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Vampire Nation - Jim Mickle

Verfasst: Di 11. Okt 2011, 17:35
von horror1966
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Vampire Nation
(Stake Land)
mit Danielle Harris, Michael Cerveris, Connor Paolo, Kelly McGillis, Bonnie Dennison, Nick Damici, Sean Nelson, Chance Kelly, Adam Scarimbolo, Marianne Hagan, Gregory Jones, Stuart Rudin, Eilis Cahill, Traci Hovel,
Regie: Jim Mickle
Drehbuch: Nick Damici / Jim Mickle
Kamera: Ryan Samul
Musik: Jeff Grace
Keine Jugendfreigabe
USA / 2010

Aus heiterem Himmel bricht die Vampirkatastrophe über Amerika herein und verwandelt weite Teile der Bevölkerung in blindwütige Blutsauger. Der jugendliche Martin überlebt die Ausrottung seiner Familie nur mit Hilfe des zufällig vorbei kommenden Vampirjägers Mister und weicht diesem fortan auf dessen Odyssee Richtung Kanada nicht mehr von der Seite. Unterwegs treffen sie andere Überlebende, die aber nicht alle freundlich sind, und geraten schließlich kurz vor dem Ziel mit einer Gruppe religiös motivierter Vigilanten aneinander.


Von den ganzen neuartigen Vampirfilmen der letzten Jahre ist "Vampire Nation" mit großem Abstand das Beste, was einem seit langer Zeit unter die Augen gekommen ist. Regisseur Jim Mickle (Mulberry Street) hat hier eine fantastische Mischung aus Endzeitszenario und Vampirfilm gefunden, die den Zuschauer von der ersten Minute an totl in ihren Bann zieht. Mickle ist bei seiner Geschichte nicht in blinden Aktionismus verfallen um eine entsprechende Zielgruppe zu befriedigen, die einen Film lediglich nach dem enthaltenen Härtegrad beurteilt. Vielmehr setzt er auf eine gut erzählte Story, die über eine eher ruhige Erzählstruktur verfügt, die dem Betrachter aber umso mehr unter die Haut kriecht und dabei eine ungeheuer starke Intensität entfaltet. Das liegt in erster Linie in der fantastisch eingefangenen Endzeitatmosphäre begründet die schon in den ersten Minuten des Geschehens extrem stark in den Vordergrund rückt. Zudem werden die Hauptfiguren des Szenarios gekonnt in den Mittelpunkt gerückt und ihre schier endlose Odysee durch ein zerstörtes Land beleuchtet.

Das soll jetzt aber keinesfalls bedeuten, das "Vampire Nation" keine Härte enthält, nur wurden die enthaltenen Passagen absolut perfekt über die gesamte Laufzeit verteilt. Dabei handelt es sich um streckenweise wirklich ziemlich derbe Szenen, so das man schon ein wenig überrascht darüber sein kann, das dieses Werk es geschafft hat, in Deutschland ungeschnitten zu erscheinen. Es ist gerade die fast schon bedächtige Erzählstruktur im Zusammenspiel mit den immer wieder eingeführten Temposteigerungen, die hier für ein exzellentes Filmerlebnis sorgt, das vor allem durch seine düstere-und beklemmende Grundstimmung voll zu überzeugen weiss. Wie eine zentnerschwere Last legt sich das Geschehen auf die Schultern des Zuschauers, der sich der immensen Wirkung der Ereignisse einfach nicht erwehren kann. Dabei ist es ganz besonders die vollkommene Trost-und Hoffnungslosigkeit, die einem hier schwer zu schaffen macht, verspürt man doch den ganzen Film über das Gefühl, sich selbst in dieser scheinbar auswegslosen Situation zu befinden.

Erschwert wird das Ganze noch zusätzlich durch die Tatsache, das die Hauptcharaktere sich nicht nur gegen die Blutsauger zur Wehr setzen müssen, sondern auch von der sogenannten "Bruderschaft" verfolgt werden, bei der es sich um eine große Gruppe religiöser fanatiker handelt. So kämpfen also auch Menschen gegen Menschen, was bei der aussichtslosen Lage schon wie ein schlechter Witz erscheint, die Intensität der Geschichte aber noch zusätzlich hervorhebt. Es ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, das Menschen in jeglicher Situation nicht aus ihrer haut herauskonnen und sich anstatt zusammenzuhalten auch noch selbst bekämpfen. Für den Storyablauf an sich ist das ein ganz wesentlicher Faktor, erhält das Szenario dadurch doch auch eine erhebliche Tiefe, was ansonsten in Filmen dieser Art nicht unbedingt der Fall ist und als sehr wohlwollende Abwechslung angesehen werden kann. Wo andere Vampirfilme der neueren Art immer diverse Schwächen aufweisen, kommt "Vampire Nation" als ein Film daher, in dem die einzelnen Komponenten perfekt miteinander harmonieren und so ein herausragendes Gesamtwerk ergeben, das meiner persönlichen Meinung nach zum Besten gehört, was das Subgenre je hervorgebracht hat.

