Als die Frauen noch Schwänze hatten - Pasquale Festa Campani
Verfasst: Fr 4. Nov 2011, 18:57
Originaltitel: Quando Le Donna Avevano La Coda
Herstellungsland: Italien 1970
Regie: Pasquale Festa Campani
Darsteller: Giuliano Gemma (Uli), Senta Berger (Fili), Frank Wolff (Grr), Renzo Montagnani (Maluc), Lino Toffolo (Put), Francesco Mulé (Uto), Aldo Giuffre (Zog), Lando Buzzanca (Kao)
Es gibt Filme, die man sich allein aufgrund ihrer (Verleih)titel anschauen MUSS, selbst wenn man von Anfang an im Grunde nicht daran zweifelt, dass sie dem eigenen Leben nichts hinzuaddieren, sondern vielmehr etwas rauben, Gehirnzellen beispielweise und kostbare Zeit, die man dafür hätte nutzen können, sich endlich einmal mit dem Spätwerk Ingmar Bergmans oder mit dem Oeuvre D.W.Griffths zu befassen. Stattdessen verlockt schlußendlich die vollmundige Verheißung, die in QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA steckt, für den Moment mehr, schlicht aufgrund des hohen Trash-Potentials, der allein schon im Titel begraben liegt, und der sich, so viel kann ich schon jetzt verraten, in den folgenden eineinhalb Stunden auch noch in allen anderen Aspekten dieses Machwerks bestätigen wird. Dabei fängt die "Story", möchte man die eher lose Aneinanderreihung von sich mit zunehmender Laufzeit immer häufiger wiederholenden Episode so nennen, sogar noch halbwegs amüsant und unterhaltsam an, wenn in grauer Vorzeit das Balzverhalten einer Steinzeitdame und eines Steinzeitherrn dazu führt, dass sieben Knaben auf offene See geraten, um von den Gezeiten zu einem fernen Eiland gebracht zu werden, wo sie von nun an, ohne Kontakt zu anderen Menschen, autark zu ausgemachten Tölpeln heranwachsen, deren Lebensinhalt die fortwährende Nahrungsbeschaffung darstellt, zumeist mittels selbst konstruierter Fallen, deren Erfolgsquote gegen Null tendiert, was unter anderem die Frage aufwirft, wieso ein Großteil unsrer Helden über die Jahre sich überhaupt die Schmerbäuche haben anfressen können, die sie dauernd prominent in die Kamera halten. Anführer der Truppe und damit nomineller Hauptdarsteller ist Giuliano Gemma, der hier auf den Namen Uli hört, und sich dadurch auszeichnet, dass seine geistigen Fähigkeit wenigstens ein winziges Stückchen höher siedeln als die seiner Genossen Maluc, Put, Uto, Grr, Zog und Kao. Als eines Tages ein Gewitter über der Insel tobt, offenbar das erste seit schätzungsweise drei Jahrzehnten, denn die Höhlenbewohner zeigen sich zutiefst verängstigt ob des Donnergrollens und der herniederfahrenden Blitze, trifft einer der letzteren einen Baum, der sofort in Flammen aufgeht und unsere Protagonisten damit in Kontakt mit Feuer bringt, von dem sie alsbald erkennen, dass sein Nutzen, trotz diverser bereits erhaltener Verbrennungen im Hinternbereich, die Nachteile bei weitem überwiegt, und auf die glorreiche Idee kommen, mehrere Brandherde über die gesamte Insel zu verteilen, sodass das "fremde Tier" niemals erstirbt, was schließlich dau führt, dass die gesamte Insel Feuer fängt, und sich die Horde erneut aufs offene Meer retten muss. Schon wieder treibt man ziellos im Ozean herum, mit knurrenden Mägen, die damit beruhigt werden, dass man sich gegenseitig Körperteile amputiert und sie den andern zum Fressen gibt, bis sich die Geschichte wiederholt und man sich an fremden Ufern wiederfindet, die zu einer Wüstenlandschaft gehören, in der man zunächst ein Kamel entert und sich zweitens mittels Hütten häuslich einrichtet, um auch hier seinen bisherigen Lebenswandel ungerührt fortzusetzen, d.h. sich auf jagen, essen und schlafen zu beschränken. Alles ändert sich jedoch, als den Urmenschen eine äußerst wundersame Kreatur ins Netz geht, Senta Berger als Fili nämlich, die, schon