● DER GORILLA VON SOHO (1968)
mit Horst Tappert, Uschi Glas, Uwe Friedrichsen, Inge Langen, Hilde Sessak, Hubert von Meyerinck,
Herbert Fux, Beate Hasenau, Ilse Pagé, Ralf Schermuly, Maria Litto, Claus Holm und Albert Lieven
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer
»Sie sind kein Mensch. Sie sind ein Tier!«
Der australische Multi-Millionär Richard Ellis wird tot aus der Themse geborgen. Bei ihm findet man eine kleine Puppe, auf der eine unbekannte Schrift zu sehen ist. Da es sich bereits um den dritten ertrunkenen Millionär aus Übersee handelt, glaubt Inspektor Perkins (Horst Tappert) nicht mehr an einen Zufall. Um die rätselhafte Inschrift zu entziffern, bekommt er Susan MacPherson (Uschi Glas), eine Expertin für afrikanische Sprachen zur Seite gestellt, die für Gewissheit sorgt. Die Schrift besagt, dass es sich um Mord handelt und führt außerdem zu den Tätern, denn offenbar ist wieder die berüchtigte Gorillabande am Werk. Perkins' Assistent Sergeant Pepper (Uwe Friedrichsen) findet bei seinen Ermittlungen heraus, dass der ermordete Millionär sein gesamtes Vermögen einer gemeinnützigen Organisation vermacht hat, deren Chef Henry Parker (Albert Lieven) man direkt einen Besuch abstattet. Bereits dort ergeben sich weitere Zusammenhänge, doch bevor man diese auswerten kann, schlägt der Gorilla erneut zu...
Innerhalb der Edgar-Wallace-Reihe gibt es sicherlich nicht viele Filme, die das Prädikat berüchtigt in Anspruch nehmen können. "Der Gorilla von Soho" ist ein solch seltenes Exemplar und es handelt sich ab 1967 um Alfred Vorhers fünften Wallace in Folge und man kann schon sagen, dass sich eine gewisse Vertrautheit bei der Inszenierung finden lässt. Die Verspieltheit dieser Filme trägt daher nicht nur eine deutliche Handschrift, sondern offeriert auch eine verdächtige Methodik, die man schätzen kann, allerdings genauso kritisch begutachten darf. Sinnvoll bei dieser bereits 27. Verfilmung der Rialto Film ist, ihn vielleicht unabhängig und nicht als Remake von dem 1961 entstandenen Klassiker "Die toten Augen von London" zu betrachten, da er sonst von vorne herein durchfallen muss. Da die Geschichte in großen Teilen kurzerhand kopiert wurde und man sogar komplette Textpassagen einfach übernommen hatte, ist der Wiedererkennungswert einfach zu hoch, und das im negativen Sinne. Vorhersehbarkeit windet sich durch den Film und es fällt zugegebenermaßen recht schwer, keine Vergleiche anzustellen.
Die Geschichte, die 1961 ausgesprochen gut beim Publikum ankam, wird also plötzlich als herkömmlich und uninteressant empfunden, weil die Bearbeitung zu überladen wirkt, die Titelfigur einem Fiasko gleich kommt und die inhaltliche Anreicherung mit Zeitgeist einfach zu hoch konzentriert wirkt. So ist die immer wieder auftauchende Einschätzung als Tiefpunkt der Rialto-Reihe sicherlich berechtigt, denn leider ist der Versuch, eine komplett neuen Richtung einzuschlagen misslungen, weil er hier einfach zu gezwungen wirkt. Nimmt man den Verlauf und die Darstellungen unter die Lupe, tauchen reihenweise Inhalte auf, die einer Persiflage oder beinahe Karikaturen ähneln, was auf dem Rücken eines eigentlich ernsthaft angelegten Kriminalfalles ausgetragen wird. So wurde der Film leider ein Musterbeispiel dafür, dass sich gut gemeinte Kehrtwendungen nicht rechnen und wie ein Bumerang zurück kommen können. Um es daher auf den Punkt zu bringen: die Geschichte ist verworren und nicht greifbar und die Inszenierung wirkt beinahe manisch verspielt. Trotz des insgesamt misslungenen Produktes, erzielte "Der Gorilla von Soho" ein zufriedenstellendes, ja eher schon beachtliches Ergebnis in Form eines soliden Zuspruchs der Kinogänger.
