Heute:
Wir wollen doch alle nur geliebt werden. Du auch.
Ich habe in meinem Leben vier Künstlerautobiografien gelesen. Strenggenommen eigentlich nur zwei davon, weil ich "Scar Tissue" von Anthony Kiedis sowie "Dirt" von Nikki Sixx & Co. etwa nach der Hälfte ziemlich angeödet weggelegt und seitdem nicht mehr in die Hand genommen habe. Dieses vollkommen überhebliche, krankhaft narzistische
Sex, Drugs & Rock'n'Roll und ich mittendrin-Gelaber geht dir nach einer Weile so dermaßen auf die Klötze, dass du lieber freiwillig das Klo putzen gehst, als dir dieses ewig gleiche "Ich hatte sie alle"-Gesülze weitere 300 Seiten lang anzutun ... Von den ganzen Abstürzen, Fast-ODs und Nahtod-Erfahrungen mal ganz zu schweigen. Schon klar: Ihr seid die Tollsten. Applaus!
"Ich" von Helmut Berger lasse ich an dieser Stelle mal außen vor. Ganz nett, aber bei weitem nicht so spleenig, versaut oder durchgeknallt, wie man's eigentlich von Berger erwarten würde. Als Talkshow-Gast hat der Mann deutlich mehr Unterhaltungswert.
Tja ... und dann wäre da noch our very own Klaus. Kinski mit Namen. Der hat mit "Ich brauche Liebe" ein autobiografisches Werk geschaffen, das die Latte (seine nämlich) für alle Zeit unerreichbar hoch gelegt hat. Für Mötley Crüe und Kiebitz heißt es spätestens hier wieder: hinten anstellen, Freunde. Aber zack zack! Denn unser Klaus hatte sie nicht nur alle. Nein - er hatte jede. Nebst Freundinnen und Töchter, deren Lehrerinnen (und mit ziemlicher Sicherheit auch noch die Brieffreundin aus Ecuador samt Tante). Einfach JEDE. Wegsperren oder bei drei auf'n Baum? No way - unser Klaus ist einfach hinterher und hatte schon auf halbem Weg die Hosen aus. Über weite Strecken des Buches trägt er nicht mal welche. Spart Zeit. Und so poppt, rammelt, verlustiert, hurt, hechelt, reitet, geifert, stöhnt und schwitzt sich KK durch knapp 500 Seiten literarische Extravaganz, die ihresgleichen sucht. Chronischer Geldmangel kommt gleich an zweiter Stelle, während das lästige Thema Film eher nebenbei abgehandelt wird, so nach dem Motto "Geld wird knapp. Fliege für zwei Wochen nach Spanien um einen weiteren Drecks-Italo-Scheiß runterzukurbeln. Der Produzent ist eine blöde Sau - meint, er könne mich über den Tisch ziehen." usw. usf. Das isses dann aber auch schon wieder so ungefähr. Vorher und nachher ist heiter Poppen angesagt. Seitenweise. In allen Varianten - natürlich.
Fazit: Klaus, wie er lebte und liebte. Mit Betonung auf Letzterem. Pöbelnd prollig und in jeder Beziehung over the top. So wie er spielte und stritt, so schrieb er auch. Gerade deshalb für Normalsterbliche wie uns mit einer (höchst) unfreiwillig absurden Komik behaftet, welche die Lektüre dieses Buches eigentlich umso zwingender macht. Ich habe mich köstlich amüsiert und muss jedes Mal grinsen, wenn mir das Buch beim Kramen in die Hände fällt - und das nicht nur des Covers wegen. Essenziell!