sich entsprechend freizügig präsentieren, wird es gedrosselt. Die meiste Zeit aber wird gerast, überfahren, schnappen tödliche Fallen der Rebellen zu oder bekommt irgendjemand einen Tobsuchtsanfall. Der Humor ist aller Offensive zum Trotz gespickt mit Anspielungen, insbesondere auf die US-amerikanische Geschichte. Einblendungen des Streckenverlaufs in Form von Computergrafiken rufen immer wieder ins Gedächtnis, dass der irre Zirkus im nationalen TV übertragen wird, was nur eine von zahlreichen Spitzen gegen den American Way ist. Von wirklich bösartigen Dystopien unterscheidet sich „Death Race 2000“ jedoch nicht zuletzt durch sein allumfassendes Happy End. Corman, Bartel & Co. sicherten sich hiermit eine gute Platzierung im Rennen der irrsinnigsten Low-Budget-Film-Angriffe auf das Establishment der 1970er und inspirierten Brüder im Geiste wie Troma und Konsorten. Und nach 80 Minuten Kurzweil wird auch schon die karierte Flagge geschwenkt.