Hier ein Auszug aus meinem neuen Buch "Wie inszeniere ich weibliche Hauptrollen richtig. Ein Filmhistorischer Exkurs von Dr. Django M.D."
Handlung:
Nach einem blutigen Banküberfall befinden sich die Clemens-Brüder (Ernest Borgnine, Jack Elam, Strother Martin) auf der Flucht. Auf selbiger gelange sie zur Behausung der Hannie Caulder (Raquel Welch), die sie kurzerhand vergewaltigen und deren Mann sie umbringen. Rache schwörend trifft Hannie auf den Kopfgeldjäger Thomas Luther Price (Robert Culp), der sie in Sachen Waffenführung unterrichtet…
Kritik:
Western spielen in einer Zeit in deren Frauen, sein wir ehrlich, wenig zu sagen hatten. Gedreht wurden sie teilweise jedoch in einer Zeit in der dieser Umstand Gott sei dank weitgehend aufgehoben war. Nun waren viele Regisseure und Drehbuchautoren bemüht, den emanzipatorischen Zeitgeist auf ihre Filme zu übertragen und es entstanden einige Western mit weiblichen Hauptrollen. Ich begrüße zwar immer äußerst, wenn ein Film, der in einer vergangenen Zeitperiode spielt, starke Parallelen zur Gegenwart aufweist, aber ich muss mir leider eingestehen, dass die meisten Regisseure, die dieses noble Ziel angingen, klägslichst versagten. (Ja, ich mag selbst „Spiel mir das Lied vom Tod“ nicht, ehrlich, für mich der schlechteste Leone-Western!
)
Das Problem liegt in meinen Augen darin, dass man die Frauen, die sich in der von Männern dominierten Welt behaupten wollen, entweder zu weibisch lässt oder ihnen im Gegenteil alles Feminine wegnimmt. Damit meine ich: Entweder werden Frauen in wichtige Rollen gedrängt (dies gilt für Hauptrollen genauso wie für wichtige Nebenrollen) einfach deswegen, man vergisst aber diese Frauen außergewöhnlich zu machen. Viele Damen, die sich Westernheldinnen schimpfen bleiben schwach, schreckhaft und feige. Oft geschieht es, dass der Schurke nachdem er den Helden entwaffnet hat von der Freundin des Helden eins in den Rücken bekommt (wenn ich mich recht erinnere ist das selbst in „Zwölf Uhr Mittags“ der Fall), und die Filmemacher stellen das so dar, als wäre es trotzdem heroisch, weil für eine Dame selbst das in den Rücken Ballern bewundernswert ist. Dem ist aber nicht so; Leute, die anderen Leuten in den Rücken schießen sind nicht heldenhaft sondern feige, egal welches Geschlecht sie haben.
Auf der anderen Seite haben wir dann weibliche Rollen, die nicht mehr als solche zu erkennen sind, die sich wiederum zu männlich benehmen, die hart im nehmen sind und sich durch ungehobeltes Benehmen bemerkbar machen. Dies ist fast noch schlimmer! Es wirkt einfach unglaubwürdig und außerdem ist das Bewundernswerte an sich behaupteten Frauen, dass sie trotz ihres Geschlechtes Heldentaten vollbringen; wenn von diesem Geschlecht nichts mehr übrig ist, wankt das ganze Konzept.
Warum nun diese lange Einleitung? Weil ich heute über einen Film sprechen möchte, der als Western mit seiner weiblichen Hauptrolle einfach perfekt umgegangen ist. Nämlich „In einem Sattel mit dem Tod“ mit Raquel Welch als Hannie Caulder. Das Wunderbare an ihrer Figur ist, dass sie wie eine klischeehafte weibliche Western-Stereotype beginnt. Das erste mal, dass wir sie sehen, steht sie in einer Küche und eine Einstellung später wird sie schon von einem Haufen Banditen vergewaltigt. Wenn danach nicht ihr Mann sondern sie ins Gras gebissen hätte, wäre dies beispielsweise ein wunderbarer Anfang für einen Django-Film geworden.
Nun lernen wir aber einige ihrer starken Charaktereigenschaften kennen, die aber keinen Widerspruch zu ihrer femininen Seite bilden: Sie ist hartnäckig, hat Durchhaltevermögen und Sinn für Gerechtigkeit. Alles wunderbare Vorraussetzungen um sich auf einen Rachefeldzug zu begeben. Doch eben weil sie eine Hausfrau aus dem vorigen Jahrhundert ist, wurde sie weder auf den Umgang mit Waffen erzogen, noch hat sie eine Militärvergangenheit, weswegen sie das Schießen erst von einem Mann, gespielt von Robert Culp, erlernen muss.
