Bin dann wohl der Einzige, dem Ohrfeigen gefallen hat
Klar hat der Film etliche Längen. Deutsche Filme aus der Zeit kranken ohnehin des öfteren am seichten Konstrukt und einer zähen Inszenierung. Deswegen beurteile ich zeittypische Filme aus den 60ern und 70ern auch immer zusätzlich nach optischen Gesichtspunkten, sprich: wie gut Zeitgeist, Mode usw. eingefangen wurden. Und hier vergebe ich Herrn Thiele einige Pluspunkte.
Gila von Weitershausen, hat seit “Blutiger Freitag” und “X312” ohnehin einen dicken Stein bei mir im Brett, darf hier nackt unterwegs sein und einen auf Anti-Establishment machen. Curd Jürgens findet trotze erheblichen Altersunterschied gefallen an der “jungen wilden” und man trifft sich immer öfters.
Seinen Kindern stinkt das natürlich und es wird munter intrigiert.
Nadja Tiller und Alexandra Stewart hätten durchaus mehr Screentime vertragen können. Durch die futuristischen Outfits der beiden bin ich wenigstens optisch entschädigt worden
Der ganze 68er Brimbamborium wird von Thiele natürlich absolut Jugendfrei und einem konservativen, für die damalige Zeit typisch deutschem Humor erzählt. Ohne Sympathie für alte deutsche Komödienkost, wird es ziemlich schwer sein, den Film durchzustehen
Eine wirklich gelungene Szene ist allerdings, als sich Hippie-Kommunarden und Polizei im Anwesen von Curd Jürgens gegenüberstehen, und der Polizist Sympathien für die Revoluzzer hegt und verspricht, nur ganz leicht mit seinem Gummiknüppel zuzuschlagen. Auch Kameratechnisch gibt es hier einige leicht Psychedelische Einschübe. Mehr solcher Szenen, eine mutigere Inszenierung und expressivere Kameraarbeit, der Film würde deutlich an Potential zulegen.
Inhaltlich und Handwerklich eher auf belanglosen, weil altbekannten Pfaden unterwegs, bietet Ohrfeigen allerdings viel optischen Zeitkolorit der verspacten sixties. Als Fan vom Space-Age Design ist mir hier natürlich das Wasser im Mund zusammengelaufen, was meine Bewertung deutlich nach oben schraubt. Filme, in denen ich das legendäre Brionvega TS502 entdecke, sind ohnehin auf meiner Lieblingsliste
Die EMS-DVD habe ich mir damals für günstige 2-3 Euro geschnappt und das dünne Booklet bietet sogar einige nette Infos. Interessanterweise bietet die Scheibe sogar noch die englische Synchronfassung neben der deutschen Tonspur.
7,5/10