100.000 Dollar für Ringo
100.000 dollari per Ringo
Italien/Spanien 1965
Regie: Alberto De Martino
Richard Harrison, Fernando Sancho, Luis Induni, Massimo Serato, Gérard Tichy, Eleonora Bianchi, Loris Loddi, Guido Lollobrigida, Mónica Randall, Michel Montfort, Francisco Sanz, Tomás Torres, Rafael Albaicín, César Ojinaga, Frank Oliveras, Pedro Rodríguez de Quevedo, Fernando Rubio, Víctor Vilanova
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OFDB
Italo-Cinema (Frank Faltin)
Eine Anmerkung vorab: Ich werde alle verwendeten Namen so schreiben, wie sie von den tollen deutschen Synchronsprechern ausgesprochen wurden. Vielleicht wird so die Stimmung ein wenig gehoben, und Probleme wegen anderslautender Schreibweisen werden per Dekret auch gleich aus dem Weg geräumt …
Also, was passiert hier? Eine blonde Frau reitet durch die Wüste, auf der Flucht von den Indianern. In einer Satteltasche ihr kleines Kind. Irgendwann steigt sie ab und flüchtet mit Gewehr in einen Graben, Pferd und daran angehängtes Kind schickt sie per Klaps einfach weiter. Die Indianer kommen und die Frau liefert den Roten einen harten aber vergeblichen Kampf. Da schaltet sich ein Fremder ein, der hinter einem Felsen sitzt und die Angreifer alle zusammenschießt. Er kommt von den Felsen herunter, die Frau und er schauen sich an – Und dann nimmt er einen herumliegenden Speer und tötet die Frau.
Wenn der Film in dieser Härte und Qualität weitergehen würde, dann wäre ich der letzte der was zu Meckern hätte. Aber leider verflacht die Sache dann zunehmend. Der Fremde, es handelt sich um Tom Cherry, den örtlichen Großmotz, aktiviert seine Leute in der Stadt und gemeinsam überfallen sie das Indianerdorf, weil schließlich haben die Indianer ja in der Wüste gerade eine Frau usw. Ein Massaker findet statt, aber das von den Indianern mittlerweile gefundene Kind namens Shane und eine junge Frau können entkommen. Na ja, und ungefähr 100 andere Indianer auch, inklusive des Häuptlings. Sieben Jahre später reitet ein Mann durch die Gegend. Alle halten ihn für den Ehemann der damals angeblich von den Indianern getöteten blonden Frau, und Tom Cherry und seine Brüder sind sofort auf dem Kriegspfad. Dieser Mann muss getötet werden, er könnte schließlich die Geschäfte mit der mexikanischen Armee stören, und er könnte sogar die Wahrheit über seine tote Frau herausfinden. Wie dies auch immer vonstatten gehen soll, denn es gab es ja eigentlich(!) weder Überlebende noch Zeugen. Dieser fremde Reiter, der eigentlich Ringo heißt, aber nach und nach die ihm aufgezwungene Identität von Ward Cluster annimmt, schießt ein paar von Cherrys Leuten (sind das dann Kirschenmännchen???) über den Haufen, trifft den Kopfgeldjäger Tschuk, reitet in Arschlochhausen ein, macht Ärger, und reitet weiter auf die Farm des ihm unbekannten Ward Cluster (denn er ist ja in Wahrheit Ringo). Dort schwelgt er in den Erinnerungen Clusters (häh?) und trifft er den blinden José, der die Wahrheit über den Tod von Clusters Frau kennt. Außerdem ist da noch eine Indianerin, die den kleinen Shane im Schlepptau hat, der sofort mit lauten „Papa, Papa“-Rufen auf ihn zustürmt. Ach ja, und vorher haben wir noch den Säufer Ihf kennengelernt, der die Trennung von Deborah nicht verkraftet hat. Deborah ist mittlerweile die Frau von Tom Cherry („
