HEY AMIGO... RUHE IN FRIEDEN
Originaltitel: Ehi amigo... sei morto!
Regisseur: Paolo Bianchini
Kamera: Sergio D'Offizi
Musik: Carlo Savina
Drehbuch: Roberto Colangeli, Renato Savino
Darsteller: Wayde Preston, Rik Battaglia, Aldo Berti, Anna Malsson, Raf Baldassarre, Lucio Zarini, Umberto Di Grazia, Marco Zuanelli, Enrico Cesaretti, Claudio De Davide, Franca Scagnetti
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Barnett und sein wilder Haufen sind in ein texanisches Städtchen eingefallen, um die funkelnde Fracht eines Goldtransports einzuheimsen. Freilich geht der Raubzug nicht ohne die üblichen Todesopfer über die Bühne und die wutschäumenden Dorfbewohner erwarten von Doc Williams die ungehende Verfolgung der Banditen. Unterstützung erhält er von dem trinkfreudigen Tunichtgut El Loco, was die ohnehin geringen Erfolgsaussichten nicht wirklich steigert.
HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN stand wegen des Mitwirkens von Rik Battaglia und Aldo Berti schon einige Zeit auf meiner erweiterten IW-Suchliste. Nachdem ich den Film im Grjngo-Kanal aufstöberte und alsdann den Dialogen lauschte, war ich überrascht, dass tatsächlich eine deutsche Synchronisation für eine TV-Ausstrahlung erstellt wurde. Wann und von welchem TV-Kanal (die üblichen Verdächtigen sind RTL und KABEL 1) HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN in die bundesdeutschen Wohnstuben gesendet wurde, lässt sich nicht eruieren.
Der Film ist in der Spätphase der italienischen Westernproduktionen entstanden und reflektiert keinen Überflieger. Er verzichtet allerdings auf jenen aufdringlichen als auch klamaukbehafteten Humor, den manch Post-Trinità-Western aus italienisch/spanischer Schmiede inkludiert. HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN beschreitet einen ernsthaften als auch harten Weg, denn Paolo Bianchini hält sich mit Brutalitäten, Grausamkeiten und Gemeinheiten nicht zurück und definiert diese zu wichtigen Bestandteilen seiner letzten und zugleich schwächsten Westerninszenierung.
Als 1968 der Andy und die Gudrun, der Thorwald und der Horst Brandsätze in Frankfurter Kaufhäusern legten, feuerte Paolo Bianchini gleich drei Westernsalven (DJANGO – ICH WILL IHN TOT, DJANGO SPRICHT KEIN VATERUNSER, BLEIGERICHT) ab. Erstgenannter ist nach meiner Einschätzung am besten geraten. Ein äußerst ruppiger, phasenweise brutaler und menschenverachtender IW, der unmissverständlich zeigte, wo Bianchini den vom Ziegenbock versteckten Honig entdecken konnte. Ich hatte DJANGO – ICH WILL IHN TOT erstmalig bei RTL geschaut und freilich auch auf VHS mitgeschnitten. Das müsste späte 1980er oder ganz frühe 1990er gewesen sein. Die Fernsehzeitschrift Gong, die wie die Filmzeitschrift Cinema zu einem festen Bestandteil meiner Sozialisation zählte, haute kraft mieser Karachokritiken (vermutlich dem berühmten und vornehmlich berüchtigten Lexikon entnommen) eifrig auf den Film drauf.
Auf HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN hätten die Schreiberlinge vermutlich noch mehr draufgehauen. Ganz ungeschoren sollte dieser Film auch nicht davonkommen, denn die ohnehin minimale Handlung wurde ziemlich öde inszeniert und konnte mich zu keinem Mitfiebern animieren.
Analog zu Barnett und einigen seiner Halunken lernen wir gleich zu Beginn den trinkfreudigen Loco kennen. Ein ungewaschener Fettklos, der beim täglichen Schluckspechte- und Gamma-Trinker-Treffen am Bochumer Rathaus mittels seiner Kapriolen und seiner flankierenden Großmäuligkeit zur zentralen Figur avancieren könnte. Da dieser Trunkenbold längere Zeit im Bild bleibt, keimt zugleich die Frage auf, ob - und wenn ja - warum ausgerechnet ein solcher Hauklotz die Rolle des Antihelden übernehmen sollte? In diesem Fall kann ich eine Entwarnung aussprechen. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass Loco keine unbedeutende Rolle spielt, dass er immer wieder auftaucht und dem tatsächlichen Antihelden (Doc Willams) nicht nur zur Hilfe, sondern auch zu Gefahr wird.
Genannter Doc Willams wird von Wayde Preston gespielt. Ein gebürtiger Amerikaner, der ab 1968 im italienischen Genrekino aktiv war und währenddessen überwiegend in Western agierte. Eine in diesem Kontext eher unbekannte, aber alles andere als uninteressante Arbeit ist der ca. zwei Jahre vor HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN fertig gestellte PAGO CARA SU MUERTE. Ein von León Klimovsky inszenierter Western, der mich (die Sichtung liegt bald 8 Jahre zurück) etwas an Sam Peckinpah erinnert(e), da Zivilisierung und Fortschritt für den zentralisierten Charakter mehr Fluch als Segen bedeuten.
