Nach dem Tod der Mutter leben die beiden Geschwister Valentina (Monica Comegna) und Matteo (Alessandro Tiberi) mit ihrem Vater in einer kleinen Wohnung und führen eine etwas seltsame Beziehung zueinander. Die selbstbewusste und impulsive Valentina und der zurückhaltende Matteo machen zwar fast alles gemeinsam, provozieren sich dabei jedoch ständig gegenseitig und können doch nicht voneinander lassen. Auf der Party einer gemeinsamen Freundin lernen die Beiden eines Tages den wohlhabenden Stefano (Emiliano Coltorti) kennen, der in einem schicken Designer-Loft lebt und Psychologie studiert. Doch hinter der Fassade des ehrgeizigen Studenten versteckt sich ein emotionsloser Mörder, der Frauen in sein Apartment lockt und anschließend in der Badewanne zerstückelt.
Stefano verliebt sich die hübsche Valentina und schickt ihr Blumen, was deren Bruder natürlich sehr missfällt. Valentina hat eigentlich auch gar kein Interesse an dem jungen Studenten, nutzt aber die Aufmerksamkeit des Mannes um ihren Bruder weiter zu provozieren. Als Stefano jedoch mehr von der jungen Frau möchte und zunehmend durch seltsame Verhaltensweisen und Ansichten auffällt, fühlt sich Valentina von dem adrett-wirkenden Studenten bedrängt und plant mit ihrem Bruder mit dem Zug für ein paar Tage aufs Land zu fahren um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Doch der psychopathische Stefano lässt sich jedoch nicht so leicht abschütteln und verfolgt die Beiden bis zu einem abgelegenen Hotel, wo die Lage eskaliert…
Der 2003 entstandene Streifen „Ascolta la canzone del vento“ bzw. „Twisted“ des italienischen Regisseurs Matteo Petrucci ist eigentlich ein etwas seltsamer Film. Nicht nur, dass ihn offensichtlich erst sehr wenige Leute gesehen haben, so scheint es außer einer thailändischen DVD (die jedoch über englische Untertitel verfügt) auch noch keine weitere Veröffentlichung des Streifens zu geben. Dabei ist das Thriller-Drama, der mit seiner ästhetischen Bildern und schwelgerischen Kamerafahrten an längst vergangene Tage des italienischen Kinos erinnert, durchaus interessant ausgefallen und bietet eine außergewöhnliche Geschichte und Erzählweise, die eigentlich mehr Beachtung verdient hätte.
Die Story über ein inzestiuöses Geschwisterpaar, das auf einen Psychopathen trifft und dadurch in tödliche Gefahr gerät wird im Verlauf der zweistündigen Handlung sehr langsam und in schönen Bildern erzählt, wobei auf eine tiefergehende Charakterisierung der drei Hauptfiguren nahezu verzichtet wird. Wie das Verhältnis von Matteo und Valentina zueinander ist, bleibt im Verlauf der Geschichte lange Zeit im Dunkeln bzw. auch nur angedeutet, genauso wie die Beweggründe des psychopathischen Massenmörders, auf die im Verlauf der Geschichte nicht näher eingegangen wird. Viele Aspekte der Handlung bleiben dann auch der Fantasie und Vorstellungskraft des aufgeschlossenen Zuschauers überlassen. Dennoch ist die gerade diese langsame und lückenhafte Erzählweise in Kombination mit dem gelungenen Soundtrack sehr interessant ausgefallen. Und auch wenn der Film nicht sonderlich spannend daherkommt, so wird der Seher stetig bei Laune gehalten und im Finale auch nicht enttäuscht.
Wenn ich den Originaltitel richtig übersetzt habe, bedeutet er wohl „dem Gesang des Windes lauschen“ hören, wobei der Film mit dem internationalen Titel „Twisted“ wohl besser umschrieben ist. Denn einen gröberen „Knacks“ haben eigentlich alle drei Hauptfiguren im Film und eigentlich ist auch nur Matteo die Figur, die dem Zuschauer noch am ehesten als halbwegs sympathisch in Erinnerung bleibt. Valentina hingegen ist mit ihrem Verhalten eher sonderlich und erst aber einer gewissen Zeit im Film wird klar, warum sich ihr Bruder so manch seltsame Dinge scheinbar ohne Konsequenzen über sich ergehen lässt. Bei Stefano ist jedoch schon bei Anbeginn des Filmes klar, dass der nicht richtig tickt und die Fassade des wohlhabenden Studenten tiefe Abgründe verbirgt.
Leider hab ich mangels italienischer Sprachkenntnisse nicht viel über Regisseur Petrucci, seinen bislang einzigen Film oder seine Darsteller herausfinden können. Die Inszenierung ist jedoch sehr gelungen und vor allem die langen und schwelgerischen Kamerafahrten erinnern natürlich an einen gewissen Dario Argento aus dessen früher bis mittlerer Schaffensperiode. Die Geschichte hingegen geht eher ins Dramatische und auch die Gewaltszenen sind nie zu explizit ausgefallen und treffen den Zuschauer eher mit der emotionalen Kälte, mit der sie ausgeübt werden. Auch die jungen und mir bislang unbekannten Darsteller sind sehr gut gewählt und tragen durch ihr subtiles Spiel zum Gelingen des Streifens bei.
Unterm Strich ist „Twisted“ ein sehr gelungener und dramatischer Inzest-Thriller, der das Arthouse- und Giallo-Genre streift und nebenher auch noch eine gehörige Portion „American Psycho“ zu bieten hat. Die Geschichte ist ziemlich strange, die Erzählweise behäbig und bruchstückhaft und dennoch vergehen die zwei Stunden wie im Flug und auch wenn das Ende in einer gewissen Weise vorhersehbar ist, so weiß es dennoch durchaus zu gefallen. „Ascolta la canzone del vento“ zählt jedenfalls imho zu den besseren Werken, die in den letzten Jahren aus dem Land des Stiefels gekommen sind und wer den Film in die Finger bekommt, sollte auch tunlichst zugreifen. Bleibt nur zu hoffen, dass der ungewöhnliche und interessante „Twisted“ auch international oder hierzulande bald einmal veröffentlicht wird – verdient hätte er es allemal: 8/10 Punkten