Und der Film funktioniert auch heute noch. Beim anschauen fielen mir glatt längst vergessene Bekannte aus meiner Jugend, von denen ich nie wieder was gehört habe. Edel drehte tatsächlich am Bahnhof Zoo, er fängt die Tristesse dort ein, er zeigt, wie Christiane und Detlef beim Entzug das Bettlaken vollkotzen, er benennt die Thematik der Beschaffungsprostitution.
Und während Edels Film (den man DVD für geringes Geld mittlerweile bekommt) tatsächlich den von manchen Eltern erwünschten Abschreckungseffekt erzeugt, ist Walter Boos' 1979 (also nach dem Erscheinen des Christiane F. Buchs, aber vor dessen Verfilmung) entstandener "Mädchen zwischen Schulbank und Bahnhof Zoo" aka "Die Schulmädchen vom Bahnhof Zoo" ein sehr merkwürdiges Filmchen, dass eher auf dubiose ältere Herrschaften als Zuschauer spekuliert haben mag. Dies schrieb ich kürzlich andernorts über diesen Film:
Jetzt, nachdem ich auch den Edel erneut gesehen habe, fällt mir erst so richtig auf, wie unterschiedlich die beiden Filme trotz mancher zwangsläufigen Parallele eigentlich gestaltet sind. Edel fährt auf der realistischen Schiene, Boos schwankt ständig zwischen Teenie-Komödie und Deep Sleaze.Filmischer Schnellschuß, den die Lisa-Film 1979 raushaute, nach dem Riesenerfolg des Buchs über Christiane F. "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" und vor dessen Verfilmung durch Uli Edel.
Storymäßig hat man sich da natürlich auch angelehnt. Die Schülerin Petra ist verliebt in ihren Klassenkameraden Mick, doch der hängt an der Droge und will Petra da nicht mit hereinziehen und besorgt sich nun Geld als Stricher. Dabei kommt es zu einer Auseinandersetzung mit dem Freier, der dabei sein verliert. Mick wird von der Polizei gesucht und will sein Leben mit dem "goldenen Schuß" beenden, wird aber just in diesem Moment auf dem Bahnhofsklo festgenommen. Dirk, ein weiterer Mitschüler, bemüht sich um Petra, er bringt sie nach Hause, nachdem sie auf ner Party zuviel gesoffen hat, er versetzt sein Mofa und gibt Petra die Kohle, damit sie das Geld zurückgeben kann, nachdem sie Mamis Urlaubssparstrumpf geplündert hatte, um H für Mick zu kaufen, und bringt sie im Ferienhaus seiner Eltern unter. Doch als Mick aus dem Knast entlassen wird (er war tatsächlich an dem Mord unschuldig), wird Dirk von Petra unverzüglich abserviert.
Der Film ist sehr eigenartig geraten. Auf der einen Seite hat er die typischen Teenie-Sex-Komödien-Elemente jener Zeit (ich sag nur: Tobias Meister...), auf der anderen Seite sind insbesondere die Szenen mit Petras Drogenabhängiger Freundin Doris, die sich ihr Geld in Peepshows und auf dem Strich zusammenklaubt (und dabei von ihrem "Freund" (sprich: Zuhälter) ausgebeutet wird, teilweise derartig schmierig geraten, dass es wahrlich nicht verwundert, dass der Film sich gleich unter 3 Titeln auf dem Index wiederfand. Verwunderlich ist vielmehr, dass alle 3 nach Zeitablauf nun wieder runter sind...
Und dann ist da noch die Tatsache, dass Petra von Katja Bienert gespielt wird. Als ich vor ca. 10 Jahren den Film das erste Mal sah, hab ich mich zwar kurz gefragt, wie alt die Katja damals gewesen sein mag. Kurz danach las ich zufällig ein Interview mit Frau Bienert, und angesichts der Angabe, dass sie damals kurz vor ihrem 12. (!) Geburtstag (ich hätte sie mindestens auf 16 geschätzt) stand, fiel mir doch ziemlich die Kinnlade runter. Ihre Mutter soll angeblich selbst im Film mitspielen, dennoch komme ich nicht drumherum: Wie kann auch trotz Katjas körperlicher Entwicklung auf die Idee kommen, ein Mädchen dieses Alters ständig nackt vor der Kamera rumlaufen lassen? Gleich zu Beginn ist Katja (wenn auch passiv) in eine Ponyplay-Szene von Doris verwickelt, wo Katja mit einer Peitsche in der Gegend rumsteht, während Doris einen Freier mit Sattel und Zaumzeug ausgestattet hat und auf ihm rumreitet. Später fokussiert Regisseur Walter Boos noch mal spekulativ in Großaufnahme auf Katjas Brüste, und unmittelbar danach wird sie von Freundin Biggi neben die Brüste geküsst. Pornografisch will ich das nicht nennen, aber die Darstellung unterlässt doch einen üblen Nachgeschmack. Es hat schon für weniger Sorgerechtsentzüge gegeben, und wenn man noch berücksichtigt, dass wegen der "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"-Verfilmung von Edel tatsächlich (natürlich erfolglose) Strafanzeigen wegen Pornografie gab (!), muss man richtig froh sein, dass jenen Leuten dieses Werk nicht in die Finger gefallen ist.
Da es eine Lisa-Produktion ist, hat natürlich Otto Retzer wieder einen unvergesslichen Auftritt.
Letztlich fragt man sich, wen man wohl als Zielgruppe für dieses Werk im Auge gehabt haben mag. Das fragt man sich beim nachfolgenden "Drei Schwedinnen auf der Reeperbahn" (ebenfalls von Boos für die Lisa gedreht) allerdings auch, der seit über 25 Jahren nur noch gekürzt erhältlich ist.