kurz davor, im Kopftoch zu landen, Tuchfühlung zu Uli aufnimmt, und ihn mit ihren Reizen davon überzeugt, dass man mit einer Frau wesentlich interessantere Dinge ausführen kann als sie über offener Flamme zu braten. Uli, nun in die Geheimnisse der Sexualität eingeführt und begeistert davon, heckt einen Plan aus, mit dem er die Genitalien seiner Freunde von Fili fernhalten möchte. Einmal setzt er ihnen das Fleisch eines x-beliebigen Tiers vor, sie in dem Glauben lassend, es sei die fremde Kreatur, die sie nun verspeisen, andererseits verschleppt er Fili in einen extra für sie errichteten Käfig im nahen Wald, wo er sie als persönliche Lustsklavin hält, und sich, wann immer es ihm beliebt, an ihr vergeht. Schnell jedoch lehrt ihn die Schöne, dass es beim Sex nicht unbedingt auf Gewalt ankommt, bringt ihm Zärtlichkeiten bei und scheint selbst Gefallen an ihrem Vergewaltiger zu finden, was Uli damit quittiert, dass er nun auch alsbald in heißer Liebe zu seiner Eroberung entbrennt. Problematisch wird die Situation erst, als einer seiner Stammesmitglieder ihm heimlich folgt, ihn aus der Ferne beim Sex mit Fili bespitzelt und seine Beobachtungen sogleich an die restliche Truppe weiterträgt. Es dauert nicht lange bis Eifersucht und glühende Wollust einen Keil zwischen die bis dato intakten Männerfreundschaften treiben...
QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA ist einer der schlechtesten Filme, die mir jemals unterkamen. Ich rede hier nicht von der Kategorie "so schlecht, dass man sich daran schon wieder erfreuen kann", oder von Filmen aus einem Mainstream-Kontext, denen ich den Rücken zuwende, weil sie, um Bertolt Brecht zu zitieren, meiner Meinung nach vorrangig darauf aus sind, einem Lügen zu verkaufen, einen zu verblenden und so weit von jeglicher intellektueller oder emotionaler Wahrheit zu halten wie möglich, sondern von Filmen, für die es im Grunde gar kein anderes Gütesiegel gibt als das einer eindeutigen Warnung an alle, die mit dem Gedanken spielen, tatsächlich Geld in sie zu investieren, schlecht in einem Sinne, dass man sie fast schon als persönliche Beleidigung auffassen könnte, weil sie einen mit Dingen behelligen, mit denen man eigentlich nicht in Berührung kommen möchte, verärgernd, wütend machend und einen im besten Fall sprachlos zurücklassend, da man es schlicht nicht fassen kann, dass irgendjemand, erwachsene Menschen zudem, es für eine gute Idee befanden, ein solches Werk auf das Publikum loszulassen (und das, im Falle von vorliegender Produktion, auch noch relativ erfolgreich!). Zugegeben, generell kann ich italienischen Sex-Klamotten vom Schlage eines QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA beim besten Willen nicht besonders viel abgewinnen, finde sie in der richtigen Stimmung höchstens leidlich unterhaltsam, bestaune sie wie ein exotisches Gewächs, dessen Verknüpfung von Klamauk und Sex meilenweit von meinem eigenen Erfahrungshorizont entfernt ist, und das einen gerade deshalb trotz allem irgendwie fasziniert. Ich glaube, ich muss nicht herausstreichen, dass für QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA das gilt, was ich über sämtliche mir bekannte Filme dieses Genres schreiben könnten: der Klamauk ist zu keiner Sekunde witzig und die Sexszenen, sowieso allesamt nicht mal für Softpornoverhältnisse explizit, zu keiner Sekunde erotisch. Da wir es hier indes mit neunzig Minuten zu tun haben, deren Inhalt sich einhundertprozentig aus diesen beiden Komponenten speist (bei QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA liegt das Mischverhältnis etwa bei 85 % "Komik" und 15 % "Erotik"), wundert es wohl nicht, dass der Film nun nicht wirklich meinem persönlichen Geschmack entspricht.