Nicht nur das Diktat der Regie wirkt unterm Strich erdrückend, sondern auch die teils zur Schau gestellten Darbietungen beugen sich diesem Konzept bereitwillig. Horst Tappert als Inspektor Perkins gibt der tragenden Ermittler-Figur eine bis dahin ungewohnt störrische, aber ebenso frische Note und sorgt mit seiner überaus resoluten Art für deutliche Akzente. Zwar konnte er diesen Charakter im Nachfolger-Film "Der Mann mit dem Glasauge" noch sichtlich verfeinern, aber für den Zuschauer stellt dies eine willkommene Abwechslung dar. So augenscheinlich gut seine Leistung allerdings auch sein mag, der Kampf gegen die platte Szenerie wirkt im Endeffekt wie eine Art Sisyphos-Arbeit. Uwe Friedrichsen als Tapperts Partner Sergeant Pepper sorgt für die humorgetränkten Einlagen im Film, die allerdings aufgrund der Über-Dosierung oftmals eher auf die Nerven gehen, als dass sie ins Schwarze treffen. Die Integration eines solchen Duos ist innerhalb der Serie zwar keine neue Erfindung gewesen, aber die komplett neue Würzmischung weiß unterm Strich zu überzeugen. Natürlich wurde Friedrichsen nicht nur für diese Paraden gebraucht, sondern vor allem zu einem Zweck: jemand musste die Aufgabe übernehmen, um Uschi Glas herumzuscharwenzeln, die hier bereits in ihrem dritten Wallace-Auftritt zu dulden ist.
Die junge Dame sollte glücklicherweise noch in die Reihe hinein wachsen, doch hier bekommt man noch Grauenhaftes geboten, was nichts mit dem Film, den Umständen oder dem Vergleich mit Karin Baals Interpretation von 1961 zu tun hat, sondern einfach auf ihr vollkommen hölzernes und unflexibles Schauspiel zurückzuführen ist. Gerade im Bereich der darzustellenden Emotionen versagt Uschi Glas auf ganzer Linie und sie macht es einem nicht gerade leicht, die Sympathieträgerin als solche zu akzeptieren. Einen weiteren Schuss in den Ofen stellt Hubert von Meyerincks Auslegung der Rolle des Yard-Chefs dar. Er präsentiert und kolportiert den schlüpfrigen Charakter des Films wo er nur kann, so dass seine Figur nicht nur vollkommen aufdringlich wirkt, sondern nach kurzer Zeit auch überaus nervenaufreibend wird. So ist "Der Gorilla von Soho" einer der wenigen Filme geworden, in dem unglücklicherweise gerade die Hauptrollen dafür verantwortlich sind, das Konzept zügellos zu bedienen, um es gleichzeitig zu unterwandern.
Die Riege der Gastrollen ist wie üblich wieder spektakulär besetzt und man sieht sowohl bekannte, als auch neue Gesichter, was hier allerdings nicht gleich bedeutend ist mit spürbar frischem Wind. Fast alle Darsteller wirken hoffnungslos angekettet an ein ungünstig aufbereitetes Drehbuch, so dass selbst bekannte Wallace-Veteranen nicht unbedingt einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In diesem Zusammenhang ist Albert Lieven zu erwähnen, der seine übliche Überzeugungskraft vermissen lässt, und der wie fast alle Personen etwas eigenartig Karikatives transportiert. Lieven zeichnete sich immer durch seinen weltmännische Art aus, die nun zwar nicht vollkommen fehlt, aber beim herunter spulen der ausgeliehenen Dialoge kommt keine besondere Souveränität herüber. Es fehlen die gewohnt großen Momente mit diesem exzellenten Darsteller und schließlich entsteht der Eindruck, dass sein Potential ungenutzt im Londoner Nebel untergeht. Auch die sonst so großartig aufspielende Inge Langen liefert lediglich eine Art unbequeme Persiflage ab und beide Schauspieler zeigen nicht gerade viel von ihrer gewohnten Überlegenheit und Flexibilität. Sicherlich entstehen hier und da ein paar sehr nachhaltig interpretierte Momente, doch das wechselhafte Niveau windet sich nahezu in allen Qualitätsbereichen durch diesen Film.