Ich werde diese Stadt nicht verlassen, denn sie gehört mir. Und Du kannst mich nicht verlassen, denn Du gehörst ebenfalls mir.“), was Ihf zwar Scheiße findet, aber den Fäusten der Cherry-Brüder kann er nicht wirklich viel entgegensetzen. Ringo/Ward entscheidet derweil, den Geschäften von Cherry Einhalt zu gebieten: Die Zeit der Kirschen ist vorbei. Ein Motiv dazu hat er zwar nicht, aber man kann ja auch mal einfach nur so Gutes tun. Und Tschuk reitet mit, weil es um viel Geld geht. Was zumindest als Motiv durchgeht …
Also, die Dramatis Personae ist aufgestellt: Ringo/Ward scheint mit Tom Cherry noch eine Kirsche rupfen zu müssen Es könnte aber auch ein ganzer Kirschbaum sein, man weiß es nicht genau. Tschuk ist hinter dem Kopfgeld von Cherry her, Shane ist hinter Papa her, Ihf hinter Deborah, und die Indianer finden Ward ziemlich doof und trauen ihm nicht, sind aber nicht wirklich hinter ihm her. Ward entpuppt sich dann letzten Endes als Gerechtigkeitsfanatiker, der aus Cherry Kirschmarmelade machen will, einfach weil dieser mit den Mexikanern schmutzige Geschäfte macht. Aber dem geldgeilen Tschuk gönnt er das von den Mexikanern gehortete Geld, die titelgebenden 100.000 Dollar, dann wiederum auch nicht und behält die Kohlen einfach. Der Indianerfrau spielt er einen auf große Liebe vor, nimmt ihr dann aber zum Schluss sogar Shane weg (was zu der Schlussfolgerung führt, dass Kinder viel Geld kosten, und durchaus ein Plan verfolgt wurde). Dazwischen grimassiert er wie ein Eichhörnchen auf Speed – Im Ernst, Richard Harrison hat einige echt packende Kampfszenen in diesem Film, die er mit großer Bravour hinbekommt und die wirklich stark sind. Aber vernünftiges (im Sinne von emotionales) schauspielern ist hier gerade gar nicht angesagt: Harrison mimt sogar so enthemmt, das daneben Fernando Sancho als Tschuk, (könnte da vielleicht Chuck gemeint sein?), Sancho also bleibt neben Harrison wider Erwarten sogar recht blass.
Wer sehr viel Eindruck macht ist der ursprünglich deutschstämmige Gérard Tichy als Tom Cherry, der in diesen Jahren sehr gut im Geschäft war, und in einigen Western sein gutaussehend-verderbtes Gesicht hingehalten hat. Der Mann krempelt im Zweifelsfall gerne auch mal die Ärmel hoch und peitscht seine Geliebte zu Tode – Das ist doch wenigstens noch Einsatz. Da werden keine Handlanger bemüht, der Mann möchte noch selber Spaß bei der Arbeit haben. Als Boss einer Banditenbande sicher nicht das verkehrteste Vorgehen …
Und Massimo Serato als Ihf darf nicht vergessen werden. Serato als Hansdampf in allen Gassen, bezogen auf die verschiedenen Genres in denen er immer zuverlässig dabei war, hat hier die undankbare Rolle des weinerlichen Schlappschwanzes, der nur auftaut wenn man ihm einen Whisky, eine Pistole oder Deborah hinstellt. Sonst klappt er zusammen und ist für Mann-Männer wie Tom Cherry ein gefundenes Fressen. Trotzdem, Serato konnte auch so etwas. Der konnte wahrscheinlich alles, sogar einen Briefkasten spielen …
Nein, schlecht ist 100.000 DOLLAR FÜR RINGO nicht. Aber das heißt halt auch noch lange nicht dass er gut ist. Wenn der kleine Shane weinend auf Ringo/Ward zu rennt, der sich gerade heimlich(!) über dem Lager der Mexikaner befindet, und dabei laut plärrt „