Komik heißt bei QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA etwa, dass einer der Protagonisten einen lebenden Frosch verschluckt, um sein Magenknurren zu stillen, worauf dieser sich immer, wenn er seinen Mund öffnet, in einem lauten Quaken vernehmen lässt. Um das nervige Tier außer Gefecht zu setzen, wird eine ebenfalls lebende Maus verschlungen, die den Frosch zwar ihrerseits frißt, nun aber permanent ihr Fiepsen und Piepsen aus der Kehle des Mannes nach draußen schickt. Slapstick-Gangs der infantileren Sorte werden am laufenden Band abgespult, wenn die Urmenschen sich gegenseitig in endlose Kämpfe verstricken, bei denen die obligatorischen Comic-Geräusche natürlich nicht fehlen dürfen, sobald ein Holzprügel auf eine Schädeldecke trifft. Auf den untersten Niveaurängen rangieren desweiteren kreative Einfälle wie ein Kamel, das unseren Helden seinen Kot wie Wurfgeschosse in die Gesichter pfeffert, sobald sie seinen Schwanz heben, um sich seinen Anus zu besehen, die gräßliche Kirmes-Musik, für die tatsächlich Ennio Morricone verantwortlich zeichnet, die kannibalistischen Einlagen, bei denen abgesäbelte Hände mit chirurgischer Finesse durch Tiertatzen ersetzt werden, sowie das mit Sicherheit lausigste Bärenkostüm der Filmgeschichte, mit dem sich Herr Gemma zu Donauwalzerklängen herumschlagen darf (na gut, das erfreute mich wirklich, aber nur, weil ich ein Faible für schlechte Bärenkostüme in schlechten Filmen habe...) Ob die Stilblüten der Dialoge nun der deutschen Synchronfassung geschuldet sind oder die Figuren auch im italienischen Original solchen Stuß reden, entzieht sich meiner Kenntnis. Fakt ist, dass mir selbst nach reiflicher Überlegung kein Film einfällt, dessen Tonspur sich aus einer derartigen Dichte alberner Sprachkonstruktionen zusammensetzt, die ohne erkennbares Konzept jegliche Regeln der Syntax mißachten, Phantasiebegriffe wie "Schmackofatz" (?!) für "Essen" einführen, aus unnachvollziehbaren Gründen aus einem "Affen" einen "Laffen" machen, oder auch mitunter gar keinen Sinn transportieren, nur aus Gezeter, Geschrei und einzelnen Fetzen bekannter Worte bestehen, was sich damit dann aber wieder homogen in das Gesamterscheinungsbild einreiht. Bestätigt wird die Vermutung, dass sich entweder die Drehbuchautoren des Originals oder die Synchronfassungsverantwortlichen keine gesteigerten Gedanken darüber machten, wie sich ihre Figuren nun artikulieren sollen, durch Befremdlichkeiten wie dass Uli angeblich erst durch Fifi erfährt, dass er den Satz "Uli hat Hunger" besser als "Ich habe Hunger" formulieren sollte, wohingegen seine Kameraden schon während der ganzen bisherigen Laufzeit immer mal wieder problemlos mit dem Personalpronomen hantieren, oder die Inkonsequenz, mit der grammatikalisch richtige Sätze von ein und demselben Sprecher innerhalb ein und derselben Szene an grammatikalisch vollkommen falsche geheftet werden. Ich bin nun der Letzte, der aus sprachpuristischen Motiven gegen eine italienische Trash-Produktion auf die Barrikaden gehen würde, und sehe durchaus ein, dass in einem Film, dessen Geschichte zu Steinzeitzeiten spielt, häufiger gegrunzt und gekauderwelscht wird als in einem anderen, wenn einem aber sogar bei oberflächlicher Betrachtung auffällt, wie wenig die Filmschaffenden sich um so etwas wie eine innere Logik sorgten, sich nicht einen Hauch darum kümmerten, ein halbwegs rundes Bild der Sprachen ihrer Helden entstehen zu lassen, lässt das schon tief blicken und ist schlicht ärgerlich.