Herbert Fux und Beate Hasenau zeichnen leider uninteressante, da viel zu aufdringlich wirkende Charaktere und erfreuen daher nur aufgrund ihrer relativ kurzen Auftrittsdauer. Selbiges gilt übrigens für Ralf Schermuly, der abstoßend in gleich doppelter Potenz wirkt. Es ist geradezu fatal, dass diese Dreier-Konstellation als Kontrastprogramm zur Gorillabande nicht funktioniert und die Szenerie wirkt nur noch mehr gestreckt, als sie das ohnehin schon ist. Um beim Thema Kontrasten zu bleiben, die frechen und attraktiven Damen wie beispielsweise Ilse Pagé, Ingrid Back oder Heidrun Hankammer funktionieren als Pendants zu Uschi Glas sehr gut. Eine der eindrucksvollen Leistungen zeigt erneut Hilde Sassak in einer Art Wallace-Abonnement als unerbittliche und kaltherzige Aufseherin. Ihr möchte man definitiv nicht in die Hände fallen und über ihre Person hätte man ruhig etwas mehr Grausamkeit mit einbauen können, die das Szenario vielleicht besser in der Waage gehalten hätte. Insgesamt vermittelt die hochklassige Riege jedoch wesentlich mehr Ziellosigkeit als Überzeugungskraft.
Trotz aller himmelschreienden Ungereimtheiten bekommt man bei "Der Gorilla von Soho" natürlich auch positive Ansätze zu sehen. So mündet die mühsam konstruierte Geschichte in ein recht annehmbares Finale, in dem späte, kleinere Ausrufezeichen gesetzt werden können. Musikalisch begleitet Peter Thomas den Film mit sehr angemessenen Klängen, wobei auch hier Fragmente aus "Zimmer 13" wieder verwendet wurden, was den Eindruck von einem, mit Plagiaten angereicherten Schnellschuss generiert. Fans der Produktion bescheinigen dem Film beispielsweise seinen Unterhaltungswert nicht zuletzt wegen einer angeblich selbstironischen Note, wobei es tatsächlich die Frage ist, ob zuerst die Henne oder das Ei vorhanden war. Im Endeffekt scheint es so, als seien Alfred Vohrer keine neuen Ideen mehr in den Sinn gekommen, also bediente man sich völlig abstruser Komponenten. Ein Gorilla-Kostüm könnte bestenfalls für Angst und Schrecken beim Zuschauer sorgen, doch dafür sind Inszenierung und Rahmenbedingungen zu vermessen gestaltet worden.
Verbrecher, die in der Regel ja unerkannt operieren wollen, würden die Gegend sicherlich nicht mit einer derartigen Maskerade unsicher machen, aber eigentlich waren diese Ansätze insbesondere unter Vohrer ja Usus. Überhaupt fällt es daher schwer, diesen Fall ernst zu nehmen und die Mixtur aus unterschiedlichsten Komponenten transportiert lediglich Unentschlossenheit. Leider wirkt der komplette Kriminalfall nach kürzester Zeit absolut untergeordnet und verkommt zur Belanglosigkeit. "Der Gorilla von Soho" genießt zurecht den Status, eines der Schlusslichter der Reihe zu sein. Alfred Vohrers impulsive Regie und die größtenteils unbrauchbaren Ideen unterwandern diesen Film mit einem unfehlbaren System, so dass es tatsächlich schwer fällt, die guten Ansätze zu sehen und herauszufiltern. Glücklicherweise gab es für den nachfolgenden und letzten Vohrer-Film der Reihe nochmal eine spürbare Kehrtwendung und noch besser erscheint es rückblickend, dass die Wallace-Ära des Regisseurs damit beendet war. Insgesamt gesehen ein schwacher und unglaubwürdiger Aufguss, der allerdings dennoch Prädikats-Ansprüche für sich erheben darf: es bleibt ein echter Edgar Wallace.