Sesso Nero - Joe D'Amato (1980)
Verfasst: So 29. Mai 2011, 18:03
Produktionsland: Italien
Erscheinungsjahr: 1980
Regie: Joe D'Amato
Darsteller: George Eastman, Annj Goren, Mark Shannon, Lucia Ramirez
Mark hat ein ernstes Problem: von seinem Urologe erfährt er, dass er unter einer Krankheit leidet, die von seinem Penis aus sein Leben angreift. Sollte er sich nicht innerhalb der nächsten Wochen einer operativen Kastration unterziehen, wird er seinen nächsten Geburtstag nicht feiern können. Am Boden zerstört reist er in die Dominikanische Republik, wo er einst, vor Jahren, seine große Liebe bei einem Unfall verlor, um, wen wundert's, seine verbleibende Zeit in voller Männlichkeit damit zu nutzen, sein Glied unter jedes Röckchen zu schieben, das ihm über den Weg läuft. Bald allerdings sieht er sich von befremdlichen Halluzinationen verfolgt. Seine einstige Liebe begegnet ihm auf offener Straße, scheint ihm als Gespenst nachzustellen. Auch dass seine Ehefrau ihm nachreist, um ihn zu der Operation zu überreden, gegen die er sich inzwischen entschlossen hat, trägt nicht wirklich zur Entspannung der Situation bei. Mark flüchtet in eine heruntergekommene Pension und phantasiert sich im Fieberwahn in groteske Sex-Träume...
Nach einer Insel der Leidenschaft, auf der Schwarze Magie und (vor allem!) Sex praktiziert wird und einem Porno Holocaust auf einem (angeblichen) Zombie-Eiland folgt nun also schwarze Haut, kredenzt an weißem Sandstrand. Auf den ersten Blick hat auch dieser dritte Teil der sogenannten Orgasmo-Nero-Reihe (ich habe keine Ahnung, was sich der deutsche Verleih dabei gedacht hat, ausgerechnet die drei Filme VOODOO BABY, PORNO HOLOCAUST und SESSO NERO in dieser Reihenfolge als Pseudo-Serie herauszubringen, mal abgesehen von der Möglichkeit, dass die Leute bei x-rated damit in die Annalen eingehen wollten, einige der kreativsten Filmtitel aller Zeiten auf die Menschheit losgelassen zu haben) exakt das zu bieten, was auch bereits die beiden Vorgänger auszeichnete (oder eben nicht): Mark Shannons Gesicht, verzerrt in Großaufnahme, während er sich auf Frauenhintern und -rücken ergießt, die wiederum zu Darstellerinnen gehören, die man, hat man schon ein, zwei andere Filmchen aus D'Amatos Dominikanischer Phase gesehen, ebenso bereits im wahrsten Sinne des Wortes in- und auswendig kennt. Annj Goren lässt Eingeborenen-Glieder in ihrem Mündchen verschwinden, Lucia Ramirez' Gesicht ist weiterhin darauf abonniert, exakt eine Miene zur Schau zu tragen, egal, ob sie gerade befummelt wird oder eine - hust - Charakterszene absolvieren muss, selbst George Eastman hat einen, wenn auch etwas überflüssigen, Kurzauftritt als griechischstämmiger Nachtclub-Besitzer, von den obligatorischen Subplots, die sich um Voodoo und Totenerweckungsrituale ranken, mal ganz zu schweigen, die einmal mehr nichts weiter sind als ein plakativer Aufhänger für Splatter- und Horror-Fans, der sein Versprechen, die Geschichte könnte sich irgendwann in eine etwas blutigere Richtung bewegen, nie einlöst, und, wenn man die finale Auflösung der Chose kennt, zudem reichlich debil wirken.
