Handlung:
Als die Tänzerin Mizar (Carla Brait) in ihrem Appartement ermordet wurde, nutzen die wohnungssuchenden Models Jennifer (Edwige Fenech) und Marilyn (Paola Quattrini) die Chance und ziehen in die Behausung der Ermordeten ein. Während sich Jennifer mit dem Architekten des Hauses Andrea Barto (George Hilton) anfreundet, schließt Marilyn Bekanntschaften mit den restlichen Hausbewohnern; doch der Blutdurst des Mörders ist noch nicht gestillt…
Kritik:
„Das Geheimnis der blutigen Lilie“ ist ein unglaublich spannender, hervorragend besetzter, mitreißender Giallo, der sich von Seiten der Cast und Crew durch fast vollkommene Perfektion auszeichnet:
Giuliano Carnimeo verließ für diesen Film kurz mal sein geliebtes Western-Genre und zaubert zusammen mit seinem Kameramann Nr. 1 Stelvio Massi beunruhigende Bilder auf die Leinwand. Nicht selten fährt die Kamera in schwindelerregende Höhen, zoomt schnell in ein Detail hinein oder verwendet in engen Räumen die Totale, was einen klaustrophobisch surrealen Effekt hat. Ein Mario Bava am Gerät ist Massi zwar nicht, viele Zooms und Fahrten kommen ein wenig verwackelt herüber, aber ihre Wirkung verfehlen sie trotzdem nicht. Carnimeo hat dazu ein gutes Zeitgefühl und timed die aufregenden Szenen genau richtig, ihm und seinem Cutter ist es zu verdanken, dass wir dadurch in Szenen der Gefahr oder Mordszenen stets mit den Opfern mitfiebern können, was den Film, auch wenn er in Sachen Gore alles andere als übertreibt, hier und da ziemlich unter die Haut gehen lässt.
Bruno Nicolai steigert die schon vorhandene Spannung dann noch mit seiner herrlichen Musik (Mein Lieblings nicht-Goblin-Giallo-Thema! Ja ich weiß, dass Ennio Morricone auch welche gemacht hat) ins Unermessliche.
Das Team hinter der Kamera leistet also das Bestmögliche, doch es sind in diesem Film besonders die Schauspieler, die mir besonders aufgefallen sind, allen voran natürlich die hinreißende Edwige Fenech.
Edwige besitzt zwei Gottesgaben, die sie für die Hauptrolle in einem Giallo perfekt machen: Ihre Schönheit und ihr schauspielerisches Talent. Sie sieht umwerfend aus und da Giuliano Carnimeo Augen im Kopf hat, weiß er das und bringt uns ihre Göttlichkeit in diversen, nicht immer ganz jugendfreien Szenen, nahe. Doch davon mal abgesehen versteht sie es auch noch meisterhaft komplexe Rollen glaubhaft darzustellen. Ihre Jennifer ist eine Frau, die mal jung und dumm war und in dieser Zeit durchaus Fehler gemacht hat, der Subplot mit der Sekte zeigt dies deutlich, nun aber aus diesen Fehlern gelernt hat und welterfahrener wurde. Nicht, dass sie durch ihre Vergangenheit verbittert oder spießig wurde, aber sie hat sich Tugenden wie Vorsicht und Intelligenz angeeignet. Dadurch wirkt ihr Verhältnis mit George Hiltons Charakter auch ernst und glaubhaft auf uns, da wir überzeugt sind, dass Jennifer durchaus zwischen wahrer Liebe und flatterhaften Tändeleien unterscheiden kann. Wenn sie also Vertrauen zu dem Architekten zeigt, schieben wir es nicht auf ihre vor Liebe verblendete Wahrnehmung, sonder darauf, dass sie Grund hat, ihm zu vertrauen und das macht aus ihrem Verhältnis eine sehr glaubhafte, seriöse und zukunftsträchtige Romanze.
An George Hilton selbst gibt es natürlich auch wie immer nichts zu meckern, er ist charmant wie eh und je, versteht es aber in den richtigen Momenten auch unheimlich und zwielichtig zu erscheinen, so, dass wir einerseits seine Beziehung mit Edwige neidlos mit ansehen können, andererseits auch Angst vor ihm haben können, wenn es in die Szene passt.
Der Humor kommt diesmal weder von den Hauptpersonen noch von unwichtigen aber spaßigen Nebencharakteren, sondern von Seiten der Ermittler, gespielt von Giampiero Albertini und Franco Agostini. Die beiden verfügen als Kommissar und Assistent über eine tolle Chemie und halten den Spaßfaktor des Filmes sehr hoch, ohne dabei ins Alberne abzudriften (zugegeben, bei Agostini ist es schon ein wenig an der Grenze zum Klamauk). Besonders Giampiero Albertini spielt eine interessante und seriöse Figur. Sein Kommissar Erici begegnet uns zunächst als gutmütiger alternder Ermittler, komplett mit Briefmarkensammlung und Unzufriedenheit mit seinem schlecht bezahlten Beruf. Später jedoch, bei den Verhören zeigt er seine Dunkle Seite, wird ausfallen und sogar handgreiflich. Ähnlich wie George Hilton, kann er charmant/witzig wirken aber auch überzeugend bedrohliche Züge zeigen.
Das Drehbuch allein ist leider nicht so ausbalanciert. Der Sektensubplot verzieht sich ziemlich schnell ins Nichts und der Mordverdacht unter dem George Hilton steht kommt für mich etwas zu spät ins Spiel (zumal der Trailer es so aussehen ließ, als ob sich der ganze Film darum drehen würde). Andererseits versorgt uns das Drehbuch mit einer Fülle von zwielichtigen Charakteren die wir alle mit Freuden verdächtigen. Neben den üblichen Verdächtigen, den Hausbewohnern, bekommen wir auch eine Fülle kleinerer Minirollen, wie beispielsweise Luciano Pigozzis Nachtclubbesitzer, denen wir nicht ganz über den Weg trauen. Carnimeo schafft es dann noch zusätzlich Hilton und Albertini an Stellen und in einer Weise auftreten zu lassen, die wir eigentlich vom Killer erwartet hätten, wodurch selbst diese beiden Hauptpersonen nicht ganz koscher auf uns wirken. Dadurch gibt es genug Opfer, um den ganzen Film lang die Spannung aufrechtzuerhalten, es bleiben aber auch genug übrig, um auch die Auflösung nicht eindeutig zu machen. Das Motiv des Killers selbst entbehrt zwar wie meistens Logik, aber betrachtet man (haha, „betrachten“…das Motiv von „Labyrinth des Schreckens“
) die Intentionen der Killer in Filmen wie „Labyrinth des Schreckens“ oder „Die Nacht der langen Messer“ sind diese in meinen Augen (haha, „meine Augen“…„Labyrinth des Schreckens“
) noch viel unlogischer und schwerer zu glauben. Hat man also eine gewisse Erfahrung mit Gialli sollte man sich am Ende von „Das Geheimnis der blutigen Lilie“ nicht stören.
Fazit: Rundum gelungener Giallo, der durch durchgehende Spannung und eine bezaubernde Edwige Fenech, nebst einigen anderen hervorragenden Darstellern, hervorsticht. 10/10