Im gleichen Jahr wie sein kleiner Klassiker „Frightmare“, also 1974, erschien „Haus der Peitschen“ des britischen Regisseurs Pete Walker. Ähnlich wie in Walkers „Im Rampenlicht des Bösen“ schießt sich die Handlung dieses Thrillers auf erzkonservative, prüde Moralvorstellungen einer älteren Generation ein, die mit Gewalt durchgesetzt werden sollen.
Aktmodell Anne-Marie (Penny Irving) verguckt sich in den undurchsichtigen Mark E. Desade (Robert Tayman), der ihr Vertrauen erheischt, um sie seinen verrückten Eltern auszuliefern, die unbemerkt von der Öffentlichkeit ein abgelegenes Privatgefängnis betreiben und mit eiserner Hand über die jungen Insassinnen herrschen. Sie spielen sich als gnadenlose Richter und Vollstrecker ihrer moralistischen Gesetzgebung auf und lassen aus ihrer Sicht „unzüchtige Sünderinnen“ für ihre „Vergehen“ büßen und mit dem Leben bezahlen.
Das klingt verdammt nach Sleaze-Offensive und „WIP“ – „Women in Prison“-Exploitation-Stoff. In der Tat dürfte „Haus der Peitschen“ diverse Filmemacher zu derartigen Stoffen inspiriert haben. Walkers Film jedoch passt nicht so recht in diese Schublade, merkt man ihm doch an, dass es ihm mit seiner Aussage durchaus ernst war und sie nicht nur als Aufhänger für viel nackte Haut und Folterszenen herhalten musste. So fiel „Haus der Peitschen“ eher wenig schlüpfrig aus. Zwar bekommt man durchaus nackte Haut zu sehen, was aber nie selbstzweckhaft wirkt. Auch die Gewaltszenen werden keinesfalls explizit ausgeschlachtet, sondern oft nur angedeutet. „Haus der Peitschen“ will also als inhaltlich gehaltvoller Film funktionieren, was ihm mit seiner Ausstattung – einem düsteren, alten Schloss als als Privatklinik getarntes Zuchthaus – auch durchaus gelingt. Die Schauspieler sind wirklich gut, allen voran die Gefängnisleitung und -wärterinnen, ultrastrenge, knochentrockene, wahrlich furchteinflößende Mannsweiber – unter ihnen Sheila Keith aus „Frightmare“.
Während Anne-Marie ihre aussichtslose Situation bewusst wird und sie überlegt, wie sie der Hölle entkommen kann, wird zudem die eigenartige Beziehung der Leiterin Mrs, Wakehurst (Barbara Markham) zu ihrem blinden Ehemann und „Richter“, der von ihr hinter- und übergangen wird, beleuchtet sowie ein Inzestverhältnis zu ihrem Sohn Mark angedeutet. An „Frightmare“ erinnert der tragische Unterton, der in den Dialogen des Ehepaars Wakehurst mitschwingt, über deren Motivation der Zuschauer mit der Zeit immer mehr erfährt.
Leider hapert es etwas an der Dramaturgie, denn mit seinen 102 Minuten ist „Haus der Peitschen“ relativ lang geraten. Der Spannungsbogen wird nicht immer optimal gehalten, zwischenzeitlich schleichen sich ein paar empfindliche Längen ein. Achtung: Spoiler!
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Interessant aber das Ende, in dem ein grundsympathischer Trucker, den wir bereits im Prolog kennengelernt haben, bevor die Handlung in einer ausgedehnten Rückblende erzählt wird, die geflohene, aber völlig fertige Anne-Marie nichtsahnend zum Ort des Schreckens zurückfährt – ähnliches findet sich auch in anderen Genreproduktionen und wird auch heute noch gern verwendet.
Fazit: Größtenteils gelungener, grafisch überraschend zurückhaltender Horrorthriller, der religiös geprägte, moralistische Fanatiker überspitzt darstellt und dadurch persifliert. Etwas Straffung hätte dem aus heutiger Sicht eher unspektakulär erscheinenden Film sichtlich aber ebenso gut getan wie das Setzen einiger erinnerungswürdiger Akzente, um das Dahinplätschern einiger Teile der Handlung zu verhindern. Dennoch kann ich eine Empfehlung für Genre- und Themainteressierte aussprechen, zumal es sich evtl. um ein wichtiges, visionäres Werk handelt, dessen Idee in unterschiedlicher Weise für viele weitere Produktionen aufgegriffen wurde.