Mit dafür verantwortlich zeichnet ganz bestimmt auch die hervorragend agierende Darstellerriege, denn bis in die kleinsten nebenrollen sind die einzelnen Figuren mit den perfekten schauspielern besetzt. So gibt es beispielsweise auch ein Wiedersehen mit einer Kelly McGillis, die man auf den ersten Blick in der Rolle einer Nonne überhaupt nicht erkennt. Sämtliche Akteure legen absolut überzeugende Leistungen an den Tag und wirken vor allem äusserst authentisch und sehr glaubwürdig. Am meisten beeindruckt hat mich dabei Connor Paolo in der Rolle des jungen Martin, kann man doch bei ihm die Wandlung eines Teenagers in einen Mann perfekt nachvollziehen. Trotzdem bringt er auch immer wieder die Ungläubigkeit und Unsicherheit eines Kindes zum Ausdruck, das einfach nicht begreifen kann, warum sein leben auf einmal vollkommen aus den Fugen geraten ist. Hier kommt man dann zwangsläufig zu der wohl größten Stärke des Filmes die ganz einfach in der Tatsache begründet ist, das man im Prinzip keinerlei Erklärung dafür geliefert bekommt, wie und warum die Vampirseuche über die USA gekommen ist. Von der ersten Einstellung an wird man einfach mit diesem Fakt konfrontiert, was den Ereignissen eine noch unheilvollere Seite verleiht. Bemängelt man ansonsten in Filmen fehlende Hintergrundinformationen, so ist diese Maßnahme in vorliegendem Werk absolut perfekt gewählt und unterstreicht das geniale Enzeitszenario.

Letztendlich ist "Vampire Nation" ein Film, der in allen Belangen aus dem breiten Einheitsbrei sehr positiv heraussticht. Man könnte das Werk auch als Kombination aus "28 Days later" und John Carpenter's "Vampire" bezeichnen, denn dieser Vergleich drängt sich doch in mehreren Passagen förmlich auf. Wie dem aber auch sei, wer aussergewöhnliche Vampirfilme zu schätzen weiss, kommt an dieser Geschichte keinesfalls vorbei.


Fazit:


Jim Mickle hat endlich das geschafft, was auch schon viele andere Regisseure in den letzten Jahren eher vergeblich versucht haben. Er hat einen modernen Vampirfilm geschaffen, bei dem wirklich alle Zutaten perfekt miteinander harmonieren und so ein letztendlich perfektes Gesamtwerk ergeben. Viel Spannung, eine tolle Story, hervorragende Schauspieler und eine geniale Endzeitatmosphäre machen diesen Film zu einem wahren Erlebnis, das man keinesfalls verpassen darf.


Die DVD:

Vertrieb: Splendid
Sprache / Ton: Deutsch / Englisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch / Niederländisch
Bild: 2,35:1 (16:9)
Laufzeit: 95 Minuten


9/10

Re: Vampire Nation - Jim Mickle

Verfasst: Sa 16. Nov 2013, 15:10
von Il Grande Silenzio
Gutes Beispiel dafür, dass man auch ohne großes Budget vernünftige Horrorfilme abliefern kann - vorausgesetzt, man hat einen guten Kameramann und gute Darsteller. Der tolle Score unterstützt die gelungene Inszenierung perfekt.

Horrordrama ohne große Schwächen 7/10

Re: Vampire Nation - Jim Mickle

Verfasst: Fr 30. Dez 2016, 21:49
von buxtebrawler
„Ich hasse diese verfluchten Vampire!“

„Mulberry Street - Die Nachbarschaft verändert sich“ lautete der deutsche Titel des Spielfilm-Debüts des US-Regisseurs Jim Mickle, das auf einen Kurzfilm folgte. Vier Jahre später, im Jahre 2010, wurde mit seinem im deutschen Sprachraum sinnloserweise englisch betitelten „Vampire Nation“ (im Original: „Stake Land“) ein Endzeit-Vampirhorror-Drama veröffentlicht, das aus dem Wust der Genre-Veröffentlichungen herausstach. Wie schon in „Mulberry Street“ trat Nick Damici dabei als Co-Drehbuchautor neben Mickle und Schauspieler in Personalunion in Erscheinung.

