One Nite in Mongkok - Nacht der Entscheidung
Wong Gok Hak Yau
Hongkong 2004
Regie: Derek Yee Tung-Sing
Cecilia Cheung, Daniel Wu, Alex Fong, Chin Kar-Lok, Lam Suet, Ken Wong, Anson Leung, Lam Chi-Kok, Ng Shui-Ting, Cynthia Ho Mo-Si, Sam Lee, Lawrence Lau Sek-Yin
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OFDB
Mongkok ist ein Stadtteil von Hongkong, und einer der am dichtest besiedelten Plätze der Welt. 130.000 Menschen leben hier auf einem Quadratkilometer! Und mitten in diesem Moloch von Straßen, Plätzen und Menschen kommt es zu einem Streit zwischen zwei Straßenverkäufern, die sich beim Anpreisen gefälschter Rolex gegenseitig fertigmachen. Der Streit eskaliert, und binnen kürzester Zeit tobt ein brutaler Bandenkrieg zwischen Tim und Carl. Zwei Bossen, die sogar zusammen zur Schule gingen, und eigentlich mal Freunde waren …
Bandenkrieg in Mongkok also. Carl beauftragt Liu, Tim umlegen zu lassen, und Liu wiederum beauftragt den armen Schlucker Fu Lai mit dem Job. Die beiden kommen aus demselben Dorf, und so etwas verpflichtet. Doch Liu wird von der Polizei in Gestalt von Inspektor Milo unter Druck gesetzt. Um seinen Kopf zu retten verrät Liu seinen eigenen Mann an die Polizei, und um seinen Kopf wiederum nicht zu verlieren, versucht er gleichzeitig den Job durchzuführen. Inspektor Milo wiederum hat das Problem, dass er den Bezirk Mongkok zu durchkämmen hat auf der Suche nach Carl, Tim und einem unbekannten Killer. Also nimmt er ein paar Hundertschaften Bereitschaftspolizei und mischt alles auf was sich nicht rechtzeitig verstecken kann. Fu Lai freundet sich derweil mit einer Hure an, Dan-Dan, denn er braucht einen Guide in dieser großen Stadt. Fu Lai kann nicht lesen, nicht einmal Straßenschilder. Durch die Sache mit Dan-Dan bekommt er allerdings ihren Zuhälter Walter auf den Hals, der es weder lustig fand, dass Fu Lai ihm die Nutte weggenommen hat, noch dass er im Zuge dieser Aktion fürchterlich zusammengedroschen wurde.
Das Szenario eines leseunkundigen Killers in einer fremden Stadt wird zwei Jahre später von Soi Cheang in DOG BITE DOG – WIE RÄUDIGE HUNDE noch einmal aufgegriffen werden, und dort wird es eine düstere Apokalypse in Müll-Dur sein. DOG BITE DOG wird die kompromisslose Version von MONGKOK sein, was aber diesen Vorgängerfilm beileibe nicht schlechter macht. Nur anders. Denn MONGKOK weicht filmisch und narrativ vom Standard der meisten HK-Actioner-Stangenware deutlich ab: Was zu Beginn fast wie ein Fake-Documentary von Sion Sono aussieht, mit Wackelkamera, ungestalten Kamerapositionen und sehr viel Authentizität, wechselt bald mal zu einem Großstadtdrama, dann wieder zu einer angedeuteten Liebesromanze, und zum Schluss hin zu einem bösen, düsteren und ultrabrutalen Gangsterflick, bei dem mehr Menschen auf der Strecke bleiben als man sich vorstellen kann. Auch der Blickwinkel der Geschichte ändert sich immer wieder – Mal stehen Fu Lai und Dan-Dan im Mittelpunkt, um dann urplötzlich von einer Nebenhandlung um Milo abgelöst zu werden, und dann wieder zu Liu zu wechseln. Auch wer das Mädchen ist, das zu Beginn auf so schreckliche Weise im Auto verbrennt, wird erst sehr spät aufgeklärt, aber auch dieser Erzählstrang wird auf stimmige Weise zu einem Ende gebracht, genauso wie der Erzählstrang um Ben, den jungen Polizisten, der seit zwei Tagen im Team ist, und in seinem kurzen Berufsleben bereits zwei Menschen erschossen hat. Gelegentlich hat es leichte Anflüge von HK-typischem Humor (der Informant Shitty Kong etwa kann nicht wirklich ernst genommen werden, obwohl er für die Fortführung der Story eminent wichtig ist), und vor allem Dan-Dan nervt über lange Strecken hinweg mit ihrer hysterischen Art und ihrer quäkigen Stimme. Dagegen stehen dann Szenen heftigster Brutalität, genauso wie Momente hauchzarter Zuneigung
In MONGKOK steckt viel italienisches Genrekino aus der besten Zeit. Milo kämpft zwar gegen das Verbrechen, aber sein wahrer Feind ist eigentlich der Vorgesetzte, der seine Arbeit behindert oder in den Schmutz zieht wo es nur geht. Die Bandenkriminalität auf den Straßen steht Filmen wie CAMORRA (oder zeitlich passender SUBURRA) in nichts nach, und die Brutalität erinnert an SYNDIKAT DES GRAUENS. Das Ende hommagiert dann wiederum John Woos THE KILLER, ohne dabei aber peinlich zu wirken. MONGKOK ist düsteres und dreckiges Großstadtkino. Ein gelungener Versuch, das HK-Kino nach der Vereinnahmung durch die chinesische Filmindustrie am Leben zu halten. Und ein verdammt aufregender Trip in eine blutige Hölle, der sich seine vielen
Auszeichnungen sehr wohl verdient hat.
8/10