SESSO NERO, und das überraschte mich wohl am meisten, trennen zeitweise dann aber doch Welten von Werken wie NOTTI EROTICHE DEI MORTI VIVENTI oder PORNO HOLOCAUST. Zunächst fällt auf, dass der Film tatsächlich so etwas wie eine logische Geschichte besitzt, die aus mehr besteht als der Formel: ein paar Menschen begeben sich an einen bestimmten Ort, schlafen miteinander und werden schließlich ermordet oder bringen sich gegenseitig um. Sicher, die Prämisse, dass Mark (hat das eigentlich etwas zu bedeuten, dass Shannons Filmfigur seinen reellen Vornamen trägt?) unter einer unheilbaren Penis-Krankheit leidet, die dazu führt, dass er nach jedem Samenerguss schreiend und schauspielerisch selten überzeugend in sich zusammenbricht, ist wohl eher eine lächerliche. Gut, ich bin kein Mediziner, und falls diese ominöse Krankheit, der der Film konsequent einen Fachterminus verweigert, wirklich existieren sollte, bedauere ich aus tiefstem Herzen alle davon Betroffenen, irgendwie riecht mir das alles aber dann doch eher nach einer von D'Amatos versponnener Phantasien, mit denen er vorrangig das Ziel verfolgte, die ausgiebigen Sex-Eskapaden Shannons zu rechtfertigen, was ich dem Film jedoch zumindest lohnend anrechne, und immerhin verhindert, dass das Gerammel völlig unmotiviert, nahezu aus dem Nirwana gegriffen über den Zuschauer hereinbricht (wie in den oben genannten Werken). Akzeptiert man nun mal die Existenz von Marks Krankheit, ist der restliche Film nämlich überraschenderweise frei von allzu peinlichen und trashigen Momenten, wurde für D'Amato-Verhältnisse beinahe ernst und grimmig in Szene gesetzt, und widmet sich, von den zwischendurch aufgekochten Voodoo-Subplots abgesehen, ausgiebig der Darstellung des körperlichen und psychischen Verfalls seines Protagonisten. Klar, Mark Shannon wird nie in den Verdacht geraten, ein exzellenter Schauspieler zu sein, irgendwie überzeugt er in der Rolle eines verzweifelten Mannes dann aber doch, der einerseits einer verflossenen Liebe hinterherjagt und sich andererseits wegen des drohenden Verlustes seines Geschlechtsteils in einen Koitus nach dem andern stürzt, dabei nicht mal davor zurückschreckt, die Ehefrau eines ehemaligen Freundes zu erpressen und damit zum Oralsex zu zwingen. In dem Kontext wirken dann auch die Hardcore-Szenen kaum überflüssig und aufgesetzt, tragen den Film vielmehr narrativ. Wenn Mark über seine Gattin herfällt, um ihr in einer Semi-Vergewaltigung zu beweisen, dass es mit seiner Männlichkeit noch immer weit her ist, transportiert der Geschlechtsakt selbst eine Aussage, kommentiert der Film mit der Darstellung desselben überdeutlich die Beziehung zwischen den emotional längst voneinander entfernten Eheleuten. Auch eine längere Szene, in die Annj Goren, ein Puffmütterchen mit Hang zur Korpulenz und zwei Lustknaben involviert sind, mag mich rein ästhetisch nicht im Geringsten angesprochen haben, kann man indes, da D'Amato sich entschloss, sie eindeutig als Traum Marks zu markieren, während der im Delirium dem Gipfel seines Wahnsinns entgegenfiebert, als interessante Verbildlichung der zerrüttelten Psyche unsres Helden verstehen. Gerade wenn ich mir in der Hinsicht noch einmal VOODOO BABY vor Augen führe, wo sich ja ebenfalls eine Hardcore-Traum-Szene finden lässt, wird für mich offensichtlich, weshalb ich den einen Film als eine völlig wahllose Aneinanderreihung von leeren Bildern und den vorliegenden als eher durchdachtes, ernstes Werk empfinde. SESSO NERO hat nämlich tatsächlich so etwas wie eine Agenda, eine nicht sonderlich erbauliche Grundstimmung, die sich von der ersten bis zur letzten Szene durchzieht, und höchstens von der nach wie vor wenig beeindruckenden, tropisch angehauchten 80er-Porno-Mucke oder ein paar Stilblüten in den Dialogen kontrastiert wird. Der Sex in PORNO HOLOCAUST, sofern er nicht von dem lächerlichen Pseudo-Zombie ausging, war unverblümt, naiv und ohne weitere Konsequenzen. Der Sex in SESSO NERO steht stets im Zusammenhang mit Machtdemonstration, Verzweiflung und Wahnsinn. Eben dadurch, dass D'Amato so ziemlich jede Figur negativ konnotiert und viele der gezeigten Geschlechtsakte nicht wirklich auf Gegenseitigkeit beruhen oder als fiebrige Halluzinationen inszeniert wurden, erscheint es mir hier noch unmöglicher, dass irgendwer von ihnen sexuell stimuliert werden könnte. Vielmehr hat mich SESSO NERO teilweise an Filme aus Alberto Cavallones Porno-Phase erinnert, wenn auch ohne jemals deren subversive Kreativität, ihr künstlerisch-intellektuelles Fundament oder schlicht ihren Unterhaltungswert zu erreichen.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: SESSO NERO bleibt ein schmieriger kleiner Porno mit Handlung, bei dem man sich wohl nicht viel dachte, außer dass man mit ihm etwas Geld verdienen wollte. Nichtsdesotrotz (oder gerade deswegen) erstaunt und fasziniert mich, wie unbequem und unangenehm, wie schmutzig und deprimierend er sich schlussendlich präsentiert. Ich jedenfalls habe mich danach erst einmal einer ausgiebigen Dusche unterzogen...