„Manchmal ist Hoffnung alles, was bleibt...“

Das Leben des jungen Martin (Connor Paolo, „Engel im Schnee“), der seine Familie durch die Vampire verloren hat, wurde seinerzeit von einem sich schlicht „Mister“ nennenden Vampirjäger (Nick Damici) gerettet. Seither befinden sie sich gemeinsam auf dem Streifzug durch das seit den Vampirangriffen nahezu menschenleere Land, kämpfen gegen die Blutsauger und entnehmen ihnen ihre Reißzähne, die nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft als neue Währung gelten und in den vereinzelten Siedlungen Überlebender eingetauscht werden können. Seine Kenntnisse hat der Mister seinem Schützling vermittelt und damit zu einem überlebensfähigen Menschen gemacht. Ziel der lange andauernden Reise ist ein Ort namens „New Eden“ in Kanada, der sicher sein soll und auf den sich die Hoffnungen konzentrieren. Auf ihre Fahrt durch unwirtliche Landschaft und zerfallene Geisterstädte treffen sie auf eine ältere Nonne (Kelly McGillis, „Top Gun“), die sie zeitweilig aufnehmen – sowie kurz darauf auf eine Sekte um den die Situation für sich ausnutzenden Fanatiker Jebedia (Michael Cerveris, „Mitternachtszirkus - Willkommen in der Welt der Vampire“), der Mister Folter und zwischen den Vampiren aussetzt. Für Jebedia und seine Jünger sind die Vampire Gottes Werk, was die religiös Verbrämten mindestens genauso gefährlich macht. Nachdem Mister sich retten konnte und den Spieß umdrehte, indem er Jebedia den Kreaturen zum Fraß vorwarf, vergrößert sich die Reisegruppe um die schwangere Barsängerin Belle (Danielle Harris, „Halloween IV“) und den Ex-Marine Willie (Sean Nelson, „Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3“), weiterhin getrieben von der Hoffnung auf einen neuen Morgen...

„In aussichtslosen Zeiten wimmelt es nur so von falschen Göttern. Die Menschen vertrauen dem lautesten Prediger und hoffen, dass er recht behält.“

Beginnend mit dem jungen Martin, der bei Mister im Auto sitzt und aus dem Off über seine Situation sinniert, führt er auch weiterhin immer mal wieder als Erzähler durch den Film, der zunächst einmal damit beeindruckt, wie brutal und blutig ihn Mickle anlegte. Man bekommt tolle Masken und Make-up-Effekte ebenso wie die vielleicht dreckigsten Vampire der Filmgeschichte zu Gesicht, die mehr wie Zombies agieren. In einer Rückblende wird Martins Vorgeschichte vom Tod seiner Familie und seiner Bekanntschaft mit Mister aufgerollt, um beide anschließend auf ihrem Weg vom Süden Richtung Norden der postvampirapokalyptischen USA zu begleiten, die zeitweise richtiggehend melancholisch-schöne herbstliche Landschaftsaufnahmen bieten und ansonsten in blasse tristgraue Farben getaucht wurden.

Nachdem die Sekte ein Massaker in einer befreiten Stadt angerichtet hat, kommt es zu einer an „Kinder des Zorns“ erinnernden Menschenhatz im Maisfeld und die kleine Gruppe wird dezimiert. Damit nicht genug, taucht Jebedia als Vampir wieder auf und leitet schließlich den absehbaren Showdown zwischen ihm und Mister + Martin ein, der dann weniger groß als erwartet ausfällt, dafür aber die Brutalitätsschraube noch einmal anzieht. Dabei ist „Vampire Nation“ keineswegs als Splatterorgie o.ä. misszuverstehen, im Gegenteil: Mickle nimmt sich viel Zeit für die Stimmung des Films, für die westernhafte Endzeit-Atmosphäre, für seinen starken, dominanten dramatischen Anteil. Doch versteht es Mickle eben auch, knallharte Action zu inszenieren, was er gleichberechtigt unter Beweis und somit – dem Unterhaltungsfaktor nicht abträglich – zur Schau stellt. Zudem arbeitet Mickle hin und wieder mit Zeitlupen sowie ein wenig ins Pompöse tendierender Orchestermusik, die sich mit melancholischen Streicherklängen abwechselt. Ein ausgedehnterer Epilog, der mit der jungen Peggy (Bonnie Dennison, „Black Irish“) einen weiteren Charakter einführt, rundet den Film angenehm ab.

Einen weitestgehend gelungenen Stil-Cocktail hat Mickle mit seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm gemixt, wobei die Verquickung von Road Movie, Vampirfilm und Endzeit-Dystopie mehr ein Horror-Action-Drama geworden ist denn ein vielleicht von manch Zuschauer erwarteter Grusler. Wer also glaubte, dem ausgelutschten Vampirfilm sei abseits von „Twilight“-Kitsch nicht neues mehr hinzuzufügen, sieht sich dank „Vampire Nation“ Lügen gestraft. Mickles Film erfindet seine einzelnen Versatzstücke sicherlich nicht neu, setzt sie aber zu einem ansprechenden Ganzen zusammen, das sich gut und gerne als Allegorie auf einen möglichen US-Post-Kapitalismus lesen lässt. Es mangelt ihm noch etwas an einer differenzierteren, memorableren Charakterzeichnung und einer emotionalen Ebene über die staubige, mehr an Italo-Western denn an zahlreiche „Mad Max“-Epigonen gemahnende Endzeit-Atmosphäre hinaus, alles andere befindet sich in dieser Low-Budget-Independent-Produktion jedoch auf höherem Niveau, als von mir beim Einlegen des Films erwartet.