Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)
Verfasst: Sa 18. Jun 2011, 18:32
Savage Three, The aka Hot Mud
OT: Fango Bollente
I 1975
R: Vittorio Salerno
D: Joe Dallessandro, Enrico Maria Salerno, Gianfranco de Grassi, Guido de Carli, Sal Borghese
Ovidio Mainardi (Joe Dallessandro) ist Mitarbeiter in einer grossen Computerfirma. Beim Besuch im Versuchslabor beobachtet er weisse Mäuse und bekommt vom einem Professor etwas über den Herdentrieb erzählt. „There is always one who leads the pack“. Kaum unbeobachtet bringt er einen Haufen dieser Mäuse auf kleinsten Raum zusammen nur um ihnen beim gegenseitigen Zerfleischen zuzusehen. Man merkt am Glitzern in seinen Augen – da stimmt was nicht. Dieser „Versuch“ bringt ihn auf eine Idee. Bei einem Spiel von Juventus Turin stachelt er mit 2 Freunden einen Tumult an, Hooliganismus in den 70ern, nicht aber weil er schlägern will, nein, ihm geht es nur um Chaos im Stadion. „There is always one who leads the pack“. Währenddessen sich der Sektor im kollektiv prügelt sind die 3 schon am Parkplatz vor dem Stadion. Mainardi findet sein geparktes Auto nicht und stiehlt einfach ein anderes, rammt gleich noch 2 parkende bei ihrer Abfahrt und sie brausen davon. Als sie in einem Stau zu stehen kommen bemerkt er wie ein Motorrad sich vorbeischlängeln will. „Open the door“ befiehlt er seinem Beifahrer und das Bike kracht in die Türe. Vom Motorrad geschleudert hat es 2 Mädchen, die bekommen noch eine in die Fresse und schon kapert Mainardi das Bike und fährt inkl. seiner beiden Kollegen damit davon. Scheiss am Stau!
Dallessandro überzeugt vollkommen in dieser hochgradig gestörten Rolle, ein Soziopath der Güteklasse A.
Comissario Santaga (Salerno) besucht einen Fortbildungskurs just in der Computerfirma in der die 3 Freizeitgangster arbeiten. Nach dem Unterricht teilt er Mainardi mit das sein Auto gefunden wurde – am Parkplatz, da wo er es parkte! Mainardi spielt das herunter und redet sich auf die Tumulte im Stadion aus. Santaga verdächtigt ihn auch noch überhaupt nicht und das Zusammentreffen der beiden wirkt eher zufällig. Santaga unterrichtet Mainardi auch noch über den Ausgang der Stadion Krawalle, 1 Toter, 40 Verletzte.
Gut auch die immer wieder eingebauten resignierenden Töne von Salerno. Salerno und ein Polizist beobachten aus ihrem Auto wie neben ihnen ein kleiner Auffahrunfall passiert. Der von hinten kommende ruft nach vor das nichts passiert sei und nur die Stossstangen sich berührt haben. Daraufhin gibt der Vordere Vollgas nach hinten und kracht ihm voll in den Kühler. Er rast davon, dicht gefolgt vom tobenden, Morddrohungen ausstossenden Hinteren. Der Polizist und Fahrer von Santaga frägt den Comissario ob sie die beiden den nicht verfolgen sollen. Santaga meint dazu nur resignierend, ach das ist ja eine Versicherungsangelegenheit, umbringen tun sich die schon nicht.
Generell ist die Grundstimmung der Menschen in diesem Film sehr aggressiv und es liegt Misantrophie in der Luft. Als die drei eine Hauptstrasse runterfahren und ein LKW rücksichtslos aus einer Gasse einbiegt und sie zu einer Notbremsung zwingt und sie danach auch noch vom Trucker verhöhnt werden ist das natürlich nur willkommen unserem Soziopath in Wallung zu bringen. Er stürzt sich auf die LKW Tür, alles schön in Zeitlupe, will den Fahrer rauszerren, der kommt ihm aber zuvor und tritt ihm in den Brustkorb. Der Trucker lässt nichts anbrennen, er springt mit Schraubenschlüssel bewaffnet aus der Fahrerkabine und attackiert das Trio. Dallessandro vollkommen in Rage sticht ihn mit einem Schraubenzieher ab.
