„Für mich müssen die Dinge Bestand haben!“
Der zweite von insgesamt nur zwei Spielfilmen des US-Regisseurs Bob Brooks ist der Psychothriller „Tattoo – Jede große Liebe hinterlässt ihre Spuren“ aus dem Jahre 1981.
In „Tattoo“ prallen zwei Welten aufeinander: Der Träger von in Japan geklöppelten Fernost-Tätowierungen Karl Kinsky (Bruce Dern, „Meine teuflischen Nachbarn“), der in New York selbst ein Tätowierstudio betreibt – ein introvertierter, ruhiger Typ, der so gar nicht das Klischee eines Schwertätowierten erfüllt -, und das Fotomodell Maddy (Maud Adams, „Octopussy“), eine selbstbewusste, extrovertierte junge Frau, die für ihren Beruf bereitwillig in die verschiedensten Rollen schlüpft. Bei einem nur widerwillig angenommenen Auftrag, für eine Fotosession eine Reihe Models mit falschen Tattoos zu bemalen, lernen die beiden sich kennen und nähern sich einander an.
Kinsky wirkt wie ein Fremdkörper in einer von Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit geprägten Welt. Er trägt seine Tätowierungen nicht als modische Accessoires, sondern als Ausdruck seiner Seele, eine Art Schutzfunktion vor der ihm nicht sonderlich vertrauenserweckend erscheinenden Umwelt und verweigert sich kurzlebigen Trends. Von Maddy fühlt er sich angezogen, kommt jedoch nicht mir ihrer frechen, offenen Art und ihrem lockeren Umgang mit Sexualität zurecht, so dass es zum Eklat zwischen beiden kommt. Nachdem sein Vater, zu dem er ein angespanntes Verhältnis hatte, gestorben ist und er mit dem Verkauf von dessen Strandhauses betraut wird, entwickelt er einen finsteren Plan: Er narkotisiert Maddy, entführt sie – und tätowiert sie am ganzen Körper, um sie zu einem Teil seiner eigenen Welt zu machen.
Eine durchaus originelle, interessante Geschichte, die neben mehr oder weniger subtiler Zivilisations- und Konsumkritik viel Raum für Erotik und Ästhetik bedient – den Brooks auch nutzt, wenn er sein attraktives Ex-Bond-Girl zunächst splitternackt und später mit sehr ansprechenden Tattoo-Motiven versehen ins Bild rückt. Doch so tiefgründig sich „Tattoo“ zunächst auch gibt, indem er Kinsky als Außenseiter und ruhenden Pol in einer lauten Welt zeichnet, so schwierig fällt es ihm, die Glaubwürdigkeit seines Charakters aufrecht zu erhalten. Zunächst ist Kinsky durchaus der unverstandene Sympathieträger, doch schon sein Besuch einer Peepshow gibt erste Hinweise darauf, dass auch er seine Schattenseiten hat. Die seine Gefühlswelt durcheinanderwirbelnden bzw. aus dem Dornröschenschlaf weckenden Begegnungen mit Maddy zeigen ihn dann von einer stockkonservativen, manischen Seite und ab hier beginnen die Probleme: Man nimmt Bruce Dern mit seinem hier sehr eindimensionalen Schauspiel die charakterlichen Änderungen bzw. zum Vorschein kommenden Abgründe nicht so recht ab, ihm mangelt es an entsprechendem Wahnsinn in seinem Ausdruck und alles wirkt ab dem Zeitpunkt, an dem sich Kinsky und Maddy im Strandhaus befinden, seltsam flach, leb- und lieblos inszeniert. Zudem entwickelt der Film unschöne Längen, nicht zuletzt, da aufgrund der Sparflammeninszenierung die Nachvollziehbarkeit für den Zuschauer leidet.
Achtung, Spoiler:
► Text zeigen
Mit etwas Wohlwollen kann man in das Finale noch Ansätze von Stockholmsyndrom oder eine mit körperlicher Veränderung einhergehende veränderte Sichtweise, verändertes Empfinden hineininterpretieren, wenn sich Maddy schließlich als vollendetes Gesamtkunstwerk scheinbar bereitwillig dem Liebesspiel mit Kinsky hingibt und die Kamera zugegebenermaßen die ganz eigene Ästhetik ineinander verschlungener, großflächig tätowierter Körper gekonnt einfängt. Dass es ausreicht, das Endstück einer Tätowiermaschine einem ausgewachsenen Mann in den Rücken zu rammen, damit dieser nach einem kurzen Aufschrei auf der Stelle stirbt, fällt mir aber schwer zu akzeptieren.
Fazit: Eine gute Idee unzureichend umgesetzt. Da wäre mehr drin gewesen, doch es mangelte entweder an Talent oder an der Bereitschaft, seinem Publikum einen wirklich packenden Psychothriller zuzumuten. Dennoch kein uninteressanter, in gewisser Weise durchaus inspirierender Film.