Als Doc Willams ist Wayde Preston auf den ersten Blick eine Pfeife. Er lässt sich verprügeln und von den verarmten Stadtbürgern verspotten als auch beleidigen. Mit wachsender Spielzeit ist allerdings Schluss mit lustig und Doc Willams wird endlich zu dem Kerl, der benötigt wird, um gegen das Lumpenpack zu kämpfen und die gestohlenen Golddollar einzustreichen. Bei diesem alles andere als simplen Unterfangen sind Barnett (Rik Battaglia) und Black (Aldo Berti) seine härtesten Gegenspieler. Auch wenn Barnett als Bunch-Boss agiert, nutzt Black den Umfang seiner Showbühne effizienter aus. Black wird - wie der ungekrönte König der uferlosen Wolllust: Johnny Lester in DIE BESTIE (ITA, 1970), von einer deftigen Sexgier regiert. Vor Black ist kein Weibsbild sicher, denn sobald er eines sieht, macht es im nicht sonderlich viele Gehirnzellen beherbergendem Oberstübchen Klick und der erzeugte Impuls wird umgehend an die Genitalien gesendet, die auf sofortige Befriedigung bestehen.
Black ist zudem kein Freund von Konversation, denn er macht sein Maul so gut wie nie auf. HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN liefert in der Anfangsphase (Eintreffen und Aufenthalt wie Bambule und Randale in dem texanischen Städtchen, dessen Namen wir nicht erfahren) eh lange Momente der kollektiven Wortlosigkeit. Die Dorfbewohner wissen scheinbar allesamt nicht was wirklich los ist und ich schloss mich den Ahnungslosen ebenso ahnungslos an. Freilich lässt sich der Überfall erahnen, aber eine hundertprozentige Gewissheit lässt sich nicht ausmachen. Stattdessen herrscht in den Bretterverschlägen kurzzeitig der Terror, welchem der eine oder andere Bürger zum Opfer fällt. Anschließend hacken alle auf Doc Williams rum… - warum? Darum! Irgendwie muss der Frust ja raus und irgendeiner muss den Frust ja einstecken. Irgendwie ist das alles sehr seltsam oder wie Hans Albers es auf den Punkt brachte: „Das gibt es nur in Texas“.
Was gibt es sonst noch in Texas? Na klar! Schießereien. Und diese wurden einer rasanten Montage unterzogen. Schnelle Zooms, die zielstrebig nach fiesen Gesichtern suchen und nach erfolgreicher Fahndung einen klitzekleinen Moment als Nahaufnahmen in diversen ungewaschenen Antlitzen verharren. Das ist alte Schule, denn das konnten und können wir in unzähligen Italo-Western beobachten. Der verantwortliche Cutter, Roberto Colangeli, war zum Entstehungszeitpunkt von HEY AMIGO… RUHE IN FRIEDEN noch ganz neu in dem Job und es schaut so aus als wolle er sagen: Schaut euch genau an, was ich von Nino Baragli und sonstigen Schnitttechnikern gelernt habe.
Was der Filmfan kraft seines emsigen Filmkonsums gelernt hat ist, dass eine Vielzahl von Lichtspielen zeitweise Warnungen an das Gehör seiner Rezipienten senden, um etwas Bestimmtes anzukündigen und en passant die Aufmerksamkeit für dieses Ereignis zu stärken. Ein bestimmtes Wort, ein bestimmtes Geräusch, ein bestimmter Ton können abrupt die Alarmglocken aktivieren. Bei HEY AMIGO (der Score stammt aus der Feder von Carlo Savina) erfüllt ein E-Gitarren-Anschlag diese Aufgabe. Kurz und scharf ist der Impuls, der mittels des Saitenanschlags gesendet wird. Im Bruchteil einer Sekunde versteht der Adressat, dass Gefahr in Verzug ist. Bruno Nicolai hat ein solches Gitarrenspielchen gern in seine Western-Scores eingebracht und mit minimalem Aufwand einen maximalen Effekt erreicht.
Positive Worte zu Schnitt und Score, dazu noch ein kleiner Grausamkeiten- und Brutalitätenbonus. Das klingt beinahe wie ein mangelhaftes Arbeitgeberzeugnis, welches dem Knecht und seinen zukünftigen Ausbeutern bescheinigt, dass er stets pünktlich war. HEY AMIGO konnte mir halt keine lobenden Worte entlocken, denn die Inszenierung weißt nun mal einige Mängel auf. So wird beispielsweise ein in der Vergangenheit liegender Bezug des Antihelden zum Ganovenchef nicht herausgearbeitet und bleibt demgemäß reine Spekulation. Nebstdem mag keine Spannung aufkommen und die Hauptfigur (Doc Williams) wäre mit seiner feschen Fönwelle in einem Spätheimatfilm besser aufgehoben als im wilden Texas. Dass jenes wilde Texas in den unruhigen Jahren nach dem Sezessionskrieg zum Asyl der Gesetzlosen (GTT) wurde, findet ebenfalls keine Erwähnung.
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