Wir erleben mit wie sie sich langsam zu einer Meisterschützin entwickelt und durch dieses „langsam“ wird es glaubwürdig. Schließlich verfügt sie über alle heroischen Eigenschaften eines typischen Westernhelden, sie verfehlt ihr Ziel nicht und (ganz wichtig) sie gibt ihren Gegnern die Chance sich zu wehren. Sie knallt nicht einfach Leute von hinten ab (schneide dir gefälligst eine Scheibe ab, Grace Kelly
).
Dennoch behält sie, obwohl sie zielführend in Etappen zu einem wunderbaren Pistolero geworden ist, einige weibliche Eigenschaften. Sie hat noch Skrupel ein Menschenleben zu nehmen, sie spielt gerne mit Kindern herum und sie freut sich, wenn man ihr ein Kompliment macht. Dies alles macht Raquel Welch’s Figur in meinen Augen zu der schlichtweg besten weiblichen Rolle, welche ich jemals in einem Film dieses Genres gesehen habe.
Nach diesem kleinen Exkurs „Wie drehe ich einen feministischen Western“, hier nun noch ein paar Bemerkungen zu den anderen Aspekten des Filmes, die nicht minder gelungen sind: Die drei Schurken sind geniale Figuren. Gleich in der ersten Szene knallen sie einige arme Teufel äußerst kaltblütig über den Haufen und sie zeigen überhaupt reichlich Gewaltbereitschaft. Aber die Art wie sie miteinander sprechen, ihre witzigen Dialoge, machen sie auch zu einer spaßigen Truppe. Dadurch werden wir einerseits bestens unterhalten, wenn die drei im Bild sind, und andererseits gönnen wir der guten Raquel aber aus ganzem Herzen, dass sie diese brutalen Bastarde nach Strich und Faden fertig macht (langsam und qualvoll bevorzugt).
Auch wenn sie qualitativ Top sind, sind drei Bösewichtern quantitativ etwas wenig, aber der feinfühlige Drehbuchautor hat zum Glück da noch eine Gruppe Mexikaner reingeschrieben, die kurz mal vorbei schauen und unverzüglich von unseren Protagonisten in die ewigen Jagdgründe befördert werden. Am Rande sei übrigens auch erwähnt, dass Christopher Lee eine kleine feine Rolle als pazifistischer Waffenschmied einnimmt.
Die Inszenierung ist spitzenmäßig: Durch eine gekonnte Kameraführung und den richtigen Einsatz von Zeitlupe werden Szenen unaussprechlicher Spannung heraufbeschworen, nicht zuletzt auch, weil wir um das Leben der guten Charaktere kümmern können. Regisseur Burt Kennedy ist im Westerngenre erprobt, weiß also, wie man es richtig macht, hat aber auch den Mut ein wenig herumzuexperimentieren, was dem Film noch um eine Stufe besser macht.
Ein Punkt wird dem Film abgezogen, einerseits, weil ein paar Charaktere entweder aus dem nichts kommen oder in selbiges verschwinden, wie der Trupp Soldaten, der den Banditen hinterher jagt und nicht mehr vorkommt, oder der Schwarzgekleidete, der einmal eine Miniszene hat und sich aufgrund derer schon für eine Hauptfigur hält und meint, er hätte jetzt das Recht am Schluss der große Deus ex Machina zu sein. Auch gibt es Szenen, die vielleicht nicht komödiantisch zu nennen sind, aber so gefilmt wurden, was recht unpassend daherkommt. Die Art und Weise wie Welch, die mit ihrer nassen Hose durch die Stadt schreiten muss, ins Bild gerückt wurde, verweist beispielsweise auf eine billige Komödie, was bei dem harten Ton des Filmes ein wenig ablenkt. Aber dies sind nur kleine Anmerkungen, und auch wenn sie diesem Film die Höchstnote verwehren, wird er in meinem Herzen immer ganz groß bleiben…
…heißt das etwa, ich habe einen USA-Western gefunden, der nicht von Peckinpah ist und den ich trotzdem abgöttisch lieben kann??? Ist die Hölle etwa zugefroren, kann man sich denn auf gar nichts mehr verlassen. Oh hey, mein Italowesternliebling Aldo Sambrell lehnt sich in einer Szene kurz aus einem Fenster. Oh hey, der italowestern-erprobte Luis Barboo schaut einmal kurz als Mexikaner vorbei. Oh hey, der Streifen wurde nicht in Amerika sondern in Spanien gedreht…Könnte es vielleicht sogar sein, dass…JA, er ist ein englischer Film, kein amerikanischer. Hurra, es gibt also noch Sachen auf die man sich verlassen kann!
Fazit: Eine durch und durch gelungene Inszenierung, spaßige aber diabolische Schurken und die schlichtweg BESTE weibliche Rolle, die ich jemals in einem Western sehen durfte, gespielt von einer hervorragenden Raquel Welch, machen diesem Film zu einem wahnsinnig guten Genrevertreter. 9/10