Die cleveren Zwei - Sergio Corbucci
Verfasst: Fr 21. Jan 2011, 01:30
DIE CLEVEREN ZWEI ("Il Bestione")
Italien/Frankreich 1974
Regie: Sergio Corbucci
Darsteller: Giancarlo Giannini, Michel Constantin
"Il Bestione" beginnt mit einem langen Furz, als Sandro Colautti (Michel Constantin) an der italienischen Grenze aus seinem Lastwagen steigt. Doch der Eindruck täuscht, denn bei Sergio Corbuccis Trucker - Film handelt es sich um keine Komödie, wie es auch der deutsche Titel zu vermitteln versucht, sondern um ein Drama, wie es so fast nur in den 70er Jahren entstehen konnte. "Bestie" (Il Bestione) nennt Sandro liebevoll den Lastwagen, mit dem er und sein Partner Matteo (Enzo Fiermonte) als Angestellte einer Spedition unterwegs sind.
Doch für Matteo war es die letzte Fahrt, die er unternommen hatte, denn bei dem regelmäßigen Gesundheitstest, dem sich die Fahrer unterziehen müssen, wird er als zu alt aussortiert. Stattdessen springt der junge Nino (Giancarlo Giannini) auf den Bock, als Sandro die nächste Tour unternehmen will. Zwar beweist er schnell, wie gut er mit dem Wagen umgehen kann, aber dem älteren Sandro ist sein Fahrstil zu forsch und sein Mundwerk zu flott. Die Art wie "Il Bestione" das Kennenlernen der beiden unterschiedlichen Männer aufbaut, erinnert in seinem Schwung, der respektlosen Sprache und der etwas grobschlächtigen Ereignisse zuerst an typischen rustikalen "Buddy" - Komödienstoff.
Nachdem Sandro Nino ein paar Mal sprachlich auflaufen ließ, landen sie in einem Trucker - Restaurant, wo Corbucci genüsslich den Männern aufs Maul schaut und sie beim Vertilgen großer Essmengen beobachtet. Später verschwindet Sandro mit der Kellnerin in einem Hinterzimmer, während Nino versucht, zwei Holländer beim Billard reinzulegen. Zuerst den Anfänger markierend, versenkt er die Kugeln mit einem Stoss, als es um Geld geht. Nicht erstaunlich dass die Holländer ihn darauf hin zusammenschlagen und ihm sein Geld abnehmen.
Diese Ereignisse dienen Corbucci nur als Beschreibung einer sehr männlich geprägten Welt der Lastwagenfahrer, die er im weiteren Verlauf der Fahrt nach Warschau differenziert. Auch die Auseinandersetzung mit den Holländern hat in diesem Zusammenhang nur die Bedeutung eines kleinen Details, auf das er viel später noch einmal kurz zurückkommt. Neben zufälligen Liebschaften am Straßenrand und kurzen Vergnügungen in der Trucker - Kneipe, besteht die Arbeit vor allem aus Monotonie und der Einhaltung von Fahrtzeiten, weshalb Nino, als er sich nicht an die verabredete Pausenlänge hält, plötzlich ohne Lastwagen auf der Straße steht. Sein Verfolgungstripp als Anhalter entbehrt nicht einer gewissen Komik, aber sein Sprachwitz hilft ihm in Warschau auch nicht mehr weiter.
Die Szenerie im damaligen Ostblock ist gespenstisch. Während der erfahrene Sandro mit einem Blumenstrauß bewaffnet, sofort zu einer jungen Frau geht, die er hier regelmäßig besucht, versucht sich Nino die Zeit bis zur Abfahrt am nächsten Tag zu vertreiben. Mitten in der Nacht landet er schließlich verzweifelt vor Einsamkeit wieder bei dem betrunken schlafenden Sandro, den er bei dessen Weg zur Wohnung der jungen Frau verfolgt hatte, und schläft selbst mit ihr. Der Streit am nächsten Morgen zwischen den Männern ist kurz, denn Sandro kennt Ninos Empfindungen. Die sexuellen Interaktionen, die Corbucci hier beschreibt, sind nur Auswirkungen zerrütteter Beziehungen auf Grund eines nicht familientauglichen Jobs und Ablenkung von der Einsamkeit. Entsprechend unromantisch und fordernd inszeniert er hier den Sex.
Zunehmend verzahnt Corbucci seine Männergeschichte mit realen Ereignissen der frühen 70er Jahre in Italien. Sandro erfährt, dass sein alter Partner Matteo kaum Rente erhält und gezwungen ist, bei seiner Schwägerin zu leben. Als er die Gewerkschaft daraufhin anspricht, kann diese nur mit den Schultern zucken und ihre Hilflosigkeit bestätigen. Ähnlich wie im verklausulierten Western „Il grande silenzio“ (Leichen pflastern seinen Weg) gelingt es Corbucci auch in „Il bestione“ seinen unterhaltenden Stil beizubehalten, ohne die realistischen Verhältnisse auszusparen. Es ist Giancarlo Giannini zu verdanken, dass die Tristesse nie überhand nimmt, aber auch ihm vergeht fast sein Optimismus, als er, nachdem er gerade von seiner deutlich älteren Freundin den Laufpass bekam, zu Sandro auf dessen Silvesterparty geht. Doch die Stimmung stammt nur aus dem Fernsehen, während Sandro allein in seiner heruntergekommenen Wohnung sitzt.