Du bist nicht mein Papa! Du bist ein Verräter! Ich mag Dich nicht!“, dann kann eine direkte Verbindung zu Lucio Fulcis SILBERSATTEL und dem Ende des Westerns italienischer Prägung gezogen werden – Und der Fremdschämfaktor ist auch genauso hoch wie bei Fulci. Immerhin ist der Kleine, Loris Loddi ist sein Name, wirklich talentiert. Seine bekannteste Rolle dürfte die des jungen Silence in LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG sein, dem die Stimmbänder durchgeschnitten werden. Aber hier ist das ganze einfach nur peinlich …
Mindestens genauso peinlich sollte den Drehbuchautoren die Handlung (/häh?) sein. So viele vollkommen unsinnige Windungen und Drehungen wie eine Achterbahn, nur mit erheblich weniger Sinn ausgestattet. Ringo scheint nicht wirklich einen Plan zu haben, wie er … Ja was eigentlich tun will? Er kommt in die Stadt um von Cherry Geld zu ergaunern, zumindest nehme ich das mal an, erkennt aber erst im Lauf der Handlung, was für ein Lump Cherry ist, und wird dann vom Saulus zum Paulus, indem er die Mexikaner und die Banditen gegeneinander ausspielt. Die Mexikaner auf der einen Seite, die Amerikaner auf der anderen, und er dazwischen? Nein, dieses Szenario überlassen wir getrost Sergio Leone. Alberto De Martino ist für solche Spiele definitiv nicht talentiert genug gewesen (ich sage nur PUMA-MAN …). Es fehlt einfach an jedweder Motivation für Ringo, wie ein angefressener Berglöwe in die Stadt zu kommen und rumzustänkern, denn dass Cherry eine faule Kirsche ist kann er ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen. Eigentlich …
Was 100.000 DOLLAR FÜR RINGO dann aber doch entscheidend auszeichnet sind die vielen wirklich gelungenen Actionszenen. Der Zweikampf im Indianerlager. Die vielen Massenszenen mit viel Gewalt und Peng Peng, die so wunderbar fernsehballettmäßig choreografiert sind. Der erstklassige Schnitt bei der Schießerei in der Stadt, bei der jeder Schauspieler für sich allein im Bild ist, und nur durch den Schnitt des Films tatsächlich ein Kampf stattfindet – Was dann auch ganz ernsthaft und richtig gut funktioniert! Hier kann 100.000 DOLLAR FÜR RINGO punkten, hier ist er überzeugend. Plus die glorreiche Idee, die Indianer am Ende zur Rettung der Helden anreiten zu lassen. Quasi als Kavallerie, nur in wild und edel. Möglicherweise eine knuffige Spitze in Richtung des amerikanischen Kinos, sicher aber eine hübsche und überzeugende Idee.
Weniger gut funktionieren die Schauspieler und vor allem das sinnlose Tun, die Musik von Bruno Nicolai lässt auch nicht wirklich erkennen, dass hier einer der kommenden Großen des Fachs am Werke ist, und was tatsächlich in Erinnerung bleibt ist der Umstand, dass es sich hier um einen der ganz ganz wenigen Italo-Western handelt, in dem Indianer eine tragende Rolle spielen. Wobei der Häuptling eine sehr große Ähnlichkeit hat mit Ben Kingsley (und in der deutschen Fassung auch fast genauso klingt), und sein bester Kämpfer, man glaubt es kaum, aussieht wie Markus Söder der sich als Indianer verkleidet. Wahrscheinlich um die Roten … Socken der SPD zu unterwandern.
So gesehen hat der Film durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Eichhörnchen Harrison is on the Loose und ballert und prügelt alles hinweg was bei drei nicht in Mexiko ist, und Spaß macht das Zuschauen da durchaus. Nur darf man nicht unbedingt knallharte Italo-Western-Atmosphäre erwarten, mehr so Fasching in der Prärie, mit einem mittelschweren Trash-Faktor in der Satteltasche. Und jetzt singen wir alle zusammen:
Da sprach der alte Häuptling der Indianer: Wild ist der Westen, weit ist die Prärie …
5/10