Was den Film allerdings für mich vollends disqualifiziert hat, ist sein verspielter Umgang mit den unzähligen Vergewaltigungen, die hier sozusagen im Minutentakt anfallen. Senta Berger hat in ihrer Fili-Rolle größtenteils tatsächlich nichts anderes zu tun, als sich von Uli und seinen Gefährten zum Sex zwingen zu lassen. Das allein ist natürlich noch kein Kritikpunkt, die Art und Weise wie der Film versucht, diese gewaltsamen Übergriffe in einem komischen, augenzwinkernden Licht erscheinen zu lassen, dann, meiner Meinung nach, schon. Bezeichnend ist die Szene, in der Uli es schaffte, Fili ein weiteres Mal davor zu bewahren, in den Mägen seiner Genossen zu landen, und sie ihnen deshalb als Sexobjekt anbietet. In einem Gebüsch gefesselt liegend, wird sie nun der Reihe nach von jedem Stammesmitgleid einmal begattet. Brav stehen diese Schlange vor dem Dickicht, reißen ihre üblichen unterirdischen Witzchen, bekommen sich in die Wolle darüber, wer nun zuerst zum Stoß darf, und ficken Frau Berger dabei beinahe zu Tode, werden nur von Uli davon abgehalten, der ihnen erklärt, dass ihre Gefangene nach einer Weile "kaputt gehe", sofern man ihr nicht eine Ruhepause von einem Tag gönnen würde. Noch bedenklicher fand ich indes die Reaktionen von Fili selbst auf das ihr angetane Leid, fügt sie sich doch weitgehend in ihr Schicksal, startet nie einen Fluchtversuch, vereint sich am Ende gar in Liebespaarmanier mit ihrem Vergewaltiger Uli, nachdem sie ihn zuvor ablehnte und sich bereitwillig als Lustsklavin seiner ganzen Horde anbot. Dass sie oftmals zum Sex gezwungen wurde, mitunter durch Anwendung von Holzkeulen, mit denen man sie bewusstlos schlug, bevor man sich an ihr verging, scheint Fili ebensowenig weiter zu tangieren wie Regisseur Campanile, der noch die chauvinistischsten Äußerung in einen Fasenachtskalauer zu verwandeln weiß. Es erstaunt da umso mehr, dass unter den vier (!) Drehbuchautoren (da stellt sich ernsthaft die Frage, weshalb ein Film, der nichts weiter als Geblödel und Gebumse zu bieten hat, eine derartige Mannschaft an Autoren nötig hat) auch der Name Lina Wertmüller auftaucht.
Auch das große Finale von QUANDO LE DONNA AVEVANO LA CODA setzt Akzente. Fili hat sich inzwischen als Angehörige eines Amazonenvolks entpuppt, das die Machtverhältnisse umkehrt und nun seinerseits Ulis Freunde als Bratvieh gebrauchen, die Männer vergewaltigt und zum Verzehr herrichtet, was denen allerdings bestens gefällt, sie ihre dümmlichen Späßchen sozusagen noch mit ins Grab, d.h. in den Kochtopf nehmen, während Fili und Uli die Flucht antreten wollen, um sich irgendwo anders ein neues Leben aufzubauen. In letzter Sekunde jedoch strauchelt Uli beim Anblick der vielen entblößten Frauenbrüsten, die über seinen kreischenden Gefährten hin und her schaukeln. Fifi ist es zu verdanken, dass er sich nach kurzem Schwanken doch noch für sie entscheidet und sich auf das einlässt, was später als Ehe Berühmtheit erlangen wird. Seine Stimme, aus dem Off gesprochen, zieht Billanz: "Ich habe darauf verzichtet, dass die Frauen bei mir Schlange stehen, damals, als sie noch Schwänze hatten". Positiv klingt das nicht gerade, eher schwingt tiefes Bedauern darüber mit, dass heutzutage Massenvergewaltigungen von Frauen oder zumindest die traditionelle Hierarchie zwischen den Geschlechtern nicht mehr in Mode sind, sondern der gesellschaftlichen Progression zum Opfer fielen, unterstreicht also nur noch einmal die konservative, patriarchalische Stoßrichtung dieses vordergründig als harmlose, minderbemittelte Komödie auftretenden Schundfilms, der in seinem Herzen, ob nun bewusst oder unbewusst, wobei ich den zweiten Fall für kaum wahrscheinlich halte, eine Ideologie trägt, die mich zutiefst empört. Ob das Argument, dass das numal ein Trash-Filmchen der blöderen Sorte sei, und es es deshalb nicht verdiene, allzu ernstgenommen zu werden, berechtigt ist, lasse ich mal dahingestellt.