Nachdem ihnen trotz dieser Aktion bei hellichtem Tag eigentlich nichts passiert und sie durch Arbeit aber auch privater Situationen im Inneren brodeln (Dallessandro´s Gattin hat eigentlich nie Zeit für ihn und betrügt ihn aus Karrieregründen mit ihrem Oberarzt, der eine Komplize (ich denke Guido de Carli) wohnt bei seiner Grossfamilie in ärmlichen Verhältnissen, der andere (ich denke Gianfranco de Grassi) ist durch Nachbarn und Mutti genervt) machen sich die drei wieder auf die Socken um was Wildes zu erleben. „Let´s go to find some girls. Let´s do something special tonight, something kinky“.
Sie reissen sich ne Nutte auf, besser gesagt sie wollen, aber nachdem sie diese blöd anreden ist gleich ihr Zuhälter da. Der fuchtelt mit dem Messer rum doch unsere Jungens imponiert das nicht, sie stellen sich der Situation. Der Schwächste von ihnen hält die Nutte in Schach, die anderen beiden schlägern sich mit dem Pimp, erobern das Messer und stechen ihn ab. Als Comissario Santaga zum Tatort kommt findet er auch die Nutte abgestochen und den Zuhälter demonstrativ auf den Füssen aufgehängt über ihr. Let´s get kinky!
Aber es kommt noch besser, viel besser. Nachdem sie sich ein taxi geschnappt haben (den Taxifahrer einfach rausgezerrt, der aber unerschrocken den Flüchtenden nachschoss, daraufhin Joe umdreht, ihn anfährt und in einen teich kickt!) nehmen sie Fahrgäste auf, 2 reiche Weiber. Die Taxifahrt bleibt ihre letzte, unsere Jungs geben ihnen sofort zu verstehen was kommen mag – we will bang you! In einem Lager soll es zu Liebesspielen kommen doch es verläuft anders. Während die beiden Handlanger Mainardi´s sich mit der einen vergnügen bietet sich die andere Dallessandro an. „Come on, take me“ Der lässt sie nackich machen um sie dann mit einem Gabelstabler zu jagen und damit aufzuspiessen!!!
Sal Borghese wird durch den Lärm in der Nachbarschaft geweckt und sieht nach dem rechten doch er wird von den Jungs überrascht und niedergeschlagen. Bei seiner Zeugenaussage wird ein Phantombild angefertigt von einem der Handlager Mainardi´s. Doch er wird nicht erkannt, das Trio bleibt (noch) unentdeckt.
Mainardi rechnet auch mit dem Arzt der seine Frau vögelt ab, bei einer Jagd zu der er geladen ist schiesst er ihm einfach eine Ladung Schrot in den Arsch.
Nachdem Polizei zwecks Delogierung im Elternhaus des Handlangers mit Phantombild auftaucht, versucht dieser zu fliehen da er irrtümlich denkt das sie seinetwegen hier sind. Einmal verhaftet wird er mit dem Phantombild verglichen. Santaga kommt mit Sal Borghese ins Gefängnis zur Gegenüberstellung doch der hat sich dem Gesetz entzogen und den Freitod gewählt - Tod durch Hängen.
Die Schlagzeilen in der Zeitung nimmt Dallessandro gelassen und gleichgültig hin. „Der hat dem Druck nicht standgehalten, was solls.“ Auch das er seine Komplizen ausgeplaudert haben könnte ist im schlicht & ergreifend egal. Er besorgt sich die Lieblingstorte seiner Frau und macht ihr eine süsse Überraschung. Doch die Überraschung ist nicht nur eine süsse, seine Frau krepiert elendig, ihr Mann hat die Torte mit Rattengift verfeinert!
Als er zu seinem Auto kommt empfängt er gerade ein Strafmandat von einem Carabineri. Der Bulle macht ihm einen besseren Pauschalpreis da mehrere Verordnungsvergehen, Mainardi bedankt sich mit einem Bauchschuss!