Gleichzeitig ist dieser Moment auch der Wendepunkt, an dem sie sich entschließen, sich als Transportunternehmen selbstständig zu machen. Corbucci nutzt diese neue Konstellation für thrillerartige Momente, die zu einer Art „Show – Down“ mit der Mafia führt, verlässt dabei aber keinen Moment den Boden der Realität. Viel mehr wird deutlich, dass ein Kleinunternehmen, wie das von Nino und Sandro, den Machtverhältnissen im Land ungeschützt ausgesetzt ist. „Il bestione“ ist in seiner Art, Realität und Unterhaltung radikal zu vermischen, ein seltenes, in seiner fehlenden Einseitigkeit verkanntes Juwel, dass einerseits von der Respektlosigkeit, der Sprache und Direktheit des Italo – Western beeinflusst ist, sich andererseits nicht scheut, Missstände der Gegenwart zu beschreiben. Auch das Ende liegt in dieser Tradition, denn es lässt den Männern wenigstens ihre Würde.
Review aus der ofdb von Bretzelburger
Das Review ist absolut treffend man kann das nicht besser beschreiben, deshalb hab ich fauler Hund das gleich übernommen.
Ich liebe diesen Film, hab den in den 90ern erwischt bei einer Tele5 Ausstrahlung und nach längerer Zeit wieder einmal gesichtet. Das Corbucci ein extrem fähiger und guter Regisseur war weiss man. Warum dieser Film total untergegangen ist und im Geheimen schlummert, noch dazu mit Giannini und Constantin in den Hauptrollen, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil dieses "Roadmovie" im Truckermilieu spielt und dies kein attraktives Genre ist?!?
Fakt ist, gerade dieses Milieu ist sehr nahe dran am dreckigen, trostlosen und derben Italo Western Marke Corbucci. Die Geschichte ist spannend und unterhaltsam erzählt und die beiden Hauptdarsteller überzeugen vollkommen. Überzeugend ist auch die deutsche Synchro die sich perfekt der Stimmung & Milieu des Films anpasst. "Schau auf die Strasse, du Scheissbolzen du" oder "Fühl mal, die Reifen sind so kühl wie die Arschbacken von Antonella" oder eben diese Antonella "Deinen Freund find ich zum anbeissen, wenn der ficken kann wie er frisst….."
Aber glaubt nicht das ist Spencer/Hill bzw. Brandt Niveau, nein, der Film ist knochentrocken, trist, melancholisch, trostlos, schön auch die Szene an der Grenze zu Polen, da gibts ein kurzes Mimikspiel von Giannini mit einem Zöllner, ohne Worte, grandios! Oder im polnischen Restaurant, eine Band spielt aber Giannini ist der einzige Gast und er zitiert den Kellner herbei: "Ich hab die spaghetti al dente bestellt, al dente, al dente zum beissen, verstehn sie? - Sie sind in einem polnischen Restaurant und nicht beim zahnarzt."
Auch gut wie Giannini die polnische Freundin von Constantin besteigen will: "Stecks raus, stecks raus, dein leckerchen, schleck mich ab wie lollipop"
Romano Puppo ist auch dabei, spielt einen holländischen trucker der auch in holländischem deutsch spricht (!köstlich!) und der Giancarlo die Kohle abgenommen hat: "Fuck yourself, Scheiss Holländer!"
Unsere beiden Trucker machen sich dann selbstständig und wollen ihren ersten job "vom fetten ami aus stuttgart, der so aussieht wie ein schwein". Der will aber was anderes: "Amigos, tonight we go out together and visit a Puff" Recht hammse! Überhaupt gehts auch oft um Weiber, welche die ein trucker überall hat: "Auf dieser fahrt fickst du alles was dir vor die flinte kommt und meinen stiefel, wo lass ich den? - Deinen dreckigen Schwanz kannst du reinstecken wo du willst"
Ich könnt endlos zitieren, der Film unterhält köstlich aber ist auch anspruchsvoll, man glaubt es kaum. Ich ziehe die Höchstnote! Zu allen anderen Meinungen zitiere ich Constantin beim Hörtest: "Am Arscho"
Anführen möcht ich auch noch den Soundtrack von unseren 2 Lieblingsbrüdern GUIDO & MAURIZIO DE ANGELIS. Was für ein geiler Anfangs- und Endsong, HAMMER, ich weiss nicht ob´s da ne EP gab oder so aber ich brauch den Song. Soviel ich weiss singt Giancarlo Giannini himself! Der Score generell ist aber erstklassig und unterstreicht auch die Melancholie die ständig in der Luft liegt. Geht so richtung, Keoma/Zorro/Mannaja/Schwarze Korsar wenn ihr wisst was ich meine!!!!!
Hier noch ein nettes Mexico AHF welches einen Ehrenplatz bei mir inne hat!