Dallessandro ist vollkommen von der Rolle, der Amoklauf ist vorprogrammiert bzw. schon im Gange. Als er bei einem Zeitungskiosk vorbeifährt hält er kurz an, sieht die Zeitungsausgaben mit dem Konterfei seines dahingeschiedenen Komplizen - und zündet den Stand einfach an!
Auch gut als er bei einer Kreuzung bei Rot zu stehen kommt. Zuerst hupt er den vor ihm stehenden Wagen an, als der keine Anstalten macht loszufahren schiesst er einfach auf das Rotlicht der Ampel und schon fliesst der Verkehr wieder!
Das Ziel seines Amoklaufs ist natürlich sein Arbeitsplatz. Dort angekommen schnappt er sich den Abteilungsleiter, schiesst ein Stromkabel entzwei und droht ihn unter Storm zu setzen. Comissario Santaga ist zur Stelle, als Mainardi wiederholt nicht aufgeben will sondern im Gegenteil Santaga auffordert ihn zu erschiessen exekutiert Santaga ihn mit mehreren Schüssen.
Für die Polizei ist der Fall hiermit erfolgreich abgeschlossen. Der Dritte wähnt sich aber noch in Freiheit, er beendet den Film beim Lunch mit Arbeitskollegen mit dem Satz: „What are you doing tonight, looking for some action?“
Boa, was für ein Werk! Ich hab den 2x kurz hintereinander gesichtet und hatte Freudentränen in den Augen. Ich habe selten Filme mit so einer Fülle an Details gesehen. Die Dinge überschlagen sich regelrecht, was Salerno uns hier in 80min. um die Ohren haut dafür brauchen andere mindestens 3 Filme. Die Story ist enorm spannend und flüssig erzählt, man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, bei jedem Atemzug passiert was. Drehbuch Ernesto Gastaldi (mit Mitwirkung von Vittorio Salerno), wie könnte es auch anders sein. Vittorio Salerno hat glücklicherweise auch gleich Bruder Enrico Maria die Rolle des Comissarios gegeben und der Mann ist geboren für solche Rollen. Hier beweist er wieder einmal was für ein grossartiger und überzeugender Schauspieler er war. Am Stock humpelnd, deillusioniert, grübelnd aber auch zynisch überzeugt er in seiner Rolle als Santaga. Sal Borghese bekommt einen Niederschlag und verpufft als Zeuge, in dem Film bleibt einfach keine Zeit für ihn, er soll froh sein das sie ihn nicht gleich umgebracht haben. Joe Dallessandro macht rein Tisch, Schlag auf Schlag wird sein Amoklauf systematischer, gnadenloser bis zum harten Finale das ihn an seinem Arbeitsplatz zurückbringt. Der Arbeitsplatz, mit all seinen Computern, Rechnern, Kabeln, der kommt geschickt montiert in Zwischenschnitten immer wieder zur Geltung wenn Dallessandro meuchelt, hier wird uns versinnbildlicht wie der monotone sowie damals auch höchst fortschrittliche Arbeitsplatz den Mann negativ beeinflusst und zum Soziopath werden lässt. In diesem Film wird drastische Sozialkritik geübt, Gesellschaftskritik die heutige Gutmenschen übelst aufstössen würde! In diesem Film gibt’s keine netten Mensch von nebenan, alle sind sie negativ, aggressiv, widerlich, trostlos auch irgendwie Torino wo das ganze spielt. Sicher auch ein Spiegel seiner Zeit aber mit so einer Drastigkeit dargebracht wie es nur die Italiener konnten. Ti amo Italia!
Wirklich sehr schade das der Film nie nach Deutschland kam und dadurch keine deutsche synchro erfuhr. Die englische Sprache ist ganz gelungen doch was würde ich dafür geben den Film in einer derben deutschen Synchro zu sehen! Man kann sich nur wünschen das dieses Werk schön restauriert einmal auf DVD erscheint (ist sie in Italien allerdings nur in der OF) um wieder einmal zu beweisen, das Beste kommt aus „bella“ Italia!!!
Achja, erwähnen will ich auch noch den interessanten & guten Progrock Soundtrack von Franco Campanino. Eine Platte die ich kaufen würde würde es sie geben!
Ein Meisterwerk, 9/10, an guten Tagen würd ich glatt ne volle, fette 10 geben!
Italien DVD